Die Regierung beschloss, die Fachklasse Grafik ohne Absprache mit dem Branchenverband zu schliessen. Dieser ist wütend: Es drohe ein «Eigentor».
Mit Illustrationen hat sich die Fachklasse Grafik weit über Luzern hinaus einen Namen gemacht – und nun wirkt die Schule selbst wie ein Plakat der umstrittenen Sparmassnahmen der Luzerner Regierung. Um 1,5 Millionen Franken soll die Staatskasse entlastet werden, wenn die Schule vollständig geschlossen ist. Allerdings ist bereits absehbar, dass sich der Kantonsrat in der Budgetdebatte vom 30. November, 1. und 7. Dezember gegen den Regierungsrat stellen wird. Erstens wird der Förderverein der Fachklasse heute die Petition zum Erhalt der Schule mit Tausenden Unterschriften den Behörden übergeben – und demonstriert damit das hohe öffentliche Interesse.
Zweitens sprach sich die Kommission Erziehung, Bildung und Kultur des Parlaments bereits deutlich gegen die Sparpläne in der Bildung aus; so auch «mit grosser Mehrheit» gegen die Schliessung der Fachklasse Grafik (Ausgabe vom letzten Freitag). Drittens hat nicht nur die SP-Fraktion eine kritische Anfrage zur Schulschliessung eingereicht, sondern mit der SVP auch eine bürgerliche Fraktion.
Die nun vorliegenden Antworten der Regierung dürften die Schule – diplomatisch ausgedrückt – eher stärken als schwächen.
Auf die Frage von SVP-Fraktionschef Guido Müller (Ebikon), welche Finanzierungsmöglichkeiten mit dem Schweizer Grafik-Verband (SGV) oder mit den ausbildenden Firmen erörtert wurden, antwortet die Regierung: «Die Schliessung der Fachklasse wurde aufgrund der finanziellen Dringlichkeit erst kurzfristig entschieden. Aus diesem Grund konnten bis dato keine weitergehenden Abklärungen und Absprachen getroffen werden.»
Das stösst dem SGV mit rund 140 Mitgliedern sauer auf. Präsident Jürg Aemmer: «Dass ein Entscheid ohne Rücksprache mit dem betreffenden Gewerbe gefällt wird, können wir nicht nachvollziehen.» Überhaupt sei sich die Politik wohl kaum bewusst, «dass sie ein Eigentor schiesst». Denn die Fachklasse sei nicht nur für das Gewerbe existenziell, sondern auch für den Wirtschaftsstandort. Würde der Branchenverband der Schule finanziell unter die Arme greifen? Aemmer: «Wir sind ein Mitgliederverband mit bescheidensten Mitteln. Aber über ein alternatives Finanzierungsmodell würden wir sicher nachdenken.»
Die Vorstoss-Antworten decken auch Schwächen der Branche auf. Während die Fachklasse Grafik als Vollzeitschule ihre Schülerzahl von 70 im Jahr 2011 auf derzeit 104 gesteigert hat, blieb das Engagement der Branche bescheiden: Zwischen 8 und 10 Lehrlinge wurden im Kanton im gleichen Zeitraum pro Jahr ausgebildet. Hauptgrund: Gemäss Lustat gab es im Kanton 2013 zwar 308 Betriebe, die im Bereich Grafikdesign und visuelle Kommunikation tätig sind – aber nur 471 Vollzeitpensen.
Im Vorstoss von SP-Kantonsrat Marcel Budmiger (Luzern) erklärt die Regierung dazu: «Die Branche bietet bereits heute Ausbildungsplätze im Bereich der dualen Berufsbildung an. Ergänzend dazu soll aber die Grafikbranche zukünftig mehr Lehrstellen anbieten.» Jürg Aemmer weiss um das Problem: «Wir setzen bei der Motivation der Betriebe an und arbeiten auch mit verwandten Branchen wie der Werbeindustrie zusammen, um genügend Lehr- und Praktikumsplätze anzubieten. Auch führten wir die höhere Fachprüfung ein, um passende Abschlüsse zu ermöglichen. Doch das eine ersetzt nicht das andere.»
Die Schliessung der Schule würde vor allem den Grafikernachwuchs aus dem eigenen Kanton treffen. Denn 33 der 104 Schüler stammen aus Luzern. Es folgen Aargau mit 22 und Bern mit 15 Schülern sowie Zug und Schwyz mit 6 respektive 5 Schülern. Die Regierung weist darauf hin, dass die Vollzeitausbildung an der Fachklasse Grafik für den Kanton mit 116 000 Franken pro Student wesentlich teurer zu stehen kommt als eine gleichwertige Berufslehre mit 32 400 Franken.
Allerdings würde eine Ausbildung über das Gymnasium zum Bachelor Grafic Design ganze 200 000 Franken pro Student kosten. Fiele die Vollzeitschule weg, dürfte der Druck auf den teureren Bildungsweg zunehmen. Denn höchstens 6 Prozent der Fachklasse-Absolventen nehmen ein weiterführendes Studium an der Fachhochschule in Angriff. Eine weitere Folge der Schliessung: Die Luzerner Schüler müssten nach Biel, Basel oder St. Gallen reisen, wo es noch Grafik-Fachklassen gibt. Doch «auch hier sind die Plätze beschränkt und stark nachgefragt», wie die Regierung schreibt.
Alexander von Däniken