STÄNDERAT: Louis Schelbert: «Ich brauche keinen Plan B»

Louis Schelbert, Nationalrat der Grünen, will ins Stöckli. Er sagt, weshalb er sich nicht als Aussenseiter sieht und was er über Macht in der Kleinen Kammer denkt.

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Handball war früher Louis Schelberts (63) Lieblingssport. Unser Bild zeigt ihn in seinem Garten in Luzern. (Bild: Manuela Jans / Neue LZ)

Handball war früher Louis Schelberts (63) Lieblingssport. Unser Bild zeigt ihn in seinem Garten in Luzern. (Bild: Manuela Jans / Neue LZ)

Louis Schelbert, Sie spielten einst Handball – ein Sport, der Durchsetzungsvermögen und Teamgeist verlangt. Gelingt dies auch im Parlament?

Louis Schelbert: Wer diese Qualitäten nicht an den Tag legen kann, hat in der Politik einen schweren Stand. Jeder Beschluss beruht auf Teamarbeit, Mehrheiten lassen sich nie alleine gewinnen. Ein Beispiel: Am Mittwoch hiess der Nationalrat meine Motion zur Aufstockung der Kredite zur Förderung von Technologie und Innovation gut. Dies gelang nur dank Gesprächen über die eigene Fraktion hinaus.

Sie kämpfen für faire Löhne und das Recht auf Bildung, reichten Vorstösse gegen die Zersiedelung, den Einsatz von Pestiziden oder für Steuergerechtigkeit ein. In drei Sätzen: Warum liegen Ihnen diese Themen am Herzen?

Schelbert: Weil ich weiss, wo meine Wurzeln sind. Mein Vater war ein Eisenbähnler, meine Mutter Hausfrau. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, die mir ein Studium ermöglichte. Für mich stand immer fest: Eines Tages will ich der Gesellschaft etwas zurückgeben.

Das waren nun fünf Sätze ... Item. Inwiefern konnte Luzern bereits von Ihrem Mandat in Bern profitieren?

Schelbert: Etwa punkto Finanzausgleich. Konsequent wehrte ich mich für ressourcenschwache Kantone wie Luzern. Auch setze ich mich in Bern weiterhin für den Durchgangsbahnhof ein.

Sie sitzen in der gewichtigen Kommission für Wirtschaft und Abgaben, behandeln Fragen zu Währungspolitik, Steuern, Arbeitsmarkt und Volkswirtschaft generell. Nicht gerade die zentralen Themen Ihrer Partei.

Schelbert: Da könnte man sich täuschen. Beispielsweise reichte unsere Partei im Februar 2014 die Volksinitiative «Grüne Wirtschaft» ein, die für die Schweiz eine ressourceneffiziente Wirtschaft fordert. Auch die überwiesene Motion spricht für unsere Kompetenz.

Als Kerngeschäft der Grünen galt doch gemeinhin lange der Ausstieg aus der Atomenergie.

Schelbert: Dass man die Grünen mit einer Anti-AKW-Partei gleichsetzte, war mir immer unangenehm. Unser Fächer ist viel breiter. Ich vergleiche die Grünen gerne mit einem Regenbogen: Ich beschäftige mich mit der Entwicklungspolitik, der Nächste kämpft für soziale Gerechtigkeit, der Dritte widmet sich Energiefragen. Auch der Atomausstieg betrifft übrigens längst nicht nur die Energiepolitik. Dieser ist mit dem Aufbau von Fotovoltaik-Anlagen oder Windrädern verbunden – was dem Gewerbe Arbeit bringt und Stellen schafft.

Sie sind seit 2006 im Nationalrat. Warum liebäugeln Sie nun mit dem Ständeratssitz?

Schelbert: Mit dem Rücktritt von Georges Theiler ergab sich eine Vakanz. Diese Chance will ich nutzen.

Worin liegt für Sie der Reiz im Stöckli?

Schelbert: Die Gesprächskultur ist dort viel ruhiger, man hört sich zu. Ein Arbeitsstil, der mir behagt. Zudem kann ein Ständerat viele Fragen verstärkt unter dem Aspekt des kantonalen Interesses prüfen.

Sprich, Sie hätten mehr Macht.

Schelbert: Die Stimmkraft wäre grösser, ja. Macht haben Parlamentarier nur in ihrer Gesamtheit.

Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Schelbert: Aufgrund der Vakanz ist die Ausgangslage offen. Es treten viele Kandidaten an, und ich bin mir bewusst, dass ich nicht als Favorit gehandelt werde.

Dies ist eher bei Damian Müller (FDP) der Fall. Gut möglich aber, dass es zu einem zweiten Wahlgang kommt. Würden Sie dann Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (SP) den Vortritt lassen?

Schelbert: «Ladies first» wird es nicht auf jeden Fall heissen. Ich werde in Absprache mit der Partei aufgrund der Konstellation entscheiden.

Mit Verlaub – sichern Sie sich mit Ihrer Ständeratskandidatur nicht in erster Linie den Nationalratssitz?

Schelbert: Man stellt sich nur zur Verfügung, wenn es einen wirklich interessiert. Aber klar, die Ständeratskandidatur sorgt für zusätzliche Zugkraft auf der Nationalratsliste. Dieser Nebeneffekt ist da.

Die politische Grosswetterlage verspricht den Grünen nicht gerade Aufwind: Frankenstärke und Eurokrise sind Themen, die die bürgerlichen Parteien bewirtschaften. Auch die kantonalen Wahlen verheissen Ihrer Partei als Gradmesser nichts Gutes.

Schelbert: Die Wahlen im Herbst sind andere als jene im Frühling. Die tiefe Stimmbeteiligung hat den Grünen damals stärker geschadet als anderen Parteien. Diese wird am 18. Oktober höher ausfallen. Gute Wahlchancen besitzen wir dank der Listenverbindung mit SP und GLP. Am wichtigsten ist es nun, authentisch zu bleiben.

Heisst?

Schelbert: Wir müssen keine neuen Themenfelder suchen, sondern besser zeigen, was wir drauf haben. Insbesondere in wirtschaftspolitischer Hinsicht. Dies gelang bei den kantonalen Wahlen zu wenig.

Sie bestreiten x Podien, machen Standaktionen, nutzen aber weder Facebook noch Twitter. Gelingt es Ihnen, über die Partei hinaus zu mobilisieren?

Schelbert: Social-Media-Kanäle lasse ich ausser Acht, weil ich diesen privaten Firmen keine Daten zur Verfügung stellen möchte. Hinzu kommt: Wer sein Profil seriös betreuen will, muss dafür viel Zeit aufwenden. Mit beschränkten Ressourcen ist es mir viel wichtiger, den persönlichen Kontakt zu pflegen, da bleibt mehr hängen.

Aufholbedarf hätte die Linke gerade auf dem Land – hier bleibt Ihre Agenda aber fast leer.

Schelbert: Ich hatte Wahlaktionen in Sursee, Hochdorf und Willisau sowie ein Podium in Schüpfheim. Den Zulauf aus umliegenden Gemeinden darf man nicht unterschätzen.

Wie gross ist Ihr Wahlkampfbudget?

Schelbert: Die Grünen Luzern setzen an die 100'000 Franken ein. Persönlich investiere ich rund 1000 Franken.

Der Freisinnige Damian Müller lässt rund 80'000 Franken springen.

Schelbert: Die muss man haben.

Sie werden Ende Oktober 63. Man munkelte schon, Sie würden vielleicht während der Legislatur zurücktreten.

Schelbert: Davon kann keine Rede sein.

Nervt Sie diese Diskussion?

Schelbert: Überhaupt nicht. Über das Alter kann man sprechen. Aber bei meiner Kandidatur stellt sich die Frage nicht.

Legt man sich in Ihren Alter bei Wahlen eigentlich einen Plan B zu?

Schelbert: Ich gehe davon aus, dass wir den Nationalratssitz halten können und ich wiedergewählt werde. Daher brauche ich keinen Plan B, der mithelfen würde, Zweifel zu säen.Ständerat: Heute startet unsere Serie zur Ständeratswahl.

Alle Interviews finden Sie unter www.luzernerzeitung.ch/wahlenluzern

Interview Evelyne Fischer