Bernadette Roos dirigiert seit 30 Jahren den Jodlerklub Schüpfheim. Doch sie mag auch Kirchenmusik – und hört manchmal Punk.
Wer auf der Hauptstrasse von Entlebuch nach Schüpfheim fährt, wird beim Dorfeingang von Bernadette Roos begrüsst. Zwar nicht persönlich, dafür freundlich lächelnd und unübersehbar. Auf einem grossen Plakat ist ihr Konterfei abgebildet, daneben die Worte «30 Jahre Dirigentin». Die 55-jährige dreifache Mutter ist populär im Dorf. Darauf angesprochen, lächelt sie so wie auf dem Plakat. «Ja, wahrscheinlich. Man könnte meinen, dass ich für den Kantonsrat kandidieren würde.» Tut sie aber nicht. Der Grund für ihren prominenten Auftritt ist das Konzert des Jodlerklubs Schüpfheim heute Abend um 19 Uhr in der Pfarrkirche. Roos spielt eine Hauptrolle.
1984 hat sie die musikalische Leitung des Jodlerklubs übernommen – als erste Frau überhaupt. Wie wurde sie damals von den mehrheitlich männlichen Jodlern aufgenommen? Sie blickt zurück und nickt: «Super. Von Beginn weg spürte ich, dass mich meine Kollegen unterstützen. Sie trugen meine Entscheidungen, und ich erfuhr grosse Wertschätzung.»
Kritischer wurde sie ein Jahr zuvor beäugt. Damals wurde sie erste Jodlerin des Vereins. «Vorher waren in unserem Verein ausschliesslich Männer. Aber ich war ja keine Unbekannte im Dorf und hatte eine gute Stimme, sodass bald klar war, dass man mit mir das hohe Niveau des Vereins aufrechterhalten kann», erklärt Roos. Der Jodlerklub Schüpfheim hat in seiner 82-jährigen Geschichte an 17 Eidgenössischen- und 25 Zentralschweizerischen Jodlerfesten sowie an zwei Festen des Berner kantonalen Jodlerverbands teilgenommen und wurde in der ersten Klasse immer mit «sehr gut» bewertet.
Sie hat sich seit frühester Kindheit für die Musik begeistert. Aufgewachsen ist sie mit vier Geschwistern in einer musikalischen Familie in Escholzmatt, einer Gemeinde, in der vier Jodlerklubs beheimatet sind. Zusammen mit zwei Geschwistern musizierte sie 30 Jahre in einem Terzett. Mit dem Singen begnügte sich die junge Bernadette aber nicht. Bereits mit 16 liess sie sich beim Zentralschweizer Jodlerverband ZSJV als Dirigentin ausbilden. Gemeinsam mit der in Jodlerkreisen bestens bekannten Marie Therese von Gunten (63). «Ob wir die ersten Frauen waren, weiss ich nicht mit Bestimmtheit. Aber ich war ganz sicher die jüngste Dirigentin», erklärt Roos und erinnert sich, dass ihr das «Vaterland» damals ein ganzseitiges Porträt widmete.
Ein Jahr später, als 17-Jährige, übernahm sie als Dirigentin die musikalische Leitung des Jodlerklubs Hilfernthal. Fünf Jahre später, 1981, heiratete sie ihren Josef (62), der Mitglied im Jodlerklub Schüpfheim war und immer noch ist. Auch ihre drei Kinder sind der Musik zugetan. Doch die jüngere Generation ist nicht ausschliesslich am Jodeln interessiert. Tochter Susanne (30), die oft und gerne jodelte, ist jetzt ausgebildete Musical-Darstellerin, und der jüngere Sohn Christian (25) singt in einer Pop-Rock-Band, hat jedoch eine Affinität zum Jodeln. Der 32-jährige Michael singt seit 2008 im Bass im Jodlerklub Schüpfheim.
Die Familienfrau ist beruflich beim «Entlebucher Anzeiger» in der Verlagsredaktion in einem 80-Prozent-Pensum tätig. Daneben ist sie im ZSJV als Jurorin engagiert und neben dem Jodeln bestens mit der klassischen Musik vertraut. Roos leitete elf Jahre den Kirchenchor Bramboden und seit drei Jahren den Kirchenchor Escholzmatt. Sie hat soeben das Chorleiterdiplom C in Kirchenmusik abgeschlossen. Aber auch für ganz andere Musikstile hat Bernadette Roos ein offenes Ohr. So besuchte sie im letzten Jahr mit Sohn Christian ein Konzert der deutschen Rock- und Punkband Die Ärzte. «Die waren ganz schön laut. Aber weil Christian immer unsere Konzerte besucht, fand ich es angemessen, ihn auch einmal zu einer seiner bevorzugten Bands zu begleiten.»
Zur Feier ihres 30. Jahres als Dirigentin meint Roos: «Meine ‹Gspändli› sollen nur kein grosses Trari, Trara machen. Zur Ehrendirigentin bin ich schon zum 25. gekürt worden.» Ein Höhepunkt wird das Zentralschweizerische Jodlerfest 2016, das der Jodlerklub Schüpfheim mit drei anderen Jodlerklubs als Organisator durchführen wird. Weibelt dann Bernadette Roos als Kantonsrätin um Sponsoren? Sie lacht: «Nein danke, die Politik verfolge ich zwar, aber meine Leidenschaft ist und bleibt die Musik.»