Der Entwurf der neuen Kirchenverfassung wird heiss diskutiert. Macht und Grösse der Kirchgemeinde Luzern stehen im Zentrum.
Die 70 Mitglieder der Synode befassen sich derzeit mit dem Entwurf der neuen Kirchenverfassung. Zweimal hat das Parlament der reformierten Kantonalkirche getagt. Am 3. Dezember steht die nächste, entscheidende Debatte auf dem Programm. «Anfänglich herrschten extreme Spannungen. Ich bin aber stolz auf die Synode. Trotz gegensätzlicher Meinungen ist der Umgangston zielgerichtet», berichtet David A. Weiss.
Weiss ist der Präsident des kantonalen Synodalrats, der den neuen Verfassungsentwurf ausgearbeitet hat. 64 Paragrafen umfasst das Papier, wirklich kontrovers diskutiert wird aber nur die Grösse und die Macht der gemeindeübergreifenden Kirchgemeinde Luzern. Sie umfasst zehn Teilkirchgemeinden in der Stadt und Agglomeration, stellt mit 23 000 Mitgliedern rund 54 Prozent der Reformierten im Kanton und hat auch in der Synode einen Anteil von über 60 Prozent. Kurz: Sie kann die anderen sieben Kirchgemeinden im Alleingang überstimmen. «Die Autonomie einer Gemeinde stösst an ihre Grenze, wenn sie das Modell der synodalen Einheit gefährdet», sagt Weiss. Die Synode sei verantwortlich für wichtige Bereiche wie die theologische Ausrichtung, Ämterbesetzungen oder den Einsatz finanzieller Mittel. Zwar habe die Kirchgemeinde Luzern ihre Überlegenheit nie in voller Stärke ausgespielt, sprich geschlossen für oder gegen Themen abgestimmt. «In der Vergangenheit war aber zu spüren, dass sie sich ihrer Macht und Grösse bewusst ist. Sie hat klare Erwartungen gegenüber dem Synodalrat formuliert.» Die Strukturfrage stelle sich schon lange. «2009 entschloss sich die Synode für eine Totalrevision unserer Kirchenverfassung», erzählt Weiss.
Wenig überraschend wehrt sich die Kirchgemeinde Luzern in der ersten Lesung. Vornehmlich geht es um Paragraf 20, dem Folgendes zu entnehmen ist: «Eine Kirchgemeinde darf nicht mehr als 50 Prozent der Mitglieder der Landeskirche in sich vereinigen.» Und: «Falls eine Kirchgemeinde über der Maximalgrösse liegt, beschliesst die Synode nach Anhörung der betroffenen Kirchgemeinde deren Aufteilung.»
Der Kirchgemeinde Luzern droht also eine Aufspaltung und Verkleinerung. «Das ist für uns nur schwer nachvollziehbar», sagt deren Präsidentin Marlene Odermatt. «Die Kirchgemeinden sind autonom. Mit dieser Regelung kann aber allein die Synode bestimmen, was mit uns geschehen soll. Wir würden nicht mehr wie alle anderen behandelt werden.» Mit der bisherigen Struktur sei man sehr zufrieden, «wir wollen zusammenbleiben».
Ausnahmen bilden die Teilkirchgemeinden Meggen-Adligenswil-Udligenswil sowie Horw, die eigenständig werden wollen. Diese lässt man ungern ziehen. «Die Austrittsverhandlungen sind aber auf gutem Weg. Läuft es nach Plan, werden sie per 1. Januar 2017 austreten», sagt Odermatt. Auch nach dieser Abspaltung beinhaltet die Kirchgemeinde Luzern noch immer knapp über 50 Prozent der Reformierten im Kanton. «Diese Zahl hängt wie ein Damoklesschwert über uns.» Bereits im Vorfeld der Synodetagungen kam es darum zu heftigen Wortmeldungen. Es soll sogar einen Hetzbrief gegen den Synodalrat geben. Synodalratspräsident Weiss sagt hierzu: «Über Hetzbriefe ist mir nichts bekannt. Ich weiss aber von einem E-Mail eines Vorstandsmitglieds der Kirchgemeinde Luzern, in dem Synodemitglieder in forschem Ton aufgefordert werden, den Synodalrat auf einer breiten Ebene zu attackieren.»
Odermatt distanziert sich von solchen Äusserungen: «Ich kann nicht die Meinung Einzelner wiedergeben. Der Kirchenvorstand ist aber sehr bemüht, die Diskussionen sachlich zu führen.» Am 3. Dezember hoffe man auf einen Konsens. «Wir wissen, dass wir in der Synode ein Übergewicht haben. Wir akzeptieren eine Neuberechnung der Sitze.» Paragraf 20 will man so aber nicht in der Verfassung drin haben. Eigentlich könnte die Kirchgemeinde Luzern mit einem geschlossenen Auftreten in der Synode die neue Kirchenverfassung locker ablehnen. Die Realität sieht laut Odermatt aber anders aus: «Es sind nie alle gleicher Meinung.»
Laut Weiss ist die Thematik von Paragraf 20 nicht vom Tisch. Aktuell arbeiten die Fraktionen zwar an Alternativlösungen. Doch Weiss sagt: «Die Kirchgemeinde Luzern weiss seit Ende der Sechzigerjahre um das Macht-Ungleichgewicht. Sie hat bisher wenig zu einer Lösung beigetragen und tendiert eher zur Bewahrung des Status Quo.»