SALLE MODULABLE: «Den Champagner gibts später»

Das Gericht auf Bermuda gibt der Stiftung Salle Modulable Recht. Im Interview verrät Stiftungspräsident Hubert Achermann, was das bedeutet.

Interview Hugo Bischof
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Hubert Achermann, das Urteil fiel zwar zu Ihren Gunsten aus, das Geld fliesst aber noch nicht. Kann man trotzdem von einem Sieg sprechen?
Hubert Achermann:
Es ist ein Etappensieg. Wir wissen, dass wir noch nicht am Ziel sind. Wir haben drei Jahre gekämpft – mit grosser Hingabe und vielen Ups und Downs. Ende 2010, als der Butterfield Trust die Gelder zurückzog und uns blossstellte, haben wir Würde bewahrt. Dass das Gericht in Bermuda uns nun Recht gibt, freut uns und nehmen wir wiederum mit Würde entgegen. Den Champagner gibts später.

Im Gerichtssaal in Bermuda soll eine sehr giftige Atmosphäre geherrscht haben. Wie hart war es wirklich?
Achermann:
Es wurde in der Tat mit harten Bandagen gekämpft. Wir sind uns das von der Schweiz her nicht gewohnt; es war wirklich so, wie man es von Hollywood-Gerichtsfilmen her kennt. Im Kreuzverhör wird man von der Gegenseite richtiggehend vorgeführt, und zum Teil waren die Vorwürfe ehrenrührig.

Wie lange dauerte ihr Kreuzverhör?
Achermann:
Zwei Tage. In dieser Zeit durfte ich mit niemandem über den Fall reden. Ich durfte mich auch nicht mit unseren Anwälten absprechen. So ein Kreuzverhör fordert einen aufs Äusserste. Doch es hat sich gelohnt.

Wie schwierig war es, in dieser Situation den Standpunkt der Stiftung Salle Modulable darzulegen?
Achermann:
Logisch und moralisch war das ganz einfach. Da war dieser langjährige grosszügige Mäzen des Lucerne Festival, Christof Engelhorn. Er bedachte das Festival schon zuvor immer wieder mit grosszügigen Spenden. Nun wollte er mit uns die Salle Modulable bauen, ein flexibles Musiktheatergebäude für Luzern, und uns dafür über seinen Trust 120 Millionen Franken schenken lassen. Das war sein Wille bis zu seinem Tod, und der Trustverwalter, die den Trust beaufsichtigenden Protektoren und die begünstigten Familienmitglieder waren damals alle damit einverstanden.

Das Gefäss, in dem Engelhorn seine Gelder in Bermuda anlegte, heisst Art1 Trust und ist Teil des grösseren Butterfield Trust. Im Art1 Trust sollen 3 bis 8 Milliarden Dollars liegen.
Achermann:
Gemäss einer am Rande des Prozesses gemachten Aussage eines Vertreters der Bank, zu welcher der Butterfield Trust gehört, betragen die in den Engelhorn-Trusts in Bermuda verwalteten Vermögen rund 7 Milliarden US-Dollars. Das bedeutet auch, dass die versprochenen 120 Millionen für den Trust zu verkraften sind und er dadurch nicht in Schieflage geraten würde.

Gemäss dem Urteil aus Bermuda bestand ein rechtsgültiger Schenkungsvertrag. Die Gegenseite hat dies stets vehement bestritten. Was gab den Ausschlag zu Ihren Gunsten?
Achermann:
In der «discovery period» vor dem eigentlichen Prozess ging es darum, alle relevanten Dokumente durch beide Seiten offenzulegen. Wir konnten mit diesen Dokumenten beweisen, dass ein Schenkungsvertrag gemäss schweizerischem Recht zustande gekommen und Butterfield Trust eine verbindliche Verpflichtung eingegangen ist.

Also ein Vertrag zwischen Christof Engelhorn und Butterfield Trust?
Achermann:
Nein. Der Vertrag kam zwischen dem Butterfield Trust und der Rütli-Stiftung in Luzern zustande, die später ihre Rechte in Abstimmung mit dem Trust an die Stiftung Salle Modulable abtrat. (Die Rütli-Stiftung war vom Luzerner Privatbankier Karl Reichmuth gegündet worden, der als Vermittler fungierte, d. Red.).

Aber es ist ein von zwei Seiten unterschriebener Vertrag?
Achermann:
Für das Zustandekommen eines Schenkungsvertrags braucht es nicht ein von beiden Seiten unterschriebenes Vertragsdokument. In unserem Fall ging es um mehrere Dokumente, welche den Vertrag begründen. Daraus ergibt sich eine rechtliche Verpflichtung des Trusts. Das sagt das Urteil unmissverständlich.

Was sind das für Dokumente?
Achermann:
Zum Beispiel Mails und Briefe zwischen dem Trust und der Stiftung. Der Richter stellt in seinem Urteil übrigens auch fest, dass wir unsererseits unseren Verpflichtungen zu 100 Prozent nachgekommen sind.

Der Vertrag sei in «highly informal terms» verfasst und umgesetzt worden, sagt das Urteil aber. Daraus lässt sich die Kritik herauslesen, dass Sie es versäumten, das Ganze rechtlich verbindlich zu fixieren.
Achermann:
Diese Kritik geht an die Adresse des Trusts, der sich lange Zeit kaum um das Projekt gekümmert hat. Alles lief über Herrn Engelhorn.

Dass der Richter den Schenkungsvertrag nach Schweizer, nicht nach Bermuda-Recht beurteilte, ist bemerkenswert. War Richter Ian Kawaley, der das Urteil fällte, je in Luzern?
Achermann:
Das weiss ich nicht. Richter Kawaley zeigte sich aber sehr interessiert an den örtlichen Gegebenheiten. Er liess sich Fotos und Karten von Luzern zeigen. Er wollte wissen, wie weit die Standorte Lido oder Inseli vom Bahnhof entfernt sind. Das war sehr eindrücklich.

Aber das Schweizer Recht muss er doch perfekt gekannt haben?
Acherman:
Nein, das musste er nicht. Dafür gab es Rechtsgutachten, und bei der Verhandlung waren zwei Experten vor Ort. Jede Partei durfte einen aufbieten. Der Richter hat sie befragt. Richter Kawaley interessierte sich auch sehr für das Politsystem der Schweiz. Den als Zeugen erschienenen Luzerner Regierungsrat Marcel Schwerzmann hat er dazu ausführlich befragt.

Dass ein bermudischer Richter nach Schweizer Recht entscheidet, ist dennoch überraschend.
Achermann:
Das ist nicht aussergewöhnlich. Es kommt auch oft vor, dass ein Schweizer Richter nach deutschem oder italienischem Recht entscheidet. Die Regeln des internationalen Privatrechts sehen dies oft vor. Entscheidend ist nicht, wo etwas verhandelt wird. In unserem Fall war ausschlaggebend, dass alles Wesentliche sich in der Schweiz abgespielt hat und abspielen soll. Die Salle Modulable soll ja dereinst in Luzern stehen.

Nach Bermuda-Recht hätte der Richter aber dem Trust Recht geben müssen. Das steht im Urteil klar.
Achermann:
Das Recht von Bermuda kann ich nicht beurteilen. Der bermudische Richter kommt aber eindeutig zum Schluss, dass in unserem Fall Schweizer Recht anwendbar ist.

Kennen Sie sich im angelsächsischen Recht aus, das in Bermuda gilt?
Achermann:
Ich kenne vor allem das angelsächsische Trust-Recht sehr gut. Was ich bisher nicht kannte, war das Prozessrecht auf Bermuda. Um alle Aspekte abzudecken, haben wir uns für diesen Prozess sehr gut aufgestellt: Das Zürcher Anwaltsbüro Wartmann & Merker beriet uns im Schweizer Recht. Für den angelsächsischen Bereich standen uns die renommierte Londoner Anwaltsfirma Farrer & Co. und weitere Experten zur Verfügung. Dann hatten wir Anwälte vor Ort. Insgesamt ein hervorragendes Team.

Wie viele Anwälte waren jeweils im Gerichtssaal anwesend?
Achermann:
Auf unserer Seite waren es meist drei, auf der Gegenseite fünf bis sieben Anwälte.

Wo fand der Prozess statt? In einem prunk- und würdevollen Saal?
Achermann:
Überhaupt nicht. Es war ein schlichter Raum, die Wände vollgestopft mit Ordnern. Manchmal war es stickig heiss, manchmal hatte man die Temperatur unangenehm hinuntergekühlt.

Kamen auch Zuschauer zum Prozess?
Achermann:
Ja, es waren immer Leute da. Leo Betschart, ein ehemaliger Schweizer Konsul, etwa kam oft zu den Verhandlungen. Die lokale Presse hat ja auch ausgiebig über den Prozess berichtet.

Hatten Sie Zeit für etwas Sightseeing?
Achermann:
Eigentlich nicht. Mein Fokus lag allein auf dem Prozessgeschehen. Was ich von Bermuda gesehen habe, erschien mir wie ein prächtig gepflegter Park. Die Menschen waren sehr freundlich und hilfsbereit. Doch es war nicht Hochsaison, und es hat ab und zu geregnet.

Richter Ian Kawaley hat eine eintägige Nachverhandlung anberaumt. Steht der Termin schon fest?
Achermann:
Es wird wohl Anfang Mai sein. Dass es eine Nachverhandlung gibt, nachdem das Urteil vorliegt, kennen wir hierzulande nicht. In Bermuda ist das aber durchaus üblich.

Worum wird es dabei gehen?
Achermann:
Es wird einzig darum gehen, die Regeln für die Umsetzung des Urteils festzulegen.

Das Urteil verpflichtet Sie zum Erstellen einer aktualisierten Machbarkeitsstudie, damit die Gelder fliessen. Wird der Richter an der Nachverhandlung die Kriterien für diese Machbarkeitsstudie festlegen?
Achermann:
Ja, das wird ein Diskussionspunkt sein. Es wird auch um die Frist gehen, die uns dafür zur Verfügung steht.

Im Urteil spricht der Richter von «possibly 12 months», möglicherweise 12 Monaten? Reicht das?
Achermann:
Das hängt davon ab, was die Machbarkeitsstudie alles abdecken muss. Wenn darin auch die ganze politische Entscheidfindung inbegriffen sein soll, ist ein Jahr wohl zu knapp. Das weiss auch der Richter sehr gut. Er hat im Verlauf des Prozesses ein ausgezeichnetes Gespür für die hiesigen Verhältnisse gezeigt.

Sie sprechen die Parlaments- und Volksabstimmungen an, die ein solches Projekt bestehen muss. Stehen Sie da schon unter Zeitdruck?
Achermann:
Ein gewisser Zeitdruck besteht immer. Wichtig ist nun eine enge Zusammenarbeit zwischen der Stiftung Salle Modulable und den politisch Verantwortlichen in Stadt und Kanton Luzern, die auch die Koordination zwischen den involvierten Kulturinstitutionen sicherstellen.

Sie haben eine zweite Chance, das Projekt aufzugleisen – vorausgesetzt, dass die Gegenseite das Urteil nicht anficht. Gibt es Fehler, die Sie beim zweiten Mal vermeiden wollen?
Achermann:
Wir haben vieles gut gemacht und können auf einem weit fortgeschrittenen Projekt aufbauen. Vielleicht hätte man in einigen Bereichen noch etwas effizienter arbeiten können, aber die Komplexität des Projekts war aufgrund der vielen beteiligten Insitutionen sehr gross.

Anstatt der Salle Modulable redet man in Luzern nun aber längst vom Projekt NTI (Neue Theater-Infrastruktur Luzern) – einen Ersatz für das veraltete Luzerner Theater. Aber lassen sich die für die Salle Modulable vorgesehenen Millionn einfach ins neue Projekt NTI umpolen?
Achermann:
Entscheidend ist, dass im Rahmen des Projekts NTI das Grundkonzept der Salle Modulable umgesetzt wird. Kernelement ist ein flexibel gestaltbarer Musiktheatersaal. Das heisst, er muss auf einfache Art in zwei oder drei Bühnen aufgeteilt werden können, und der Publikumsraum muss ebenfalls konfigurierbar sein. Einfach ein konventionelles Theaterhaus zu bauen – das ginge natürlich nicht. Dass das Projekt NTI das gültige Nachfolgeprojekt der Salle Modulable ist, anerkennt auch das Urteil des Gerichts in Bermuda.

Der Knackpunkt dürfte der Standort sein. Sehen Sie das auch so?
Achermann:
Das ist sicher ein wichtiger Punkt, aber nicht der einzige.

Im Vordergrund stehen das Inseli und der heutige Theaterstandort. Gibt es noch andere mögliche Standorte?
Achermann:
Die Standortfrage muss die Politik entscheiden. Da halten wir uns zurück. Ob der Standort Teil der Machbarkeitsstudie sein wird, wissen wir erst nach der Nachverhandlung. Wir glauben aber, dass eine Machbarkeitsstudie auch mit allenfalls zwei möglichen Standorten denkbar ist. Die Herausforderungen baulicher Art in Luzern am Wasser sind ähnlich – sei es beim Inseli, an der Reuss oder wie damals beim Lido.

Haben Sie nach dem Tod Engelhorns noch Kontakt mit seiner Familie?
Achermann:
Nur vereinzelt. Die Witwe zu kontaktieren, um über sie Einfluss zu nehmen – das lehnten wir von Anfang an ab. Es wäre taktlos und falsch gewesen. Sie hatte den Tod ihres Mannes zu verkraften und war auch nie ins Projekt involviert. Auch zu den anderen Familienmitgliedern besteht leider kein Kontakt mehr, der ein konstruktives Gespräch zur Lösung des Problems erlaubt hätte.

HINWEIS
Hubert Achermann ist 1951 in Luzern geboren und besuchte hier die Primar- und die Kantonsschule. Er studierte an der Universität Bern Rechtswissenschaften. Er ist Anwalt. Zuletzt war er von 2004 bis 2012 CEO der KPMG Schweiz, eine Wirtschaftsprüfungs- sowie Steuer- und Unternehmensberatungs-Gesellschaft mit Sitz in Zürich. Hubert Achermann ist Mitglied des Implenia-Verwaltungsrats. Mitte März ist er zur Wahl in den Verwaltungsrat der Georg Fischer AG vorgeschlagen. Der kulturell interessierte Hubert Achermann ist Präsident von Lucerne Festival und Präsident der Stiftung Salle Modulable. Er lebt in Luzern, ist verheiratet und hat einen 27-jährigen Sohn.