Rückblick
Sie war der Feuerteufel der Zentralschweiz – Vor 28 Jahren wurde Caroline H. verhaftet

Als «Parkhausmörderin von Zürich» sorgte Caroline H. national für Schlagzeilen. Eine Spurensuche zeigt: Bis zu ihrer Verhaftung vor 28 Jahren hat die Frau in der ganzen Zentralschweiz als Brandstifterin gewütet.

Evelyne Fischer
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Ich wollte nichts weiter als Beachtung, einfach Aufmerksamkeit auf mich ziehen. Das ist mir wohl gelungen. Dies ist der ganze Kern der Sache und der langen Reden kurzer Sinn.

Oft wurde Caroline H. zum Motiv ihres Handelns befragt. Und oft antwortete sie wie am 4. September 1992, als sie diese Sätze formuliert. Sätze, deren Wucht sich erst aus ihren Taten vorangegangener Monate erschliesst. Die Kette von Ereignissen beginnt im März 1991, mit Zeuseln in der Telefonkabine. Die damals 18-Jährige zündet Telefonbücher an. Beim Gemeindehaus in Sarnen, bei der Post in Sachseln, bei der Bahnhofunterführung in Luzern. Innert zwei Tagen lodert es in acht verschiedenen Telefonkabinen.

Gut ein halbes Jahr später macht sie sich an WC-Anlagen zu schaffen. Etwa am Bahnhof in Zug, wo sie im Oktober 1991 Papierhandtücher entzündet. Caroline H. wird mutiger. Mitte Dezember fährt sie mit dem Töffli von Sarnen Richtung Flüeli. Sie sieht einen Weidstall mit Stroh – und braust bald mit der Feuersbrunst im Rücken davon.

Mit dem Grossbrand am Kasernenplatz ist Schluss

Ende 1991 kommt Caroline H. kurz in Untersuchungshaft, danach setzt sie ihre Brandserie bis zur Verhaftung am 30. April 1992 fort. Tags zuvor hat Caroline H. am Kasernenplatz in Luzern Schaden in der Höhe von über vier Millionen Franken angerichtet.

Im Dachstock des damaligen Hauptsitzes der von Moos Stahl AG setzt sie Kartonschachteln in Brand. Das Feuer breitet sich explosionsartig auf das ganze Geschoss aus.

In der Ausgabe der «Luzerner Zeitung» vom 1. Mai sagt der damalige Amtsstatthalter Fritz Mattmann: «Man muss annehmen, dass ein Pyromane unterwegs ist.» In der nachfolgenden Ausgabe wird die Festnahme einer jungen Frau vermeldet. Die grosse Frage der Randspalte lautet: «Reisst nun die Luzerner Brandserie ab?»

Rund 40 Brände in der Zentralschweiz gelegt

Caroline H. ist 1973 als österreichische Staatsangehörige in Altdorf geboren worden. Sie wächst in Sachseln auf, Volksschule, Welschlandjahr. Nach dem gescheiterten Versuch einer Bürolehre in Kerns will sie sich ab Juli 1991 in Luzern zur Verkäuferin ausbilden lassen. Zwei Jahre später wird sie sich hier für rund 40 Brandstiftungen vor dem Kriminalgericht verantworten müssen. Sie ist geständig.

Wie es im Urteil heisst, habe sie das «Katz- und Mausspiel mit der Polizei fasziniert». Schon früh sei es ihr schwergefallen, «sich in sozialen Beziehungen zurechtzufinden. Sie wurde zur Einzelgängerin und hatte nach eigener Angabe nie eine Freundin oder einen Freund».

Das Luzerner Kriminalgericht verurteilt Caroline H. am 5. November 1993 unter anderem wegen mehrfacher Brandstiftung zu vier Jahren Zuchthaus. Und es ordnet eine Verwahrung an, wie sie Staatsanwältin Marianne Heer, heutige Kantonsrichterin, damals gefordert hat.

Doch daraus wird nichts: Der Verteidiger zieht den Fall ans Obergericht weiter. Denn einer der Brände gibt Rätsel auf. Am 29. Februar 1992 steht ein Mehrfamilienhaus in Emmenbrücke in Flammen. Bei der ersten Befragung bestreitet Caroline H. die Brandstiftung. Später gesteht sie, das Feuer im Treppenhaus gelegt zu haben. Brandspurenbild und Zeugenaussagen ergeben jedoch, dass der Brand ausserhalb des Gebäudes entfacht worden ist.

Zu all ihren anderen Bränden hat Caroline H. Zeitungsartikel gesammelt, jener von Emmenbrücke aber fehlt. Auch kann sie sich weder an das Datum noch an den Wochentag erinnern. In Einvernahmen sagt sie mehrmals, sie habe bewusst Objekte ausgesucht, bei denen sie keine Menschenleben gefährden würde. In Emmenbrücke befanden sich bei Brandausbruch aber 23 Personen im Haus – sie konnten sich glücklicherweise alle selbst retten.

Rätselraten um das falsche Geständnis

Wie aus dem Urteil des Obergerichts vom 22. August 1994 hervorgeht, lassen solche Ungereimtheiten «erhebliche und unüberwindliche Zweifel am Wahrheitsgehalt des früheren Geständnisses» aufkommen. Die Richter reduzieren die Strafe auf 3,5 Jahre Zuchthaus, abzüglich von 849 Tagen, die Caroline H. bereits hinter Gittern verbüsst hat. Man sucht nach Gründen für das falsche Geständnis. Hatte Caroline H. den Überblick über die gelegten Brände verloren? Wollte sie sich als Täterin inszenieren, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken? Im Urteil heisst es, das falsche Geständnis sei «eine besonders häufige Fehlerquelle bei der Wahrheitsfindung». Einige Seiten weiter liest man gar, die Persönlichkeitsstruktur der Beschuldigten sei «für eine Falschaussage geradezu prädestiniert». Ärzte attestieren ihr mangelnde Impulskontrolle, diagnostizieren eine Persönlichkeitsstörung, zweifeln an ihrer Zurechnungsfähigkeit während der Taten.

Was damals niemand weiss: Gut drei Jahre vorher, im Juni 1991, hat Caroline H. in einem Zürcher Parkhaus eine Frau getötet. Und im Januar 1997 wird sie beim Chinagarten an der Seepromenade wieder zustechen. Zuerst wird sie ein Geständnis ablegen, später alles widerrufen. Kantonsrichterin Marianne Heer sagte 2018 gegenüber der «Republik»: «Man hätte sie verwahren sollen. So wäre das zweite Tötungsdelikt verhindert worden.» Denn schon als Staatsanwältin sei sie überzeugt gewesen: «Diese Frau ist brandgefährlich.»

Auch das Schweizer Radio und Fernsehen SRF hat in einer Dok-Serie den Kriminalfall der Parkhausmörderin aufgearbeitet. Hier gibt's den Link zur Sendung.

Recherche und Roman zum Fall

Die Geschichte der heute 47-jährigen Caroline H. übt auch Jahrzehnte nach ihren Taten eine gewisse Faszination aus: Die in der Zentralschweiz aufgewachsene Österreicherin gestand, in den 90er-Jahren in Zürich zwei Frauen getötet zu haben. Die gemäss Blick «gefährlichste Frau der Schweiz» ist seit 1998 in Haft, seit Juni 2000 im Frauengefängnis Hindelbank. Sie sei lebendig begraben, sagte ihr Anwalt Matthias Brunner 2015 im «NZZ Folio».

Im Dezember 2001 verurteilte das Obergericht Zürich die sogenannte Parkhausmörderin zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe mit anschliessender Verwahrung. Doch im Fall Caroline H. gab es keine Zeugen, keine Spuren und kein Motiv. Sondern einzig ihr Geständnis, das spätestens nach dessen Rückzug Zweifel aufkommen liess. Was, wenn Caroline H. gar nicht gemordet hat? Dieser Frage geht Carlos Hanimann, Reporter beim digitalen Magazin «Republik», in einer umfangreichen Recherche nach. Seine Spurensuche wurde im letzten Herbst in Buchform veröffentlicht.

Zeitgleich erschien die literarische Verarbeitung des Kriminalfalls, der Roman «Mordslügen» von Mathias Ninck, einst unter anderem Reporter für den «Tages-Anzeiger» und heutiger Kommunikationsleiter des Stadtzürcher Sicherheitsdepartements. Die Grundzüge der fiktiven Geschichte sind dem Fall Caroline H. entnommen. Ein Reporter geht hier dem Gerücht nach, das Geständnis der eingesperrten Serienmörderin sei falsch. 

Buchinfos: Carlos Hanimann, Caroline H., Echtzeit Verlag, 27 Franken. Mathias Ninck, Mordslügen, Edition 8, 25 Franken.

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