Dass der Kanton keine unnötigen stationären Behandlungen mehr mitfinanzieren wird, stösst bei den betroffenen Institutionen auf Verständnis – sie mahnen aber eine Umsetzung mit Augenmass an.
Balz Bruder
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Das hat für Aufsehen gesorgt: Der Kanton Luzern operiert ab Mitte Jahr mit einer 13er-Liste von Spitaleingriffen, für die er eine stationäre Behandlung nur noch akzeptiert, wenn sie aus medizinischen Gründen nicht ambulant durchgeführt werden kann. Das ist eine schweizerische Novität. Und eine, welche sowohl Spitäler und Ärzte als auch Patientenvertreter beschäftigt.
In Alarm verfallen die Betroffenen jedoch nicht: Margrit Kessler, Präsidentin der Schweizerischen Patientenorganisation (SPO), beklagt zwar die Fehlanreize bei der Spitalfinanzierung zwischen stationärer und ambulanter Behandlung, vermag dem Luzerner Vorgehen aber gleichwohl Positives abzugewinnen: «Es hat den Vorteil, dass die Infektionsgefahr für Patientinnen und Patienten abnimmt, wenn sie weniger lang in Spitalpflege sind.» Gleichzeitig weist sie aber auch darauf hin, dass es «einen finanziellen Nachteil für die Prämienzahler» gibt. Denn: «Je mehr Operationen ambulant durchgeführt werden, desto mehr steigen die Krankenkassenprämien.» Für Kessler steht fest: «Die Kantone können sich so immer mehr aus der Verantwortung ziehen – sie haben so auch die Steuern senken können», moniert die ehemalige St. Galler GLP-Nationalrätin.
Zwar noch nicht im Detail, aber im Grundsatz mit der Sache befasst hat sich die Ärztegesellschaft des Kantons Luzern. Präsident Aldo Kramis bestätigt, die Ärzte seien mit dem Konzept ambulant vor stationär «sehr einverstanden». Eine Aussage, die er mit Blick auf die Patientennähe der praktizierenden Ärzteschaft insbesondere auf die Vermeidung von «teuren und zur Bürokratisierung neigenden Spitalstrukturen» bezieht. Nach Aussage von Kramis wird die Ärztegesellschaft die 13er-Liste von Gesundheitsdirektor Guido Graf Anfang Woche analysieren.
Differenziert fällt die Reaktion von Martin Nufer, dem medizinischen Direktor der Klinik St. Anna, aus. Für ihn steht beim Prinzip ambulant vor stationär die Sicherheit des Patienten an oberster Stelle. Deshalb sagt er: «Wenn ein ambulanter Eingriff genau gleich sicher und zielführend ist wie ein stationärer, beurteilen wir die Luzerner Massnahme als richtig.» Dass der Komfort für den Patienten steige, weil der Spitalaufenthalt am gleichen Tag anfängt und endet, wie Gesundheitsdirektor Graf behauptet, beurteilt Nufer allerdings anders. «Der Komfort wird tendenziell abnehmen, weil beispielsweise die dem Krankheitsverlauf angepasste Schmerzbehandlung oder die Unterstützung und Pflege zu Hause stattfinden müssen.» Immerhin habe der Kanton den Leistungserbringern zugesichert, «die Umsetzung pragmatisch anzugehen und den administrativen Aufwand so gering wie möglich zu halten». Was nichts daran ändere, dass die Operationalisierung der 13er-Liste dem zur Hirslanden-Gruppe gehörenden Spital personell, organisatorisch und infrastrukturell «einiges abverlangen wird».
Klar schliesslich ist die Haltung des Luzerner Kantonsspitals (Luks). CEO Benno Fuchs: «Wir begrüssen die Massnahmen und beurteilen die Liste auf den ersten Blick als sinnvoll, müssen diese aber noch im Detail analysieren.» Ausnahmen von der Regel müssten zudem möglich bleiben, findet Fuchs, «zum Beispiel für Patienten mit besonderen Einschränkungen oder Begleiterkrankungen». Ganz abgesehen davon sagt Fuchs: «Wirtschaftlichkeit ist die Folge der guten Qualität und nicht umgekehrt.» Das «gut ausgelastete» Luks habe die ambulanten Behandlungen «seit jeher gefördert», betont Fuchs. In einzelnen Bereichen gehöre das Spital «zu den ersten, die ambulante Behandlungen einführten».