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Bei den drei beliebtesten Berufen wird bei der diesjährigen Lehrabschlussprüfung auf einen zentralen Test verzichtet.
Die Statistik spricht vordergründig eine klare Sprache: Über 200 der gut 250 Lehrberufe setzen auch im Qualifikationsverfahren 2020 auf eine praktische Arbeit. Der Berufsstolz zeige sich hier sehr deutlich, sagt Christof Spöring, Leiter der Luzerner Dienststelle Berufs- und Weiterbildung, auf Anfrage. «Die allermeisten gewerblich-industriellen Berufe haben sich für eine praktische Prüfung entschieden. Das freut mich sehr, denn damit kann am Schluss die Arbeitsmarktfähigkeit gezeigt werden.»
Was die Statistik allerdings nicht sofort offenbart: Unter den 43 Berufen, die auf diesen Prüfungsteil verzichten, befinden sich ausgerechnet die Top 3 der beliebtesten Lehrberufe – das sind:
Das ist zweifellos suboptimal und wirft Fragen auf. Zumindest mit Blick auf die KV- und Gesundheitsberufe zeigt Christof Spöring Verständnis für die Entscheide. Er sagt: «Die Kaufleute verfügen schon über fundierte betriebliche Erfahrungsnoten, die eine gute Schlussbeurteilung ermöglichen. Ich kann nachvollziehen, dass auf die umfassende schriftliche wie mündliche Prüfung verzichtet wird.» Das Gesundheitswesen wiederum sei coronabedingt in einer besonderen Situation: «Prüfungen vor Ort sind hier nicht überall machbar.» Roger Maurer, Prüfungsleiter des Kantons Luzern, sieht dies ähnlich: «In den Spitälern ist derzeit nichts mehr wie es war. Es war hundertprozentig die richtige Entscheidung hier auf die praktische Prüfung zu verzichten.» Zumal auch hier bereits zahlreiche aussagekräftige Leistungsnachweise vorliegen würden.
Leise in der Kritik steht dagegen der Entscheid der Detailhandelsbranche. «Ich hätte mir schon vorstellen können, dass man die Ladenprüfungen im Detailhandel durchführen könnte. Andere Berufe in ähnlicher Situation tun dies auch», sagt etwa Spöring. Und Maurer ergänzt: «Der Entscheid wurde auf Druck des nationalen Branchenverbandes gefällt.» Auch lässt er durchblicken, dass er persönlich anders entschieden hätte.
Wie sieht man das bei der Migros Zentralschweiz – wo derzeit nicht weniger als 45 Detailhandelsfachleute und 27 Detailhandelsassistent/innen in neun Branchen unmittelbar vor dem Abschluss stehen? «Für die Detailhandelsunternehmen der Migros-Gruppe wäre eine reguläre Durchführung vorstellbar gewesen – verbunden mit zusätzlichem Aufwand für die Planung und das Sicherstellen der Sicherheitsvorkehrungen bzw. die Einhaltung der BAG-Richtlinien», sagt Franziska Rohrer, Leiterin Berufsbildung. Dies sei aber die reine Betriebssicht. Die Berufsbildung sei eine partnerschaftliche Aufgabe. «Es galt einen Konsens zu finden.» Als Mitglied von Bildungsdetailhandel Schweiz, dem Branchenverband, stehe die Migros «zu 100 Prozent zum Entscheid». Gründe: Kurzfristigkeit, erhöhte Mobilität der Teilnehmenden bei einer Durchführung und Fairness, um die Vergleichbarkeit der Abschlüsse zu gewährleisten.
Befürchtet die Migros nicht, dass der aktuelle Berufsjahrgang ein Stigma mit sich tragen könnte? Franziska Rohrer fordert alle Beteiligten dazu auf, diese ausserordentliche Situation nicht zu Ungunsten der Lernenden auszulegen. Sie sagt: «Aus Erfahrung wissen wir, dass das Abschlusszeugnis für künftige Stellen zwar zu den Bewerbungsunterlagen gehört. Aber: Ein differenzierteres Bild zur Arbeitsleistung der jungen Berufsleute gibt das Arbeitszeugnis ab.» (cpm)