RECHT: «Feiertage sind Streittage»

Kürzlich startete in Luzern eine private Rechtsschule. Dort erarbeiten sich 18 Teilnehmer das juristische Rüstzeug, um im Streitfall bessere Lösungen zu finden. Das sei besonders nach den Feiertagen nötig, so Rechtsberater Hubertus Hollenweger.

Urs-Ueli Schorno
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Dozent Andreas Hirner vermittelt Laien an einer privaten Rechtsschule juristisches Grundwissen. (Bild: Philipp Schmidli (Luzern, 6. Dezember 2016))

Dozent Andreas Hirner vermittelt Laien an einer privaten Rechtsschule juristisches Grundwissen. (Bild: Philipp Schmidli (Luzern, 6. Dezember 2016))

Urs-Ueli Schorno

ursueli.schorno@luzernerzeitung.ch

Besinnlich sollten sie gewesen sein, voller Licht und Liebe – die Feiertage zum Jahresende. Doch die Zeit, in der sich die Familie wieder mehr Aufmerksamkeit schenken will, birgt auch Potenzial für Streitereien, bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen. «Gerade wenn das Heil- und Friedensbedürfnis besonders gross ist, bringt oft ein kleines Unwort oder ein Missverständnis ein grösseres Problem zum Vorschein», sagt Hubertus Hollenweger, einer, der es wissen muss. Der 67-jährige Mediator mit handwerklicher und akademischer Bildung ist der Gründer der Rechtspermanence. Das ist einerseits eine juristische Anlaufstelle, die in Streitfällen telefonisch täglich rund um die Uhr erreichbar ist, anderseits eine Kanzlei, die in Luzern und Zürich Rechtssuchende berät. Jeweils samstags bietet sie auf Anmeldung auch unentgeltliche Sprechstunden im Gebäude der Universität Luzern. Während der Feiertage gingen besonders viele Fragen ein, die besprochen, beurteilt und verhandelt werden mussten.

Ein Muster sei in den Beratungen der Rechtspermanence immer wieder zu beobachten, sagt Hollenweger: «Viele wissen gar nicht, welche Rechte sie haben.» Deshalb hat die Rechtspermanence eine private Rechtsschule für den Alltag ins Leben gerufen. Hier vermitteln Juristen dem Laien Grundwissen und geben ihm Werkzeuge in die Hand, um selber konstruktiv an Lösungen zu arbeiten. Die Rechtsschule startete in Luzern Mitte Oktober mit 18 Schülern und wird im Frühling 2017 auch in Zürich einen Lehrgang anbieten.

Eine bunt gemischte Klasse

Im Raum 1.04 der Hochschule an der Zentralstrasse finden sich die Studenten zum Unterricht ein. Dozent Andreas Hirner begrüsst sie per Händedruck, man pflegt das Du. Der Anwalt ist einer von sechs Dozenten, die im Rahmen der Rechtsschule unterrichten. Mietrecht steht an diesem Dienstagabend auf dem Programm. Die Klasse ist fast vollständig, der Herr aus Zürich wird mit etwas Verspätung eintreffen.

Es ist eine bunte Mischung aus jüngeren und älteren juristisch Interessierten. Ihre Hintergründe sind vielfältig. Einige sind in ihrer beruflichen Tätigkeit immer wieder mit Rechtsfragen konfrontiert. «Ich möchte Anfragen so weit wie möglich kompetent beantworten können», sagt etwa ein Jungpensionär, der Budgetberatungen für Menschen in schwierigen finanziellen Verhältnissen macht. Wieder andere bringen bereits Erfahrungen aus dem Baurecht mit, weil sie bei der Realisierung der eigenen vier Wände mit allerlei Juristereien konfrontiert waren. Eine junge Dame vertritt bei ihrer Arbeit die Vermieter. Ihre Sitznachbarin steuert als Mieterin Beispiele bei, wie sie sich mit der Verwaltung wegen eines kaputten Garagentors herumgeplagt hat.

Die Diskussionen sind engagiert, das Interesse rege. «Die Beilegung kleiner Streitereien zwischen den Parteien kann bereits ausreichen, damit der Kündigungsschutz greift», zitiert Hirner den entsprechenden Artikel des Obligationenrechts. Ein Aha-Effekt stellt sich ein. «Wenn man solche Dinge nicht weiss, dann schaut man sie auch gar nicht nach», sagt ein junger Mann in der ersten Reihe.

Andreas Hirner sagt: «Was die Rechtsschule aus meiner Sicht besonders macht, ist, dass die Kursteilnehmer neben der Vermittlung juristischer Grundlagen mitbekommen, wie verschiedene Praktiker mit dem Recht arbeiten.» Hirner selbst arbeitet in einem Pharmaunternehmen und ist dort mit Rechtsfragen aus unterschiedlichsten Bereichen konfrontiert. Dem Allrounder gegenüber steht die Obwaldner Oberstaatsanwältin Esther Omlin, die zum Strafrecht sprechen wird. Andere Referenten sind eher in der Ökonomie, im Haftpflicht-, Sozial-, Schuld- oder Prozessrecht zu Hause. Es ist denn auch kein Zufall, dass die Rechtsschule auf ihrer Webseite ihr Angebot damit bewirbt, dass es verschiedene Lesarten für Gesetzestexte gibt. «Das Recht gehört dem Aufmerksamen, nicht den Juristen», heisst es dort prägnant. 1890 Franken kostet das 42 Stunden umfassende Semester. Für Personen ohne Einkommen sind es 1050 Franken.

Wissen im eigenen Umfeld einbringen

Die Absolventen der Rechtsschule sollten schliesslich in der Lage sein, mit Rechtsfragen besser umzugehen, sowie ihr neues Wissen, wenn nötig, im eigenen Umfeld einzubringen. Damit könnten, geht es nach Hubertus Hollenweger und den Mitinitianten, nicht nur Streitereien beendet werden, bevor sie eskalieren, sondern es könnten auch Anwaltskosten gespart werden.

«Ende Jahr wollen Probleme gelöst sein»

Gelegenheit dazu gab es dieser Tage genug. «Sei es im Gespräch über ein erhofftes Vorerbe, über einen Kredit, oder wenn der Sohn sich etwas Ausgefallenes, etwa einen Sportwagen, kaufen will – finanzielle Fragen führen in der Familie dieser Tage oft zu Streit», betont Hollenweger. Neben Geldfragen sorgen oft auch heikle innerfamiliäre Themen für Unruhe, gerade dann, wenn man sich eigentlich lieb haben will. Etwa eine angezweifelte Vaterschaft, oder wenn die Tochter einen Mann heiraten will, der dem Papa nicht passt. Schliesslich kann auch der Anspruch des Studenten nach einer eigenen Wohnung für Zündstoff sorgen. «Gegen Ende des Jahres wollen Probleme gelöst und vom Tisch geräumt werden, damit man wieder Frisches anpacken kann», spricht Hollenweger aus Erfahrung. «Feiertage sind auch Streittage», bilanziert er. Das gelte im Übrigen auch für geschäftliche Belange, neue Arbeitsverträge, Lohnerhöhungen, Mobbingsituationen oder den Deal, welchen man unbedingt noch schnell abwickeln will.

Die in der Rechtsschule ausgebildeten Laien können dazu beitragen, dass trotz unvermeidlicher Streitereien eine gütliche Lösung gefunden werde. Denn «in jedem Streit liegen Chancen», ist Hollenweger überzeugt – und er zitiert Erich Kästner: «Aus Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kann man etwas Schönes machen.»

Hinweis

Rechtsschule Luzern und Zürich, www.rechtsschule.ch