STADT: Steiniger Weg zur Salle – wie beim KKL

Die Salle Modulable hat einen schweren Stand. Wie die Vergangenheit zeigt, war aber auch die Planungsphase des heutigen Vorzeigebaus KKL geprägt von vielen Rückschlägen und Streitereien.

Hugo Bischof
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Der Pariser Architekt Jean Nouvel im Februar 1998 vor dem KKL-Rohbau. (Bild Keystone)

Der Pariser Architekt Jean Nouvel im Februar 1998 vor dem KKL-Rohbau. (Bild Keystone)

Wie ein Damoklesschwert hängen zwei Volksinitiativen über dem in Luzern geplanten neuen Musiktheatergebäude, der Salle Modulable. Der heutige Theaterplatz und der Inseli-Parkplatz würden als Standorte für die «Salle» wohl ausser Rang und Traktanden fallen, sollte das Volk die im Mai 2015 eingereichte Juso-Initiative «Lebendiges Inseli statt Blechlawine» und die vor wenigen Tagen von Privaten lancierte Initiative «Luzerner Theater: Ein Haus für alle» dereinst annehmen (Ausgabe vom 11. Februar).

Im Sommer 2007 hatte Michael ­Haefliger, Intendant des Lucerne Festival, als erster die Idee einer Salle-Modulable. Das Sommermärchen entwickelte sich aber rasch zu einem Drama voller Enttäuschungen, Pleiten und Pannen. Es begann 2010 mit dem Rückzug der 120-Millionen-Spende Christof Engelhorns nach dessen Tod durch seine Trust-Verwalter in Bermuda.

Prozesserfolg mit hohem Preis

Der juristische Streit danach ging letztlich zu Gunsten der Stiftung Salle Modulable aus. Der Preis dafür war aber hoch. Nach Abzug der Prozesskosten sowie der Planungs- und Projektierungskosten stehen für den Bau jetzt noch 80 Millionen Franken zur Verfügung.

Auch damit ist aber noch längst nicht sicher, ob die Salle Modulable je stehen wird. Die vom Trust geforderten Machbarkeits- und Standortstudien liegen seit kurzem zwar vor. Doch nun spitzt sich die Debatte weiter zu. Wo soll die «Salle» stehen? Was soll darin stattfinden? Wer soll sie betreiben? Wer wird darin das Sagen haben? Alles höchst komplexe Fragen.

So wars beim KKL

Das Ganze erinnert stark an die Geschichte des Kultur- und Kongresszentrums Luzern KKL, des heutigen kulturellen Leuchtturms und Vorzeigebaus der Stadt Luzern, ja der ganzen Zentralschweiz. Auch bis zu dessen Eröffnung war es ein langer, oft steiniger Weg – gesäumt von Rückschlägen, abrupten Richtungswechseln und herben Niederlagen. Schon in den 1970er- und 1980er-Jahren bemängelten Musik- und Tourismusfachleute, das 1933/34 von Armin Meili erbaute Kunst- und Kongresshaus am See (am Ort des heutigen Uni-Hauptgebäudes, neben dem Inseli) sei veraltet. Auch die Internationalen Musikfestwochen, Vorgängerin des Lucerne Festival, wünschten sich einen akustisch besseren Saal. Dazu kam der Wunsch der Alternativkultur nach mehr Raum.

Schon damals «Inseli-Initiative»

1989 schrieb die Stadt Luzern einen Architekturwettbewerb aus, der durch eine Spende der Kunstmäzenin Alice Bucher finanziert wurde. Doch bereits vor der Ausschreibung des Wettbewerbs begann das politische Ringen. Das von der damaligen Unabhängigen Frauenliste und dem Grünen Bündnis eingereichte Referendum gegen die Lancierung des Wettbewerbs lehnte das Stadtluzerner Stimmvolk im März 1989 zwar klar ab. 1990 aber folgte die «Inseli-Initiative». Sie verlangte eine Vergrösserung der Inseli-Grünfläche, wodurch zusätzliche Bauten dort verunmöglicht worden wären. Die Debatten im Parlament waren heftig und kontrovers. Im Oktober 1991 schickte das Volk die Initiative aber deutlich bachab. Die Parallele zur heutigen Salle-Modulable-Debatte ist unübersehbar – siehe die zurzeit hängigen beiden Standortinitiativen. Wann diese vors Volk kommen, steht noch nicht fest.

Zurück zum KKL: Auch das 1990 vorliegende Ergebnis des Architekturwettbewerbs war alles andere als unumstritten. Die Jury erliess zwei Wertungen: In der einen, der rein ästhetischen, siegte der Pariser Architekt Jean Nouvel. Sein Projekt sah einen Konzertsaal vor, der in Form eines Schiffes am Europaplatz anlegte. Ein ästhetisch bestechender Vorschlag, von den Medien und grossen Teilen der Bevölkerung begeistert aufgenommen. Den alten Meili-Bau daneben wollte Nouvel renovieren, mit einer Glashülle umbauen und mit dem Neubau verbinden. In der zweiten, streng reglementarischen Wertung ging Nouvel aber leer aus, da sein Projekt Seegrund tangierte, was gegen die Wettbewerbsbedingungen verstiess. Hier erstrangiert wurde der Lausanner Architekt Rodolphe Luscher mit einem konventionelleren Konzertsaalprojekt als Zusatzbau neben dem Meili-Bau.

Stadtrat verärgert Nouvel

Hinter den Kulissen begann das grosse Feilschen. Nouvel und sein später im Alter von nur 45 Jahren verstorbener Luzerner Compagnon Emmanuel Cattani boten an, ihr Projekt zu überarbeiten. Luzerns Stadtrat, unter dem damaligen Stadtpräsidenten Franz Kurzmeyer, setzte aber zunächst auf die sichere Variante und beschoss, das Luscher-Projekt weiterzuverfolgen. Die Ereignisse überschlugen sich. Nouvel/Cattani reichten gegen Luzerns Stadtrat Zivilklage ein und forderten eine Entschädigung wegen Verletzung des Wettbewerbsvertrags. Im April 1991 wurde der Zürcher Unternehmensberater Thomas Held als Koordinator der Luzerner Kulturraumpolitik berufen. Rodolphe Luscher seinerseits war verärgert, da die Stadt seine Rolle als Architekt durch den Beizug eines Generalplaners «abwerte».

Helds Befreiungsschlag

Gesamtkoordinator Held holte schliesslich zum Befreiungsschlag aus und beendete den Wirrwarr an Varianten: Er empfahl, den Meili-Bau abzureissen und durch einen neuen Bau mit optimalem Raumprogramm und multifunktionalen Räumen zu ersetzen. Zudem holte er als Architekten Jean Nouvel zurück. Anfang 1993 präsentierte dieser ein neues Projekt: Das heutige KKL mit drei Hauptgebäuden, die von einem weit auskragenden Dach zusammengehalten wurden. Nouvels erstes Projekt mit dem Konzertsaalschiff war rebellischer, plakativer. Sein zweites löste dann auf überzeugende Weise den städtebaulichen Abschluss des Bahnhofs zum See hin. Im November 1993 bewilligten das Stadtparlament 94 Millionen und das Kantonsparlament 24 Millionen Franken für den Bau des KKL. Im Juni 1994 wurde das Bauvorhaben von der Stadtbevölkerung mit 14 471 Ja- gegen 7536 Nein-Stimmen klar gutgeheissen. Nach gütlicher Regelung von neun Einsprachen begannen Anfang 1995 die Bauarbeiten. Im August 1998 wurde der KKL-Konzertsaal eröffnet, im März 2000 das ganze KKL.

Doch auch die KKL-Bauphase selber war nicht vor Rückschlägen und Änderungen gefeit. Dabei kam es auch zu kuriosen Episoden. In Erinnerung geblieben ist etwa Architekt Nouvels «ästhetischer Schock» vom Oktober 1997, aufgrund dessen die im Konzertsaal­innern ursprünglich vorgesehenen und grösstenteils bereits gesetzten blauen und roten Farbverläufe durch die heutige «Salle blanche» ersetzt wurden.

90 Millionen von Firmen, Privaten

Auch die Kosten liefen teils aus dem Ruder. Diese betrugen schliesslich 226,5 Millionen Franken – 32,5 Millionen mehr als geplant. Möglich wurde der Bau nur dank einer für Schweizer Verhältnisse einmaligen privaten Geldsammlung, ini­tiiert durch prominente Wirtschaftsführer wie Bankier Karl Reichmuth und den kürzlich verstorbenen Industriellen Walter von Moos. Gut 90 Millionen Franken Spenden von Firmen und Privaten kamen so schliesslich zusammen – eine Summe, um die Luzern von grösseren Städten wie Zürich noch heute beneidet wird. Schliesslich bewilligte die Stadtbevölkerung 2003 noch einen Nachtragskredit von 18 Millionen Franken «zur strukturellen Entlastung und betrieblichen Stabilisierung des KKL».

Bei der Salle Modulable könnte sich eine ähnliche Herausforderung stellen. Ob für deren Bau die aus dem Bermuda-Trust verbliebenen 80 Millionen Franken der Engelhorn-Schenkung ausreichen, muss bezweifelt werden. Die öffentliche Hand will nur für die Betriebskosten der «Salle» aufkommen, nicht aber für deren Bau. Dass zusätzliche Privatmittel nötig sein werden, liegt also auf der Hand. Woher diese kommen werden, ist zurzeit noch offen.

Inseli ist Favorit

Standort rk. Wo soll die Salle Modulable stehen? Wie soll sie betrieben werden? Diese Fragen wurden durch zwei Studien der US-Firma Arup sowie von Ernst Basler + Partner untersucht. Beide Studien liegen seit Ende 2015 vor und werden zurzeit von Stadt und Kanton Luzern ausgewertet. Anfang April wollen die Behörden ihre Schlussfolgerungen der Öffentlichkeit präsentieren.

Recherchen unserer Zeitung zeigen, in welche Richtung es gehen wird: Offenbar legen die Studien nahe, dass das Inseli wohl der idealste Standort ist. Der Theaterplatz wird als räumlich zu knapp betrachtet – selbst dann, wenn das heutige Theatergebäude abgerissen wird. Der dritte Standort, der im Gespräch ist, ist der Alpenquai. Dort gibt es ausreichend Platz, dafür ist der Ort weniger zentrumsnah als die beiden anderen Standorte. Die Gehdistanz zum KKL ist eine der Hauptbedingungen der Geldgeber für die Salle Modulable.

Wie weiter mit dem Theater?

Luzernrk. Die Salle Modulable soll ab 2023 das heutige Luzerner Theater ersetzen. Klar ist, dass die neuen räumlichen Möglichkeiten den Betrieb und wohl auch die Programmation des Theaters nachhaltig verändern werden. Wie die Integration des Luzerner Theaters in die Salle Modulable gelingen soll, das ist Gegenstand des Projekts Neue Theater Infrastruktur (NTI), welches von Stadt und Kanton Luzern vorangetrieben wird. Über Inhaltliches in Sachen NTI gibt es bisher allerdings nur sehr spärliche Informationen.

KKL als Vorbild?

Auch was die Salle Modulable für das Personal des Luzerner Theaters genau bedeuten wird, ist unklar – in der Vergangenheit gab es insbesondere beim künstlerischen Personal gewisse Ängste. So ist beispielsweise nach wie vor nicht geklärt, ob die fest angestellten Künstler – etwa Sänger und Schauspieler – auch künftig den Kern eines fixen Ensembles bilden werden. Denkbar wäre etwa, dass das neue Theater ähnlich wie das KKL zu einer Plattform vor allem für externe Produktionen wird. Wie viele festangestellte Künstler und Eigenproduktionen es dann noch braucht und welche Rolle externe Anbieter von Produktionen spielen – das sind Fragen, die sich aufdrängen. Die jetzigen festangestellten Künstler braucht dies allerdings nicht mehr zu kümmern. Mit dem bevorstehenden Intendantenwechsel werden sie das Theater verlassen – der neue Intendant Benedikt von Peter wird ein eigenes Ensemble aufbauen. Bleiben wird einzig der 16-köpfige Theaterchor.

Die «Salle» ändert zunächst wenig

Kuno Kälin, Personalvertreter im Stiftungsrat des Luzerner Theaters, glaubt nicht, dass mit der Salle Modulable die ganzen Strukturen auf den Kopf gestellt werden. Zunächst werde wohl der Theaterbetrieb in ähnlicher Form weiterlaufen. «Längerfristig werden sich aber schon grundsätzliche Fragen stellen.»

Hugo Bischof