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Der Urner Bergkäser Hans Aschwanden aus Seelisberg hat schon einige Auszeichnungen aus dem In- und Ausland erhalten. Ein Swiss Cheese Award hingegen fehlt noch. Ändern soll dies eine gute Handvoll würziger Käse.
Es ist frisch. Nicht nur draussen, wo sich hinter dem Kirchturm von Seelisberg schwere Regenwolken in den Urner Berggipfeln festgekrallt haben. Sondern auch hier drin, im Käselager von Käsermeister Hans Aschwanden. Knapp 14 Grad bei einer Luftfeuchtigkeit von 94 Prozent – «so trocknet der Käse nicht aus», erklärt Aschwanden.
Auf weissen Crocs schreitet der 48-Jährige immer tiefer in den Bauch der Halle. Links und rechts stapelt sich der Käse meterhoch. Rund 35 Tonnen davonlagert hier, in fünf verschiedenen Sorten. Allesamt aus regionaler Milch und handwerklich hergestellt, nach alten Familienrezepten. Ein strenger Ammoniak-Geruch sticht in die Nase, von der Decke rieselt Radio-Pop.
Dann bleibt Aschwanden unvermittelt stehen, zieht ein Holzbrett aus der Käsewand und greift behutsam nach einem Mutschli vom «Wirzigä»: Knapp 600 Gramm Käse, gereift in drei Monaten, die in Aschwandens grossen Händen fast schon niedlich wirken. Das ist nicht nur des Käsermeisters meistverkaufte Spezialität, sondern auch sein heissester Anwärter auf einen Spitzenplatz an den diesjährigen Swiss Chees Awards in Luzern (siehe Kasten).
Ein Selbstläufer wird es freilich auch nicht an der 11. Austragung des Schweizer Käsewettbewerbs. Die Konkurrenz ist gross, gerade in der «dümmsten aller Kategorien», derjenigen der «übrigen Halbhartkäse». «Hier landet so ziemlich alles, was sonst nirgends unterkommt», sagt Aschwanden, der seine Käse schon etliche Male im In- und Ausland mit der Konkurrenz gemessen hat – und dabei auch schon einige Auszeichnungen eingeheimst hat. Zuletzt 2016 in Amerika, an den Cheese Championships in Wisconsin. Einen Swiss Cheese Award allerdings sucht man in seiner Trophäensammlung vergeblich – trotz mehrmaliger Teilnahme.
«Ein Kundenlob zählt letztlich mehr als jedes Juroren-Urteil.»
Immerhin lande der «Wirzigä» regelmässig in den Diplomrängen. Und so wichtig eine Standortbestimmung sein könne, zu ernst dürfe man solche Wettbewerbe nicht nehmen, relativiert Aschwanden. «Ein Kundenlob zählt letztlich mehr als jedes Juroren-Urteil.» Das mag sein. Und trotzdem wird man den Eindruck nicht los: die fehlende Käse-Auszeichnung wurmt den vierfachen Familienvater.
Der Verband der Zentralschweizer Käsermeister beschenkt sich zum 100-jährigen Bestehen gleich selbst: mit einem Buch. «Chäsereie – Zentralschweiz» bietet auf 280 Seiten Einblicke in über 50 Zentralschweizer Familienbetriebe; ein buntes Sammelsurium an Geschichten, zusammengetragen von den Berner Autoren Thomas Bornhauser und Dyami Häfliger. Das Buch kostet 39 Franken und kann auf www.weberverlag.ch bestellt werden.
Nicht etwa, weil er Präsident des Käser-Verbands Fromarte ist, der die Swiss Cheese Awards organisiert. Nein, viel mehr, weil er an die Qualität seiner Produkte glaubt. Weil er für das Käser-Handwerk lebt, sich diesem als Lehrling verschrieben hat und ihm seither ein ganzes Berufsleben lang treu geblieben ist. Weil er seit mehr als zwei Jahrzehnten den Familienbetrieb in der dritten Generation führt und unablässig an seinem kleinen aber feinen Käsesortiment feilt und optimiert.
In rund zwanzig Jahren hat sich so der einstige Zweimannbetrieb zu einem stattlichen Unternehmen gemausert, das jährlich 140 Tonnen Käse herstellt, 13 Angestellten (die sich acht Vollzeitstellen teilen) ein Auskommen beschert und den Bauern in der Region einen Milchpreis zahlt, der mit 85 Rappen pro Liter deutlich über jenem des grossen Zentralschweizer Milchverarbeitungsbetriebs im Flachland liegt.
Das zeigt: Hans Aschwanden hat vieles richtiggemacht. Dass ihm trotzdem ein Swiss Cheese Award bisher verwehrt geblieben ist, das spricht auch für die Branche als Ganzes, die sehr bewegte Jahre hinter sich hat.
Gab es 1999 schweizweit noch rund 1600 Käsereien, sind es heute noch etwas mehr als 500. Eingeleitet haben dieses beispiellose Käsereien-Sterben der Wegfall der staatlichen Käse-Abnahmegarantie (1999) sowie die komplette Marktöffnung gegenüber der EU (2007). Wer diese «Strukturbereinigung» überlebt hat, ist hingegen oft gestärkt daraus hervorgegangen.
Nicht zuletzt, weil es zu einem Umdenken in der Gesellschaft gekommen ist, glaubt Aschwanden. «Der bewusste Umgang mit Lebensmitteln hat zugenommen und mit ihm die Nachfrage nach ehrlichen und regional hergestellten Produkten.» Das hat auch den vermeintlich benachteiligten Bergbetrieben in die Hände gespielt.
Frische Rohmilch vom benachbarten Bergbauer, der seine Livias, Ladinas und Tinas auf saftigen Kräuter-Alpwiesen grasen lässt, veredelt mit viel handwerklichem Wissen und Geschick: Was Aschwanden verkauft, ist nicht nur Käse, sondern vielmehr auch eine Geschichte. Eine, die im industrialisierten Flachland allenfalls in Klischees von Werbespots weiterlebt.
Entsprechend optimistisch schaut Hans Aschwanden auch in die Zukunft – selbst wenn es mit dem Titelgewinn für sein «Würzigä»-Mutschli in der «dümmsten aller Kategorien» dieses Jahr erneut nichts werden sollte.
Am Wochenende steht Luzern ganz im Zeichen des Schweizer Käse: Von Freitag bis Sonntag finden hier die 11. Swiss Cheese Awards statt. Zahlreiche Veranstaltungen sollen 20 000 Besucher anlocken.
Der eigentliche Käse-Wettbewerb findet am Freitag in der Messe auf der Luzerner Allmend statt. Rund 150 Juroren verköstigen dort knapp 1000 Käseproben aus der ganzen Schweiz – so viele wie noch nie.
Der Beste unter den 28 Kategorien-Sieger wird am Tag darauf, am Samstag, im Lichthof des Regierungsgebäudes zum «Swiss Champion» erkoren. Beide Wettbewerbe sind gratis und öffentlich.
Parallel dazu gibt es am Schweizerhofquai von Freitag bis Sonntag einen Käsemarkt. Rund 65 Aussteller werden dort ihre Käsekreationen feilbieten – ebenfalls ein Rekord.
Letzter Höhepunkt ist das «währschafte Chäserzmorgen» am Sonntagmorgen, beim Kurplatz-Pavillon an der See-Promenade. Dort können sich Käseliebhaber am grossen Käsebuffet bedienen. Das Zmorge steht im Zeichen des 100-Jahre-Jubiläums des Verbands Zentralschweizer Käsermeister und kostet 15 Franken pro Person.