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Mit der geplanten Schliessung des Tropenhauses Wolhusen per Juni 2019 verliert die Region einen Tourismusmagneten und einen wichtigen Arbeitgeber. Trotz dem Schock schweisst die Hiobsbotschaft die 50 Angestellten zusammen.
Sie war die Initialzündung zum Bau des Tropenhauses und wird ihm wohl den Todesstoss versetzen: die Abwärme der Verdichterstation der Nord-Süd-Gas-Pipeline. Um diese Energie nicht verpuffen zu lassen, kam seinerzeit die Idee des Tropenhauses ins Spiel. Erst in Ruswil, später in Wolhusen. Nun die Hiobsbotschaft: Die Wärmeversorgung ist nur noch zur Hälfte aus der Abwärme gewährleistet. Für die Existenzsicherung wären hohe Investitionen nötig – und grosse Abstriche an die Nachhaltigkeit. Hauptaktionärin Coop will das Tropenhaus per Juni 2019 schliessen.
Ein harter Schlag. Für die 50 Mitarbeiter, die sich 30 Stellen teilen, für Geschäftsführer Pius Marti und seine Frau Luzia, die seit Tag 1 mit von der Partie waren. «Das Tropenhaus ist unser Kind, noch bis vor fünf Jahren befand sich das Büro meiner Frau bei uns daheim», sagt der 57-Jährige mit markantem Schnauz.
In Martis Stimme schwingt für gewöhnlich ordentlich Schalk mit. Beim Treffen am Donnerstag ist dem Gettnauer nicht nach Spass zu Mute. «Die geplante Schliessung geht allen wahnsinnig nahe. Egal, ob man Vollzeit arbeitet oder nur in einem Teilpensum: Für viele war das Tropenhaus nicht nur ein Job, sondern eine Herzensangelegenheit.» Allen voran ihm persönlich.
Bis Freitagabend führt der Agronom zusammen mit den Coop-Verantwortlichen Gespräche mit allen Mitarbeitern. Dass es mit der Abwärme hapert, wussten viele. Mit der geplanten Einstellung des Betriebs habe dann aber doch niemand gerechnet. «Wir wollen nun rasch Anschlusslösungen finden», sagt Marti. Nach einer zweiten Vollversammlung will er noch vor Ende Jahr «Nägel mit Köpfen» machen. «Vor Februar sprechen wir keine Kündigungen aus.» Naheliegend sei eine Weiterbeschäftigung bei der Coop-Gruppe. «Aber auch Umschulungen wollen wir unterstützen.»
Wohin der Weg von Restaurationsfachfrau Monika Leuenberger (52) aus Zell führt, ist ungewiss. «Eine neue Stelle im Service kann ich mir kaum vorstellen. Die Arbeit inmitten der tropischen Pflanzen lässt sich nicht toppen, auch wegen des super Teams.» Bei der Bekanntgabe der Schliessung hätten einige geweint. «Oft kommt es nun zu spontanen Umarmungen.» Der «tolle Geist des Hauses» sowie «etwas Galgenhumor» lasse sie selbst in der schwierigen Situation nach vorne blicken. «Das Tropenhaus soll ein gutes Ende finden.»
Immer wieder klingelt Martis Handy, seine Mailbox füllt sich mit Nachrichten von möglichen Zukunftsprojekten. «Etwa eine Hanf-Indoor-Anlage», sagt Marti. Folge ein ähnlich gelagerter Betrieb, sei eine Umnutzung nicht ausgeschlossen. «Doch allzu viel Optimismus ist fehl am Platz.»
Während sich Martis Stirn in Falten legt, ist am Tisch daneben helles Lachen zu vernehmen. Lenzburger Senioren haben ein Curry genossen («einfach fantastisch») und zeigen sich begeistert von der Pflanzenwelt, die sie im Restaurant umgibt. «Es ist unverständlich, dass Coop das hier alles aufgeben will», meint eine Pensionärin. Ihre Seniorengruppe hat sich am Donnerstag wie zwei weitere Vereine Zimtbaum und Bananenstaude in einer Führung näher bringen lassen.
Denn das Tropenhaus ist ein Tourismusmagnet: 33'000 Eintritte verzeichnete der Betrieb letztes Jahr – zu verdanken vor allem Schweizer Gästen. «Das Tropenhaus Wolhusen zählt zu den exklusiven Tourismusangeboten hierzulande. Daher ist es sehr schade, schliesst der Betrieb im nächsten Jahr – zumal Naturerlebnisse und nachhaltige Angebote im Trend liegen», sagt Sibylle Gerardi, Sprecherin von Luzern Tourismus. Auch fürs Schlechtwetter-Programm sei das Tropenhaus eine beliebte Destination gewesen.
Das Tropenhaus Wolhusen kennen die meisten in erster Linie aufgrund des 2100 Quadratmeter grossen Erlebnishauses. Bekannt ist vielen auch das dortige Restaurant Mahoi, das mit 14-Gault-Millau-Punkten zur Spitzengastronomie zählt. Doch nicht nur im Speiselokal mitten im Wolhuser Dschungel wird die Tropenhaus-Ernte verarbeitet. Produkte wie die Apfel-Sternfrucht-Konfitüre, der Tropen-Grüntee oder die Galgant-Zitronengras-Schokolade finden sich im Shop vor Ort und darüber hinaus in rund 160 Verkaufsstellen von Coop, dem Hauptabnehmer.
Fürs Delikatessen-Geschäft arbeitet das Tropenhaus mit regionalen Produzenten zusammen – insbesondere, was den Absatz von Papaya betrifft. Die exotischen Früchte verarbeitet beispielsweise der Schüpfheimer Pastahersteller Bruno Hafner von «Fidirulla» zu Papaya-Senf. Die Neue Napfmilch AG aus Hergiswil wiederum hat im Frühling den exotischen Curry-Papaya-Frischkäse lanciert. «Ein Produkt, das zu uns und der Region passt und nicht nur im Hergiswiler Spar, sondern in Coop-Regalen weit über die Zentralschweiz hinaus zu finden ist», sagt Geschäftsführer Daniel Erni. Ein knappes Jahr lang habe man an Rezeptur und Verpackung herumgetüftelt. «Der Frischkäse ist eine Erfolgsgeschichte.» Genaue Zahlen werden nicht kommuniziert. «Ohne Tropenhaus wird es künftig aber eine Knacknuss sein, den Nachschub an grüner Papaya sicherzustellen. Wir werden sicherlich rechtzeitig unsere Vorräte aufstocken. Bis auf Weiteres bleibt der Käse im Regal.»
Zu den bekannten Tropenhaus-Produkten zählt auch das Chili-Öl, zu dem die Mühle Briseck in Zell den Rohstoff beisteuert. «Wir liefern jährlich Rapsöl für 200 bis 300 Flaschen», sagt Inhaber Peter Ulrich, der wie viele vom Schliessungsentscheid überrascht wurde und das Aus bedauert. «Wir sind aber guten Mutes, dass wir einen neuen regionalen Chili-Produzenten finden.» Das Chili-Öl entsteht in Zusammenarbeit mit der Estermann Frischmarkt GmbH in Luzern sowie Daniel Bisten vom Gasthof Engel in Hüswil. Bisten tischt regelmässig tropische Produkte auf. «Vor allem Papayas beziehen wir aus Wolhusen», sagt der Gastgeber und Koch, der nach Lehr- und Wanderjahren in Indonesien in die Heimat zurückkehrte und die beiden Kulturen nun auf dem Teller zusammenbringt. «In den Anfängen, als das Tropenhaus noch in Ruswil war und ein Restaurant fehlte, durfte ich viele Tropenhaus-Gäste bei mir verpflegen.» Bisten experimentiert gern, hat gar Insekten auf der Menükarte. «Es ist immer spannend zu sehen, wie exotische Speisen beim europäischen Publikum ankommen.» (fi)
Als Pilotprojekt nimmt in Ruswil das Tropenhaus auf einer Fläche von 1500 Quadratmetern seinen Betrieb auf.
Das Tropenhaus Ruswil ist beliebt. Es soll mit einem Tropenbad in Wolhusen ergänzt werden.
Das geplante Bad ist mit 42 Millionen zu teuer. In Wolhusen soll nur ein Tropenhaus mit Restaurant gebaut werden.
In Wolhusen erfolgt der Spatenstich.
Das neue Tropenhaus wird eröffnet.
Im ersten vollen Geschäftsjahr beträgt der Verlust 1,2 Millionen Franken. Coop schiesst neues Kapital ein.
Coop teilt überraschend mit, dass das Tropenhaus im Juni 2019 geschlossen werden soll.