Die Spitze der Luzerner Polizei hat sich letzte Woche wegen eines Einsatzes in Malters vor Gericht verantworten müssen. Im Zentrum stand auch die umstrittene Rolle des Psychologen vor Ort. Dieser war das allererste Mal an einem Polizeieinsatz.
Lena Berger
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Polizeipsychologen sehen Dinge in Menschen, die Normalsterblichen verborgen bleiben. Sie sind Helden, irgendwo zwischen Genialität und Wahnsinn. Sie sehen in den Augen eines Verbrechers, welche Kindheitstraumas diesen zu seinen grauenvollen Taten antreiben. Und natürlich wissen sie deshalb auch, mit welchen psychologischen Tricks sie einen Kriminellen zur Aufgabe bewegen können. So ist es zumindest in Krimiserien wie «Hannibal» oder «Criminal Minds».
Dass sich dieses Bild in den Köpfen der TV-Zuschauer festgesetzt hat, mag mit ein Grund dafür sein, dass der «Fall Malters» in gewissen Teilen der Bevölkerung für Empörung gesorgt hat. Denn Einsatzleiter Daniel Bussmann hatte sich an jenem unglückseligen Morgen im März 2016 über die Empfehlung des Polizeipsychologen hinweggesetzt. Nach 19 Stunden erfolgloser Verhandlungen mit einer psychisch angeschlagenen und bewaffneten Frau entschied er, die Wohnung zu stürmen, in der sich diese versteckt hielt. Mit tragischen Folgen. Als der Zugriff erfolgte, nahm sich die Frau in ihrem Badezimmer das Leben.
Eine Frage, die sich im Rahmen der Medienberichterstattung sehr früh gestellt hat, ist, welche Verbindlichkeit die Empfehlung eines Polizeipsychologen bei solchen Fällen hat. Die Frage lässt sich nicht allgemein beantworten, denn in der Schweiz haben Psychologen bei der Polizei je nach Korps ganz verschiedene Aufgaben und Kompetenzen.
Welche Rolle dem Psychologen bei der Luzerner Polizei zukommt, lässt sich aus dem Jobprofil des Mannes ablesen, der diese Stelle zum Zeitpunkt des Vorfalls innehatte. Er hat gekündigt, daher war das Stelleninserat bis vor kurzem online einsehbar. Gesucht wurde eine Person mit einem Masterabschluss, die sich auf Arbeits- und Organisationspsychologie spezialisiert hat. Eine klinische oder gar forensische Ausbildung ist nicht gefragt, zumal der Job primär darin besteht, Beratungen, Coachings, Supervisionen und Schulungen durchzuführen und die HR-Abteilung bei der Rekrutierung neuer Polizeikräfte zu unterstützen.
In Anbetracht dieser Tatsache stellt sich die Frage, was der Polizeipsychologe an dem Einsatz verloren hatte, wenn er über keine forensische Zusatzqualifizierung verfügte. Die Gerichtsverhandlung von letzter Woche lieferte dazu neue Erkenntnisse.
Polizeikorps in der ganzen Schweiz warten gespannt auf das Urteil, das am Dienstag verkündet wird. Wie Kommandant Adi Achermann sagte, befürchtet man ein Präjudiz, wenn Polizisten verurteilt werden, weil sie einen Suizid nicht verhindern konnten.