Der Regierungsrat verabschiedet sich von der Spange Nord. Er schlägt stattdessen eine Minimalvariante vor – mit Brücke über die Reuss, aber ohne Zubringer ins Maihof-Quartier. Kosten soll das deutlich weniger.
Was bereits seit einigen Wochen in der Luft lag, ist nun Realität: Die Spange Nord ist keine Spange mehr. Der Luzerner Regierungsrat hat sich vom umstrittenen Nordzubringer verabschiedet. «Die Spange Nord in ihrer ursprünglichen Form ist nicht mehr die empfohlene Variante», hielt Regierungsrat Fabian Peter (FDP) am Mittwoch gleich zu Beginn der Medienkonferenz fest. Im Prüfungsverfahren durch externe Experten habe sich ein anderes Projekt als das beste heraus kristallisiert.
Der Regierungsrat folgt der Empfehlung der Experten und spricht sich für die Variante «Reussportbrücke» (früher: «Fluhmühlebrücke») aus. Diese sieht vor, den Autobahnanschluss Luzern-Lochhof in Betrieb zu nehmen, jedoch für den Verkehr nur in Richtung Westen zu öffnen. Die Erschliessung soll durch eine Brücke über die Reuss zur Kantonsstrasse erfolgen. Der Zubringer in das Maihof-Quartier hingegen entfällt. Vom Schlossberg her wird der Autobahnanschluss nicht erreichbar sein. Die Brücke bietet auch Platz für Velo- und Fussverkehr:
So sieht die Brücke in der Visualisierung aus (rechts Reussbühl/Littau, links Richtung Spital/Schlossberg):
Die heutige Situation beim Autobahnanschluss Lochhof:
Kosten soll die Brücke schätzungsweise 40 Millionen Franken. Dazu kommen 45 Millionen Franken für Massnahmen im Gebiet Schlossberg, die vor allem dem ÖV und dem Langsamverkehr zugute kommen sollen. Diese Massnahmen waren bisher im Gesamtpaket «Spange Nord» enthalten. Nun trennt der Kanton diese vom Zubringer. Unterm Strich lässt sich also sagen, dass die Massnahmen nicht einmal halb so teuer sind. Denn die Spange Nord mitsamt Massnahmen Schlossberg hätte ein Preisschild von 200 Millionen Franken gehabt.
«Das bisherige Projekt Spange Nord schneidet volkswirtschaftlich schlecht ab», sagte Michel Simon, der für die Expertenprüfung zuständig ist, an der gestrigen Medienkonferenz. «Man würde mehr Geld investieren, als man gewinnt.» Denn: Die Spange hätte zahlreiche Umwege und längere Reisezeiten zur Folge gehabt. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Variante Reussportbrücke dagegen sei mit Abstand das beste, während die ursprüngliche Spange Nord auf Platz zwei lande. Die Brücke entlaste vor allem die Nord-Süd-Achse der Stadt Luzern, so Simon.
Die Experten decken also Schwachpunkte der Spange Nord auf. Da stellt sich die Frage: Weshalb bestimmte dieses Projekt die Haltung des Kantons so lange? «Bei früheren Abklärungen hat man Bypass und Spange Nord als Einheit beurteilt», erläuterte Simon. Bei der nun vorliegenden Prüfung sei nur der Zubringer thematisiert worden.
Ausserdem habe man ihn anhand der drei Kriterien Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft bewertet. Zweimal landete das Projekt Reussportbrücke dabei auf dem ersten Platz – im Bereich Umwelt muss sich die Variante allerdings mit dem vierten von sechs Plätzen begnügen. «Dass eine Brücke das Flussufer und den Gewässerraum zusätzlich beansprucht, lässt sich nicht wegdiskutieren», sagte Fabian Peter. Aber in bestimmten Bereichen müsse man wohl oder übel Nachteile in Kauf nehmen.
«Mit unserem Vorschlag wollen wir zeigen, dass wir ergebnisoffen in das Verfahren gegangen sind», sagte Fabian Peter. «Und nun wollen wir der Bevölkerung die Möglichkeit geben, in einen Dialog mit uns zu treten.» Der Regierungsrat gibt den 118-seitigen Bericht nämlich in die Vernehmlassung. Alle Interessierten erhalten somit die Möglichkeit, sich zum Resultat der Überprüfung bis Ende März 2020 zu äussern. Erst im Anschluss entscheide der Regierungsrat über das weitere Vorgehen. Danach werde er dem Kantonsrat einen entsprechenden Planungsbericht vorlegen. Bis dann fänden keine weiteren Planungsschritte statt.
Die Visualisierung (siehe oben) sei lediglich eine Möglichkeit, wie die Brücke aussehen könnte, sagte Fabian Peter. «Die Stadtbild Luzern lebt bekanntermassen von seinen Brücken», so der FDP-Regierungsrat. Bei einer Weiterbearbeitung müsse man also genau auf die Gestaltung und die städtebauliche Entwicklung schauen. «Mir ist bewusst, dass man mit solchen Projekten niemals alle glücklich machen kann», gab Peter zu bedenken.
«Das Thema hat viele Emotionen und Ängste geweckt. Diese Ängste gilt es zu respektieren.»
Trotzdem sei es Aufgabe der Regierung, eine mehrheitsfähige Lösung zu suchen, zu präsentieren und wenn nötig auch durchzusetzen. Denn: «Der motorisierte Individualverkehr braucht einen Zugang in die Stadt.» Gar nichts zu tun sei erst recht keine Lösung.
Peter schloss die Medienkonferenz mit einem Wunsch. «Wir appellieren an alle, das Ergebnis in Ruhe zu reflektieren und keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Wir sehen das Projekt als Chance, die verhärteten Positionen aufzubrechen. Und wir begrüssen den Dialog mit allen Beteiligten.»
Von Ruhe unter den Parteien und Interessengruppen konnte am Mittwoch aber keine Rede sein. Die SP lehnt in einer Mitteilung auch das neue Projekt ab. Sie nennt es «untauglich» und «nicht stadtverträglich». Die Grünen schreiben, die Brücke verschandle das Gebiet. Die GLP begrüsst das Vorgehen, hält die flankierenden Massnahmen aber für unzureichend. Die CVP spricht von einem «interessanten Ansatz», der die politische Diskussion entschärfe. Laut FDP verdient die Variante eine seriöse Prüfung. Sie kritisiert die «vorschnellen Reaktionen» der linken Parteien. Noch nicht geäussert hat sich die SVP.
Stadtrat Adrian Borgula (Grüne) nennt das Resultat eine «Überraschung». «Der Regierungsrat lässt ein Projekt fallen, an dem er jahrelang festgehalten hat», so Borgula. Das neue Projekt zeige, dass die Regierung offen an die Fragestellung herangegangen sei: «Sie hat die Vorbehalte der Stadtluzerner Bevölkerung, des Kantonrats und des Stadtrats ernst genommen.» Borgula begrüsst zudem, dass die Regierung genug Zeit für fachliche Beurteilungen und politische Diskussionen anberaume. «Es tut der Debatte gut, dass man sich nicht von heute auf morgen positionieren muss», hält der Umwelt- und Mobilitätsdirektor fest.
Der Stadtrat werde das Projekt nun genau prüfen. Borgula erinnert allerdings daran, dass der Stadtrat die Brücke schon früher abgelehnt habe. «Für den Autobahnzubringer sind nach wie vor massive Eingriffe nötig, die negative Auswirkungen auf die Bevölkerung und das Stadt- und Landschaftsbild mit sich ziehen.»