So vielfältig ist das Container-Leben auf dem Emmer Seetalplatz

Vom Architekturbüro übers Restaurant bis zum Yogastudio: Die 35 Container der Seetalplatz-Zwischennutzung in Emmen sind mittlerweile bezogen. Doch nicht alles läuft nach einem Jahr gleich gut.

Beatrice Vogel
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Auf dem Areal NF49 – der Seetalplatz-Zwischennutzung – wird seit rund einem Jahr gearbeitet. (Bilder: Pius Amrein, Emmenbrücke, 23. Juli 2019)
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Das Restaurant und Eventlokal Magazin lädt an Werktagen zum Mittagstisch.
Barchef Patrick Theiler sorgt im «Magazin» für die Verköstigung der Gäste.
Die Architektinnen Lea Ott (links) und Sandra Werneyer haben auf dem NF49 ihr Büro.
Roswitha Lüthi betreibt zusammen mit Martin Solèr ein Atelier, das zugleich Ausstellungsraum ist.
Besucher können auch spontan im «Tiny-Art-Container» vorbei schauen und die Skulpturen nicht nur anschauen, sondern auch in Bewegung setzen.
Alle Skulpturen sind aus alten Alltagsgegenständen und Recyclingmaterial zusammengesetzt.
Einmal pro Woche bietet Sarah Beroud – die derzeit an ihrer Masterarbeit in Psychologie schreibt – Yogastunden im Seminarraum des NF49 an.
Das Kugelspiel Nosyphos von Walter Keiser kann man in seinem Showroom ausprobieren. Firmen mieten es etwa zur Teambildung.
Schön eingerichtet hat es sich Ivo Amarilli mit seinem Arbeitskollegen von der Videocontent-Agentur Madcom. Ihrem Büro sieht man den Container nicht an.
Auf dem NF49 soll auch ein Garten entstehen ...
... Im Moment ist jedoch noch wenig grün rund um das «Magazin».

Auf dem Areal NF49 – der Seetalplatz-Zwischennutzung – wird seit rund einem Jahr gearbeitet. (Bilder: Pius Amrein, Emmenbrücke, 23. Juli 2019)

Vom ehemaligen Strassenbau- und Hochwasserschutzprojekt am Seetalplatz sind Baubaracken und viel Platz übrig geblieben. Ein paar Container und eine Umzäunung sind hinzugekommen, ansonsten hat sich auf den ersten Blick nicht viel verändert. Dass sich in einem Jahr Zwischennutzung doch einiges getan hat, realisiert man erst nach Betreten des Areals NF49. Mittlerweile sind alle 32 Container vermietet, wobei zwei davon per September wieder frei werden. Die Zwischennutzung ist im Wandel, permanent entsteht Neues – das wird wohl über die ganzen drei Jahre so bleiben. «Diesen Prozess muss man aushalten. Und es braucht Geduld, bis die einzelnen Projekte auch öffentlich wahrgenommen werden», sagt Francesca Blachnik (26), Geschäftsführerin des NF49.

So gibt es an manchen Sonntagen einen Flohmarkt. «Beim ersten Mal gab es nur drei Stände. Da habe ich schon befürchtet, dass es nie wirklich anläuft», erzählt Blachnik. Mittlerweile sei der Flohmarkt ziemlich beliebt. Auch das Restaurant und Eventlokal Magazin ist noch in der Findungsphase. Laut Barchef Patrick Theiler (31) läuft der Mittagstisch langsam an:

«Vor allem Leute, die in der Nähe arbeiten, und jene, die auf dem Areal eingemietet sind, essen hier.»

Was nicht gefragt sei, ist das Feierabendbier. «Vorläufig wollen wir stärker auf Events setzen», sagt Theiler, sei es mit privaten Anlässen oder kleinen Konzerten. Auch den Sonntagsbrunch soll es weiterhin geben, aber nicht jede Woche.

Vor der Zwischennutzung angekündigt wurde ein Urban-Gardening-Projekt inklusive Fischzuchtanlage. «Diese liegt im Moment auf Eis», sagt Francesca Blachnik. «Zuerst braucht es Leute, die bereit sind, Verantwortung für den Garten zu übernehmen.» Zwar hat man Erde aufgeschüttet und ein paar Beete bepflanzt, der Garten sieht derzeit aber ziemlich trocken aus. Die Hoffnung besteht weiter, dass er dereinst zur grünen Oase wird. Blachnik:

«Das Spannende an der Zwischennutzung ist auch, dass man nicht alles planen kann.»

Im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung standen in den letzten Monaten vor allem grosse Events wie das Buskers-Festival, das MNFest oder der Besuch des Zirkus Knopf. Ende September wird zudem die «Werft», das Probelokal der Band Fischermanns Orchestra, eröffnet. Vor dem Lokal soll eine Art Bühne entstehen – ein Spielort für die freie Luzerner Musikszene.

Was auf dem Areal alles passiert, zeigen vor allem die kleinen Projekte, die bisher für wenig Aufsehen sorgten. Zum Beispiel bietet die Yogalehrerin und Psychologiestudentin Sarah Beroud jeden Montag Yogalektionen an. Zu den Kursen kann man ohne Anmeldung erscheinen, statt hohe Preise gibt es eine Kollekte. «Ich wollte Unterrichtserfahrungen sammeln und Anfängern ermöglichen, in ungezwungenem Rahmen Yoga zu lernen», sagt die 27-Jährige. Der Seminarraum – in dem sonst Sitzungen, Konferenzen oder Vorträge mit maximal 60 Personen stattfinden – ist ein aussergewöhnliches Ambiente für Yoga.

Am vielfältigsten und lebhaftesten geht es in den Containern zu und her, die als Ateliers, Büros oder Ausstellungsräume genutzt werden. Hier findet man etwa die Redaktion des Kulturmagazins Frachtwerk, ein Tattoostudio oder das Atelier einer Kinderbuchillustratorin. Unter den Mietern ist auch Ivo Amarilli (32), der mit einem Partner die Videocontent-Agentur Madcom betreibt. Das Duo macht unter anderem die Festival-Berichterstattung für SRF. Amarilli, der in Luzern lebt, sagt:

«Wir haben in Zürich noch ein kleines Büro, aber hier ist unser Hauptquartier. Nachdem ich jahrelang nach Zürich gependelt bin, schätze ich es sehr, jetzt mit dem Velo zur Arbeit zu fahren.»

Den Container, den sie seit Anfang Jahr mieten, haben sie mit Holztafeln ausgekleidet, petrolgrün angestrichen und wohnlich eingerichtet. Toll sei, dass auf dem NF49 kreative Leute zusammenkommen, findet Ivo Amarilli.

Produktive Synergien gab es auf dem NF49 bereits zwischen der Werneyer Ott Architektur GmbH und dem Probelokal Werft: Die Architektinnen Lea Ott (34) und Sandra Werneyer (31), die ebenfalls seit Januar ihr Büro auf dem Areal haben, arbeiteten an der Setzung der Container und dem Ideenaustausch für die Aussenbühne mit.

Alles blinkt, leuchtet, dreht und wendet sich

Zwei interessante Mieter finden sich auch im Untergeschoss der östlichen Containerbaracken. Da ist zum einen Walter Keiser (66), Entwickler des Kugelspiels Nosyphos. Er hat einen Container als Showroom gemietet, an öffentlichen Anlässen auf dem NF49 stellt er es das Spiel auf dem Platz auf – jeder kann mitspielen. Das Kugelspiel aus Holz ist ein Unikat. «Es ist ein Spiel zur Teambildung. Ich vermiete es vor allem für Firmenevents oder private Feste», so Keiser.

Vis-à-vis hat sich das Künstlerduo Martin Solèr und Roswitha Lüthi eingemietet. Sie stellen Skulpturen aus Recycling-Material her. Ihr «Tiny-Art-Container» – der zugleich Atelier und Ausstellungsraum ist, in dem sie auch Kunstvermittlung für Schüler und Gruppen anbieten – beherbergt eine elektrifizierte Wunderwelt: Alles blinkt, leuchtet, dreht und wendet sich. Wenn der Besucher auf einen der vielen Knöpfe drückt, setzt sich noch mehr in Bewegung. Die Künstler haben sich laut Roswitha Lüthi (59) selbst zwei Vorgaben auferlegt: «Das Material darf nicht gekauft sein und die Skulptur muss sich bewegen.»