REUSS-PROJEKT: Das Volk hat noch ein Wörtchen mitzureden

Als die Regierung im Januar das Projekt «Hochwasserschutz Reuss» vorstellte, war noch keine Rede davon, dass darüber abgestimmt werden muss. Jetzt ist plötzlich alles anders.

Lena Berger
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Blick auf die Hochwasser führende Reuss. Der Kantonsrat ist unzufrieden mit dem Kostenumfang des Hochwasserschutzprojekts an der Reuss. (Archivbild / Keystone)

Blick auf die Hochwasser führende Reuss. Der Kantonsrat ist unzufrieden mit dem Kostenumfang des Hochwasserschutzprojekts an der Reuss. (Archivbild / Keystone)

167 Millionen Franken sollen in den Hochwasserschutz und die ökologische Aufwertung des Reusstals investiert werden. Eine immense Summe, von der allerdings der Bund 80 Prozent der Kosten übernehmen soll. Regierungsrat Robert Küng hat im Januar an einer Medienkonferenz über das Projekt informiert. Ein Blick in den damals veröffentlichten Zeitplan erstaunt. Denn obwohl die Kantonsverfassung klar besagt, dass bei Projekten mit Bruttokosten über 25 Millionen Franken eine Volksabstimmung erforderlich wird, ist davon in der Planung keine Rede. Baudirektor Robert Küng nimmt Stellung.

Herr Küng, ist die zwingende Volksabstimmung bei der Planung schlicht vergessen worden?

Robert Küng: Nein, eine allfällige Volksabstimmung ging natürlich nicht vergessen. Diese wurde am 15. Januar nicht aufgeführt, weil aus verfahrenstechnischen Gründen noch nicht klar ist, ob und wann es zu einer Abstimmung kommt. Aus heutiger Sicht gehen wir aber davon aus, dass eine Volksabstimmung stattfinden wird.

Besteht die Möglichkeit, eine Volksabstimmung zu umgehen, in dem das Projekt dem Kantonsrat in einzelnen Etappen vorgelegt wird?

Küng: Beim Projekt «Hochwasserschutz und Renaturierung Reuss» handelt es sich um ein Projekt mit geschätzten Kosten von 167 Millionen Franken. Auch wenn das Projekt etappiert wird, ist davon auszugehen, dass eine einzelne Etappe die Kreditgrenze von 25 Millionen Franken erreicht.

Ist geplant, das Gesamtprojekt dem Volk vorzulegen oder einzelne Teilprojekte?

Küng: Dies kann noch nicht abschliessend beantwortet werden. Grundsätzlich möchten wir aber solche Generationenprojekte als Ganzes vorlegen.

In welcher Phase des Projekts wird die Volksabstimmung erfolgen?

Küng: Aus heutiger Sicht können wir noch nicht sagen, wann es zu einer Abstimmung kommen würde. Der Zeitpunkt dürfte aber vor oder nach der Projektbewilligung im Jahr 2019 sein.

Rechnen Sie mit zeitlichen Verzögerungen durch die Durchführung einer Volksabstimmung?

Küng: Natürlich müsste für eine Volksabstimmung Zeit eingerechnet werden. Wir gehen aber nicht davon aus, dass dies das langfristige Projekt deutlich verzögern wird.

Der Kanton will 134 Millionen Franken vom Bund. Kann das Subventionsgesuch bereits vor der Volksabstimmung oder parallel dazu gestellt werden?

Küng: Ja, Basis für die Einreichung des Subventionsgesuches ist die Projektbewilligung.

Die kommunizierten Subventionssätze des Bundes stützen sich auf die Programmvereinbarungsperiode 2016–2019. Ist sich der Regierungsrat sicher, dass er die Subventionsgesuche bis dann stellen kann – auch wenn eine Volksabstimmung nötig wird?

Küng: Ja, da dafür die Projektbewilligung massgeblich ist. Ein Kreditbeschluss im Rahmen einer Volksabstimmung unterstützt natürlich ein Subventionsgesuch, da dadurch die kantonalen Mittel verbindlich gesichert sind.

Widerstand ist programmiert

Das Hochwasserschutz-Projekt Reuss sieht Renaturierungsmassnahmen am 13,2 Kilometer langen Abschnitt vom Reusszopf bis zur Kantonsgrenze vor. Im oberen Teil sollen die Dämme erhöht werden. Ab dem Schiltwald wird die Reuss aufgeweitet, wodurch auch die Fliessgeschwindigkeit abnimmt.

Bei einer Volksabstimmung ist von verschiedener Seite her mit Widerstand zu rechnen:

  • Um das Flussbett zu verbreitern, werden 54 Hektar Land gebraucht, weitere 37 Hektar sollen künftig nicht mehr intensiv landwirtschaftlich bewirtschaftet werden dürfen. Dagegen wehren sich Landbesitzer. Sie halten das Projekt für «überdimensioniert» und fordern, man solle sich statt auf die Renaturierung auf den Hochwasserschutz konzentrieren und von «unnötigem Landverbrauch» absehen (Ausgabe vom 30. März).

  • Kritisch geäussert haben sich auch die Umweltverbände Aqua Viva, Pro Natura und WWF (Ausgabe vom 17. Mai). Sie befürchten eine «Katastrophe für die Fische», wenn das Projekt wie geplant umgesetzt wird. Beim Reusszopf und im Abschnitt Schiltwald sollen jährlich etwa 12 000 Kubikmeter Kies und Sand entnommen werden. Gemäss den Umweltverbänden würden Fische wie die bedrohte Äsche dann keine geeigneten Lebensbedingungen mehr vorfinden und früher oder später aussterben.

  • Je nach Kostenverteilungsschlüssel ist zudem auch von einzelnen Anrainergemeinden mit Widerstand zu rechnen.

70 Stellungnahmen

Zum Hochwasserschutz-Projekt sind im Rahmen der Vernehmlassung rund 70 Stellungnahmen eingegangen. Derzeit die Ergebnisse in einem Mitbericht zusammengefasst, der wie eine Projektüberarbeitung wirkt. Im November soll das Ganze öffentlich aufgelegt werden.

Lena Berger