Kolumne
Städtischer Energieversorger rettet Raubvogel

Wie Elektrizität Wasser Luzern den Nistplatz eines Raubvogelpaares vor der sicheren Zerstörung bewahrte.

Thomas Sigrist*
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Ein Milan auf seinem Nest inmitten der Baumkrone einer alten Eiche beim Tribschenhorn.

Ein Milan auf seinem Nest inmitten der Baumkrone einer alten Eiche beim Tribschenhorn.

Bild: Thomas Sigrist

«Schön, dass es in den bedrückenden Corona-Zeiten auch noch erhebende Geschichten zu erzählen gibt. In unserer handelt es sich zwar auch um eine Corona (Krone), jedoch um eine Baumkrone, wo ein Milan-Pärchen nistet. Dies geschieht auf dem lauschigen Areal unserer Garden Villa am Richard Wagner Weg auf dem prächtigen Tribschenhorn.

Weil unsere dortige Event-Location Garden Villa wegen dem Corona-Lockdown geschlossen ist, haben wir, Deborah und Thomas Sigrist, nun halt sehr viel Zeit für Unterhaltsarbeiten und noch sehr viel mehr Zeit für ausgiebige Naturbeobachtungen, die in unserer herrlichen Umgebung extrem ergiebig sind. Der Garden Villa-Park ist als Landschaftsschutzzone dafür sowieso prädestiniert, und der ausserordentliche Frühling 2020 mit traumhaftem Wetter und apokalyptischen Zuständen setzt dem noch die Krone auf. Eine leicht zynische Bemerkung, aber wir müssen auch das Schöne in der Welt sehen und bewahren! Die Menschheit ruht verzweifelt in ihren Bauten, doch die Pflanzen blühen bunt in ihrem Garten, die Vögel brüten zuversichtlich in ihren Nestern.

Von unserer Terrasse aus können wir seit Wochen die Entstehung eines solchen Vogelnestes bestens beobachten. Es wird von zwei umtriebigen Schwarzmilanen hoch oben in der Krone einer Eiche errichtet. Zu diesem Zweck kreisen die Milane majestätisch in den Lüften und halten Ausschau nach Baumaterial, welches sie sammeln und unablässig zurück zur Astgabel fliegen, um ihr Nest rechtzeitig für die Brutzeit bereit zu haben. Faszinierend. Für uns ist dies eine sehr beglückende und freudvolle Szenerie, die wir mit Dankbarkeit, Respekt und Ruhe geniessen.

Besagter Raubvogel auf «seiner» Astgabel.

Besagter Raubvogel auf «seiner» Astgabel.

Bild: Thomas Sigrist

Mit dieser erhabenen Ruhe war es eines schönen Tages plötzlich vorbei, als aus unserem Wald lauter Lärm von Kettensägen ertönte. Selber war ich im Garten mit einem künftigen Brautpaar mitten in deren Hochzeits-Besprechung, als meine Frau um die Ecke gerannt kam und verzweifelt ausrief: «Thomi, komm schnell, sofort, sie fällen den Baum, in dem die Milane ihr Nest bauen. Du musst das stoppen!»

Unsere Kunden waren glücklicherweise sehr verständnisvoll, so dass ich das Meeting unterbrechen und mich der Sache annehmen konnte. Tatsächlich hatte doch ein Forstarbeiter seine Säge bereits angesetzt. Wir erzählten ihm von den Vögeln, er hatte gar gewisses Verständnis dafür, bemerkte aber lakonisch, dass er den Auftrag zum Fällen diverser Bäume erhalten habe. Weiter kam er mit seinen Ausführungen nicht, denn meine Frau beschloss, die Milane unbedingt zu retten und drohte eindrücklich und ernsthaft, sich von mir an den Baum ketten zu lassen und Fotos davon an die Lokalzeitung zu senden!

Nun nahm die Geschichte dynamisch weiter Fahrt auf. Der sehr nette Forstarbeiter bot an, den Baum allenfalls erst am nächsten Tag zu fällen, so dass wir dank dem Zeitgewinn vielleicht rettende Massnahmen treffen konnten. Diese fasse ich kurz zusammen: Telefon an den Verantwortlichen vom Forstamt. Dort der Verweis an den Bauprojektleiter der EWL. Von diesem die Erklärung der Bauvorgänge zwecks Ausbau der unterirdischen Bunkeranlagen, inklusive Entschuldigung wegen dem Versäumnis, uns als Anwohner wenigstens zu informieren, plus sofortige Zusage hinsichtlich Optionen zur Rettung des Baumes und der Milane. Parallel dazu zwecks Abklärung des Schutzstatus' der Milane Anruf an die Vogelwarte Sempach, mit sehr speditiver Weiterverbindung zu einem Spezialisten im Homeoffice. Gefolgt von dessen beruhigender Aussage, dass unter diesen Umständen der Baum nicht gefällt werden darf. Weitere Vermittlung an den Verantwortlichen vom Jagddepartement. Dieser sehr engagierte nette Herr versichert mir, sich der Sache umgehend persönlich anzunehmen.

Als ich nach diesen vielen Telefonaten wieder zum Ort des Geschehens zurückkehrte, stand der Baum noch. Meine Frau war nicht in Ketten gelegt, sondern zu Tränen gerührt. Denn der nette Forstarbeiter hatte auf eigene Initiative sogar den Naturschutzverein Luzern informiert, und zwei engagierte Vertreter kamen angeradelt, ausgerüstet mit Feldstechern und grossem Fachwissen. Später trafen noch der nette Herr vom Jagd-Departement und dann sogar der souveräne EWL-Projektleiter vor Ort ein. Wow, das hat uns tief beeindruckt, ganz herzlichen Dank Euch Allen für diesen tollen Einsatz.

Mit gebührendem Social Distancing und mit trotzdem warmen Herzen konnten wir nun auf die Rettung des Baumes und der Milane anstossen. In diesem Baum nisten übrigens auch weitere Vögel. Und auch eine herzige Familie von Eichhörnchen ist dort zu Hause. Es ist wunderbar, dass die Eiche nicht als toter Baumstamm endet, sondern stolz als Stammbaum für künftige Generationen mannigfaltiger Tierarten weiterleben darf.

Moral der Geschichte? Das Gute im Menschen kann obsiegen. Wenn dies in unserem kleinen persönlichen Mikrokosmos und pittoresken Vogel-Habitat möglich ist, dann hoffentlich auch im Grossen Ganzen Big Picture auf unserem gesamten einzigartig schönen Planeten. Don't Blow It! Good Planets Are Hard To Find!»

Nachtrag: Das Brautpaar und ich konnten die unterbrochene Hochzeitsbesprechung mit Erfolg zu Ende führen. Das Raubvogelpaar bedankte sich bei uns, indem wir ihren eindrücklich kurzen Begattungsakt beobachten durften. So werden hoffentlich in einigen Wochen die Jungvögel schlüpfen und bald flügge sein.