Stadt Luzern
Gassenküche beklagt «sinnlose» Polizeipräsenz

In der jüngsten Ausgabe der «Gasseziitig» wird der Polizei vorgeworfen, sie patroulliere zu häufig vor der Gassenküche. Die Folge: Den suchtkranken Menschen werde der Zugang zum Konsumationsraum erschwert. Bei der Polizei sieht man die Dinge anders.

Sophie Küsterling
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Die Gassenküche am Geissensteinring ist eine Anlaufstelle für armutsbetroffene und drogensüchtige Menschen.

Die Gassenküche am Geissensteinring ist eine Anlaufstelle für armutsbetroffene und drogensüchtige Menschen.

Bild: PD

«Seit etwas über einem Jahr wird eine stärkere Polizeipräsenz vor der Gassenküche beobachtet. Dies ist in unseren Augen sinnlos, ja sogar kontraproduktiv»: Das schreibt das Team der Gassenküche in der neuesten Ausgabe der «GasseZiitig Lozärn», die zurzeit auf den Strassen verkauft wird. Kontraproduktiv sei die Polizeipräsenz deshalb, weil die Süchtigen einfach anderswo hingehen, um ihre Drogen zu konsumieren. Dies sei problematisch, denn die Kontakt- und Anlaufstelle am Geissensteinring sei ja genau dazu da, dass Drogensüchtige in geschütztem und sauberen Rahmen konsumieren können. Dies verhindere letztlich die Bildung einer offenen Drogenszene.

Vor allem Anfang Jahr gabs auffällig viel Polizei

Geschrieben haben den Artikel in der «GasseZiitig» zwei langjährige Mitarbeitende und eine Klientin der Gassenküche. «Neu ist das Phänomen der Polizeipräsenz nicht», sagt dazu Franziska Reist, Geschäftsleiterin des Vereins kirchliche Gassenarbeit, der die «Gassechuchi» betreibt. «Die Polizeipräsenz vor der ‹Gassechuchi› unterliegt aber grossen Schwankungen.» Das bestätigt auch Adrian Klaus, Betriebsleiter der «Gassechuchi K+A» – dem Raum, in dem mitgebrachte Drogen konsumiert werden können. Vor allem Anfang Jahr sei die Präsenz der Polizei sehr hoch gewesen. Klaus:

«Es gab Tage, da standen abwechselnd fünf bis sechs verschiedene Patrouillen vor dem Haus.»

Urs Wigger, Mediensprecher der Luzerner Polizei, hält dagegen: «Nein, die Polizei hat die Präsenz im Gebiet der Gassenküche nicht erhöht.» Aber: Die Polizei muss nun einmal strafbare Handlungen ahnden. Dazu gehört auch der Besitz von Drogen, der in der Schweiz auch für den Eigenkonsum illegal ist. «Werden bei Personenkontrollen Übertretungen oder Straftaten festgestellt, werden diese geahndet und die entsprechenden Massnahmen getroffen, wie es im Gesetz vorgesehen ist», so Urs Wigger.

Gassenküche toleriert, was eigentlich verboten ist

Die «Gassechuchi» erlaubt also den Konsum von mitgebrachten Drogen – deren Besitz aber verboten ist: Gelöst wird dieses Dilemma, indem Suchtkranke auf dem Weg zur Gassenküche nicht kontrolliert werden. Das ist Teil einer mündlichen Vereinbarung zwischen der Gassenarbeit und der Luzerner Polizei. Trotzdem zeigt dies das Spannungsfeld, in dem sich die Schweizer Drogenpolitik bewegt. Deren Grundpfeiler sind Prävention, Therapie, Schadensminderung und Repression. Schadensminderung betreibt beispielsweise die Gassenküche, indem sie Konsumationsräume anbietet. Diese Strategie wurde Ende der 1990er-Jahre eingeführt, um Drogenkonsum sicherer und sauberer zu machen, aber auch um der offenen Drogenszene entgegenzuwirken. Denn: konsumiert wird so oder so. Ein Mass an Repression ist zwar ebenfalls nötig – doch wenn sie in den Augen der Süchtigen zu hoch wird, meiden sie unter Umständen den offiziellen Konsumationsraum aus Angst vor der Polizei.

«Die Polizei muss den ‹Markt› regulieren»

«Natürlich muss die Polizei ihre Arbeit machen und mit ihrer Präsenz den ‹Markt› regulieren», sagt Franziska Reist. Sie stelle aber auch fest, dass die Art der Präsenz und der Umgang mit Klienten der Gassenküche, die Drogen auf sich tragen, durchaus im Ermessensspielraum der jeweiligen Polizisten liege. «Es gibt solche, die nehmen ihre Aufgabe sehr ernst und andere, die eher etwas entspannter sind», so Reist.

Mit der Luzerner Polizei sei man regelmässig in Kontakt. «Wir tauschen uns immer wieder aus, auch über eine zu hohe Präsenz seitens der Polizei», sagt Franziska Reist. Zu den Räumlichkeiten der Gassechuchi haben uniformierte Polizisten zwar keinen Zutritt. «Aber wir arbeiten mit den Fahndungsbehörden zusammen und übernehmen eine Vermittlerrolle, wenn ein Klient sich bei uns aufhält und zur Fahndung ausgeschrieben wird», erklärt Adrian Klaus.

Trotz unterschiedlichen Standpunkten: Die Zusammenarbeit funktioniere grösstenteils gut, bestätigen sowohl die Gassenküche als auch die Luzerner Polizei. Und: Beide wollen die Zusammenarbeit weiter vertiefen. So sollen auszubildende Polizisten in Zukunft beispielsweise wieder die Gassenküche besuchen und so für deren Arbeit sensibilisiert werden.