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Martina Helfenstein ist verantwortlich für die kirchliche Sozialarbeit. Menschen, die zwischen die Maschen des Sozialnetzes fallen oder Bettler, die eine Unterkunft suchen – ihre Klientel ist vielfältig.
«Mich interessieren Menschen und ihre Geschichten. Wenn ich ihnen aufzeigen kann, dass ihre Situation nicht so hoffnungslos ist, wie sie denken, ist dies eine Bestätigung für meine Arbeit.» So erläutert Martina Helfenstein, weshalb sie an der Hochschule Luzern Soziale Arbeit studiert hat. Und weshalb sie seit November 2015 für die kirchliche Sozialarbeit in Sursee zuständig ist. Hierbei handelt es sich um ein gemeinsames Angebot der katholischen und reformierten Kirche. Die neu geschaffene Stelle hat Helfenstein im Aufbau selber mitgestaltet. Angesprochen sind alle, die in irgendeiner Weise Hilfe benötigen und nicht mehr weiter wissen – «Alter, Nationalität und Religion spielen keine Rolle».
So vielfältig die Klientel also sein kann, so umfangreich sind auch Helfensteins Aufgaben. Ein Schwerpunkt ist die klassische Sozialberatung. «Ich helfe, wo ich kann. Und wenn nötig, verweise ich die Leute an die zuständige Stelle, wie etwa die Budget- und Schuldenberatung.» Zuständig ist die 32-jährige Emmerin auch für die Begleitung der Arbeitsgruppe Flüchtlinge mit 38 Freiwilligen, welche den Vertriebenen den Alltag und die Örtlichkeiten von Sursee erklären. «Mitunter kommen bei uns auch Menschen auf der Durchreise vorbei, wie etwa ein Bettler, der als Strassenmusikant unterwegs ist. Ihnen gebe ich Gutscheine ab oder stelle für ein paar Tage unsere Notunterkunft zur Verfügung.»
Wo drückt bei den Hilfesuchenden der Schuh? «Ein Hauptproblem hat sich noch nicht herauskristallisiert, das wird vielleicht in den nächsten Jahren geschehen», sagt Helfenstein. Grundsätzlich kämen meist verschiedene Probleme zusammen. «Eines davon dreht sich fast immer ums Geld.» Hierzu kann sie Gelder aus dem Sozialfonds der Surseer Kirchen beziehen. «Es ist aber nicht so, dass ich eine monatliche Rente zahlen kann, das ist die Sache der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe. Vielmehr springe ich dort ein, wo der Mensch zwischen Stuhl und Bank fällt.» Wenn er für die Arbeitslosenversicherung zu krank und für die IV zu gesund ist. «Oder wenn es darum geht, schnell und unkompliziert eine wichtige Rechnung zu bezahlen.»
Neben der finanziellen Hilfe sorgt Helfenstein für Klarheit, falls Normalbürger im Dschungel des sozialen Versicherungssystems die Übersicht verliert. «Wenn etwa der 80-jährige Rentner seine demente Frau pflegt und mit den Ergänzungsleistungen der Ausgleichskasse nicht zufrieden ist.» Wer es wünsche, könne wöchentlich zu ihr in die Beratung kommen, sagt Helfenstein, betont aber auch: «Grundsätzlich möchte ich die Leute befähigen, die Dinge selber anzupacken. Ich helfe dann, wenn sie nicht wissen, wo sie anfangen sollen.»
Seit ihrem Amtsantritt vor gut einem Jahr hat Helfenstein bereits das eine oder andere Projekt lanciert. Zwischen März und Oktober war es die Gartenarbeit im ehemaligen Kapuzinerkloster, die mit Hilfe des Sozial-Beratungszentrums lanciert wurde. Auf einer Fläche von 70 Quadratmetern pflegten Sozialhilfebezüger in acht verschiedenen Beeten Pflanzen und Gemüse, bauten alles selber an und ernteten es bei Zeiten wieder. «Ohne geregelte Arbeit geht die Tagesstruktur verloren. In unserem Garten erhalten sie eine Aufgabe, sie brauchen einen Plan und lassen etwas wachsen.» Selbstvertrauen und Eigeninitiative werden so gefördert. Aktuell ruht die Gartenarbeit jahreszeitenbedingt, dafür herrscht im Murihof um so regeres Treiben. In diesem Nebengebäude des katholischen Pfarramts wird an zwei Halbtagen pro Monat der Kleiderschrank geöffnet. Auf Anmeldung können dann bedürftige Personen während einer halben Stunde auslesen, was sie am dringendsten benötigen. Ikea-Säcke mit Schuhen, Kartonkisten mit Wintermützen oder Wäschezainen mit Kleidern – die Auswahl an Spenden der Bevölkerung ist gross.
Ziel des Bistum Basels ist es, in allen Pastoralräumen professionelle kirchliche Sozialarbeit anzubieten. «Die Diakonie ist wie der Gottesdienst ein Grundauftrag der Kirche. Gerade auf dem Land unterstützen aber vor allem Freiwillige die Menschen in Notlagen», weiss Helfenstein. Ob die kirchliche Sozialarbeit tatsächlich flächendeckend professionalisiert werden kann, sei ungewiss. «Das Bistum kann den Wunsch äussern, aber die Umsetzung nicht einfordern, weil die Kirchgemeinden es zu finanzieren haben. Diese entscheiden individuell über ihre Prioritäten», erklärt Martina Helfenstein. In Sursee hat es dank dem Schulterschluss der reformierten und katholischen Kirche geklappt.
Stephan Santschi
stephan.santschi@luzernerzeitung.ch