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Im Sommerhalbjahr sind vier der neun Museggtürme begehbar, der Rest bleibt Einheimischen wie Touristen verborgen. Richtig spannend wurde es am Samstag am «Tag der offenen Museggtürme», wo man unter anderem in den Zunftstuben verweilen durfte.
Acht der neun Museggtürme standen am Samstag Besucherinnen und Besuchern offen – eine Gelegenheit, die sich nur alle zwei Jahre jeweils am Tag des Europäischen Denkmals bietet. Im Sommerhalbjahr sind nur vier der Türme öffentlich zugänglich. Und dann werden sie vorwiegend von Touristen besucht. Der «Tag der offenen Museggtürme» bot mit verschiedenen Führungen und Informationsständen auch Einheimischen guten Grund, das Wahrzeichen Luzerns zu erkunden.
Inhaltsverzeichnis
Die Reise begann unten an der Reuss beim Nölliturm, in welchem seit beinahe hundert Jahren die Zunft zu Safran eingemietet ist. Beim Eintreten steigt einem der Duft von schwerem Holz und kaltem Stein in die Nase. Auf den vier Stockwerken erklärten Safran-Zünftler Genaueres zur Geschichte des Turms und der Zunft. Neben seinen Turmbrüdern wirkt der Nölliturm klein und dick. Dem war früher nicht so – denn noch um 15. Jahrhundert war der Nölliturm ebenfalls schmal und hoch. Seine heutige Gestalt hat aber guten Grund, wie einer der Zünftler weiss: Nach einem Bauernaufstand («Zwiebelkrieg» genannt) erkannte die Stadt Luzern, dass schmale hohe Türme im Fall der Fälle nicht wehrfest sind. So entstand der heutige Nölliturm: Ein eher niederer, breiterer Wachtturm und wichtiger strategischer Punkt. Heute beherbergt er nebst Bajonetten und Hellebarden die Zunft zu Safran mit all ihren Wappen, Fritschi-Requisiten und ihrem wertvollen Zunftschatz.
Die Baugeschichte des Männliturms ist praktisch unerforscht. Er gehört zu den Türmen, die im Sommerhalbjahr frei begehbar sind – zum Glück! Wer nämlich die 138 Stufen emporsteigt, gelangt auf eine Art Terrasse, von welcher aus man die wohl schönste Aussicht über die ganze Stadt geniessen kann. Das eine der beiden Erkertürmchen trägt einen Krieger in Ritterrüstung, ausgestattet mit Fähnchen und Schwert – das «Männli», welchem der Turm seinen Namen verdankt. Er trägt diesen Namen seit mindestens 1440.
Der dritte und älteste Turm im Bunde – ein ehemaliger Wachtturm – bleibt übers ganze Jahr geschlossen. So auch am Samstag. Der Luegisland ist eine wahrhaftige Zeitkapsel: Seit seinem Errichtungsjahr 1367 blieb er unverändert – ein Stück Mittelalter in Luzern. Den Turm für Besucherinnen und Besucher begehbar zu machen, würde das historische Dokument zerstören, wie der Kantonsarchäologe Jürg Manser unserer Zeitung vor vier Jahren erklärte. Damals durfte die Luzerner Zeitung – als absolute Ausnahme – einen Blick in den verlassenen Turm werfen.
In den unteren beiden Geschossen des Wachtturms wurde über die Artenvielfalt in der Museggmauer aufgeklärt. Die Ornithologische Gesellschaft Luzern und der Kantonale Fledermausschutz waren mit Informationstafeln vor Ort, was vor allem die kleinen Besucherinnen und Besucher gefreut hat: Sie lauschten gebannt den auf Band aufgenommenen Rufen der Fledermäuse. Man wolle auf die Artenvielfalt in der Museggmauer aufmerksam machen, erklärte ein Vertreter der Ornithologischen Gesellschaft unserer Zeitung:
«Die Museggmauer ist ein eigenes kleines Ökosystem.»
Und dieses gelte es zu bewahren. Es sei wichtig, die Leute über verschwindende Lebensräume ins Bild zu setzen und sie zu sensibilisieren. Nisthilfen oder mit heimischen Pflanzen ausgestattete Gärten hätten diesbezüglich durchaus eine positive Wirkung.
Bei der Führung durch den Wachtturm lernten die Besucherinnen und Besucher die düstere Vergangenheit des Turms kennen. Das einstige Schwarzpulverlager explodierte Anfang des 18. Jahrhunderts, als ein Blitz einschlug – und wurde bis zu den Grundmauern weggesprengt. Nach dem Wiederaufbau wurde der Turm bis 1895 als Wachtturm genutzt. Die Wachtstube war am Samstag begehbar. Dank Requisiten wie vergilbten Büchern und alten Armeestiefeln wirkte die Stube beinahe bewohnt. Eine Besucherin meinte: «Es sieht hier aus, als kämen die Wächter morgen wieder arbeiten!»
Der Zytturm hatte von Anfang an den Zweck, eine Stadtuhr zu tragen. So wurde das Ziffernblatt auf eine Weise in die Fassade integriert, dass man in der Stadt nicht nur den Stundenschlag hören, sondern von überall her auch die Zeit ablesen konnte. Im Zytturm wird vom Verein Turmuhren Luzern seit 2012 ein Museum betrieben. Der Verein stellt darin Uhrwerke aus – das älteste gehört zur alten Rathausuhr und datiert bis 1526 zurück. Es handelt sich dabei um das älteste Uhrwerk der Innerschweiz.
Ein Mitglied des Turmuhrenvereins hält fest, dass ihm die Erhaltung von Wissen und den Uhren als Kulturgütern wichtig sei:
«Die Mechanik der Uhren ist zeitlos.»
Ihn fasziniere dabei insbesondere, wie die alten Uhrwerke bis heute auf zwar einfache und doch exakte Weise ihre Arbeit tun.
Den öffentlich zugänglichen Schirmerturm kennen die meisten wohl vom hindurchspazieren. Nach dem Grossbrand von 1994 erhielt er einen neuen Innenausbau. Die Spuren seiner Baugeschichte sind aber auch heute noch an seinen Mauern abzulesen: Entstanden ist er 1420 als Schalenturm, der gegen die Stadt hin geöffnet war. Bereits im 15. Jahrhundert musste die offene Seite aus statischen Gründen geschlossen werden – in ihr befinden sich Scharten, wie sie Bogen- und Armbrustschützen im Mittelalter genutzt haben.
Der zweitälteste der Museggtürme wird von der Wey-Zunft als Zunftlokal genutzt. Beim Eintreten findet man links an der Wand grosse Versionen der Fasnachtsplaketten. Einen Stock weiter oben ist jede Ausgabe von jeder Plakette hinter Glas an die Wand gehängt. Es handle sich dabei um ein Geschenk einer der ältesten Zünftler, sagt Peter Bucher von der Wey-Zunft einer Besucherin, welche sich wunderte, wo diese Plaketten denn alle herkämen. Weiter wird die erste Zunftmeisterkette ausgestellt und auf dem runden Tisch in der Mitte liegt ein riesiges Fotoalbum. Das erste Foto – anno 1925 – zeigt eine Schwarz-Weiss-Aufnahme vom ersten güdismontaglichen Wey-Umzug überhaupt.
In der Zunftstube weiter oben tagt von Zeit zu Zeit der Zunftrat – dort werden die wichtigen Entscheide bezüglich der Fasnacht gefällt. Zudem nutzen die Wey-Zünftler den Turm als Treffpunkt, wie ein jüngerer Zünftler erklärt: «Hier treffen sich Alt und Jung – wir legen viel Wert auf familiäre Beziehungen.»
Die Maskenfreunde und der Tambourenverein teilen sich die Räumlichkeiten des Allenwindenturms auf. Die unteren beiden Stockwerke dienen den Tambouren als Sitzungs- und Übungslokal, wo nach dem Üben jeweils gemütlich beisammengesessen wird. Ihre Stücke proben sie auf sogenannten Böckli, und nicht auf den tatsächlichen Trommeln. Dies erstens aus Platzgründen und zweitens: Wer weiss, ob der Turm sonst noch stehen würde!
Ein Stockwerk weiter oben lachen einen lustige, komische und teils grausige Gesichter an – es ist das Reich der Vereinigung der Luzerner Maskenfreunde. Cornelia Crespi erklärt im kleinen Atelier den Weg eines Grends vom Holzklotz übers Tonmodell bis hin zur Bemalung der fertig geschnitzen Maske. Heute würden aber kaum mehr Holzmasken gefertigt, Grende aus Pappmaché seien leichter und weniger zeitintensiv. Ganz wichtig: Jede Maske muss individuell auf das Gesicht des Trägers angepasst werden.
Und damit kommen wir zum kleinsten und letzten der Türme: Im Dächliturm sind die Wände nicht mit Masken behangen, sondern mit Schreinerwerkzeug. Man betrachtet über zwei Stockwerke hinaus diverse Feilen, Bohrwinden, Messgeräte, Winkel, Zirkel, Spaten und Hobel. Im obersten Stock in der Turmstube steht ein langer Holztisch – hier treffen sich seit 1936 die Schweizer Schreiner. Seit 1970 wird auch der Rest des Turms an den Schweizerischen Schreinermeisterverband vermietet.