Bevor ein Gegenstand im Abfall landet, unternimmt Leonardo Donno alles, um ihn zu reparieren. Es gibt kaum ein Gerät, das er nicht zumindest versucht hat, herzustellen oder zu flicken – selbst vor der Zeitmaschine machte er nicht Halt.
Die Musiktruhe im Flur könnte noch von den Erstmietern der Wohnung an der Diebold-Schilling-Strasse sein. Das Möbel aus den 50er-Jahren, bestehend aus Röhrenradio und Plattenspieler, ist ein Blickfang. «Die Geräte habe ich repariert. Sie funktionieren einwandfrei», sagt Leonardo Donno, als er den interessierten Blick seiner Besucher bemerkt. Der 38-jährige Leo – er bittet darum, dass man ihn beim Vornamen nennt – öffnet eine Tür an dem Möbel. «Es sieht nicht nur toll aus, sondern besitzt einen warmen Klang. Als ob es eine Seele hätte. Von modernen elektronischen Anlagen wird ein solcher Klang nur schwer erreicht.»
Der gebürtige Italiener hat einen Hang für Apparate, Maschinen, Uhren und Spielzeuge. In seiner Luzerner Wohnung, die er auch als Werkstatt und technisches Labor nutzt, reihen sich Gegenstände aus verschiedenen Zeitepochen aneinander. Im Eingangsbereich stehen nebst dem Radio eine Kaffeemaschine in Originalverpackung und ein Flachbild-TV. Leo ist aber kein Sammler, der sich nur schwer von guten Stücken trennen kann. Er mag es einfach nicht, wenn Dinge weggeworfen werden, die repariert werden können. Er ist nämlich der Mann, der fast alles flicken kann – und dies auch tut.
Auf einer Werkbank im Wohnzimmer sind Navigationsgeräte, Lötkolben, Signalmessgeräte, Schraubenzieher und Zangen platziert. Es ist nicht klar ersichtlich, welche Apparate repariert werden müssen und welche Leo als Hilfsmittel für Reparaturen dienen. Deshalb erklärt er die Funktion der verschiedenen Geräte, die mit roten und schwarzen Kabeln versehen sind.
Reparierte Gegenstände schaltet er manchmal auf seiner Website auf. So erfährt man auf leoswerkstatt.ch, dass ihm eine Petra ihre Nachttischuhr, die seit den 90er-Jahren stillgestanden ist, anvertraute und dass Leo diese für 35 Franken wieder zum Ticken brachte. Oder dass er bei Martins Toaster, der sich nicht mehr einschalten liess, einen Schalter für 45 Franken ersetzte. Auch Marios stumpfe Kettensäge machte Leo für 25 Franken wieder scharf. Neben diesen preiswerten Reparaturen fällt auf, dass Gerdas Fernseher, der vermeintlich nicht mehr funktionierte, von Leo indirekt gratis wieder in Gang gebracht wurde. «Es lag nicht am TV, ich fand bei der Kontrolle keine Störung. Also musste es an der Elektroinstallation im Haus der Kundin gelegen haben», sagt der Reparateur. Für den Funktionstest musste Gerda nichts bezahlen. «Mir liegt am Herzen, dass Leute kaputte Geräte im Sinne der Nachhaltigkeit zur Reparatur bringen. Ausserdem stecken hinter allen Gegenständen Geschichten von Menschen. Die Wertschätzung gegenüber den Ressourcen, die für jedes Gerät verwendet werden, ist mir wichtig – wie auch die Wertschätzung gegenüber den Leuten, die diese entwickeln und auch gegenüber jenen, die sie reparieren. Und zudem hoffe ich, dass ich meine zufriedenen Kunden wiedersehe.» Was auch immer öfter zutreffe, sagt Leo.
Der bärtige Leo mit der grossen Brille wagt sich aber nicht nur an Haushalt-, Unterhaltungs- und Arbeitsgeräte heran. Ein Kunde überliess ihm kürzlich sein Luxusauto, weil die Car-Hi-Fi-Anlage nicht den gewünschten Sound hervorbrachte. «Kannst du dir das vorstellen? Der gab mir seinen Autoschlüssel und sagte zu mir: ‹Leo, mach etwas!›» Leo habe dem Kunden zuvor bereits eine Drohne und einen Handsender für ein Garagentor repariert – und dadurch dessen Vertrauen gewonnen.
«Die Leidenschaft und der Glaube an meine Fähigkeit spornen mich an. Deshalb habe ich vor rund einem Jahr beschlossen, mich in diesem Bereich selbstständig zu machen», sagt Leo. Bevor er diesen Schritt unternahm, bot er auf der Plattform «Reparaturführer» gratis Reparaturen an. «Mich interessierte, wie sehr ein Reparaturservice gefragt ist. Die Praxis zeigte, dass es sich lohnen kann, ein Angebot aufzuziehen. Sogar mit moderaten Preisen.»
Ehe er sich selbstständig machte, machte Leo in verschiedenen Berufen und Stationen halt. Zuletzt engagierte er sich im Sozialbereich. Unter anderem als Arbeitsagoge, Ausbildner und Co-Betriebsleiter der «Velowerkstatt» der Caritas Luzern und als Behindertenbetreuer im Kanton Obwalden sowie in einem Praktikum in Basel im Bereich der Sozialpädagogik. Zuvor war er Monteur in der Blachentechnik, und noch früher entwickelte er als technischer Leiter Prototypen in der Elektronikbranche. Seine Lehre absolvierte er in Winterthur als Motorradmechaniker.
Technik interessierte ihn schon immer. Als Schüler suchte er in Mulden nach Utensilien, aus denen er Apparate bauen konnte. Bald konstruierte der junge Leo einen Tesla-Transformator, mit dem er Freunden Experimente vorführte. «Damit lässt sich elektrische Spannung umwandeln. Man kann sichtbare Blitzentladungen erzeugen. Meine Vision war aber, ein Auto zu bauen und mit dem Nachbarsmädchen in die Zukunft zu reisen. Es war die Zeit des Films «Back to the Future» mit Marty Mc Fly und Doc Brown, dem Erfinder,» erklärt er.
Heute ist Leo realistischer, aber immer noch ein wenig ein Doc Brown. Zwar investiert er seine Energie nicht mehr in die Entwicklung von Zeitmaschinen, aber er tüftelt noch immer gerne. So konstruierte er eine vollautomatische Babyschaukel, die an einem Haken im Flur hängt. «Als alleinerziehender Vater und selbstständiger Reparaturfachmann, weiss ich mir zu helfen.» Mit Leos Werkstatt will er nicht nur sich und seinem Sohn die Existenz sichern, sondern gegen die Wegwerfmentalität der Leute kämpfen und damit auf die Umwelt Acht geben. «Ich bin überzeugt, dass ich mit dieser Grundhaltung etwas bewegen kann.»
Hinweis
Mehr Informationen finden Sie unter www.leoswerkstatt.ch.
Roger Rüegger
roger.rueegger@luzernerzeitung.ch