Tropenhaus Wolhusen: Sorge um die Zukunft treibt die Angestellten um

Mit der geplanten Schliessung des Tropenhauses Wolhusen per Juni 2019 verliert die Region einen Tourismusmagneten und einen wichtigen Arbeitgeber. Trotz dem Schock schweisst die Hiobsbotschaft die 50 Angestellten zusammen.

Evelyne Fischer
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Sind seit Tag 1 beim Tropenhaus Wolhusen mit dabei: Geschäftsführer Pius Marti und Restaurationsfachfrau Monika Leuenberger. (Bild: Nadia Schärli, Wolhusen, 27. September 2018)

Sind seit Tag 1 beim Tropenhaus Wolhusen mit dabei: Geschäftsführer Pius Marti und Restaurationsfachfrau Monika Leuenberger. (Bild: Nadia Schärli, Wolhusen, 27. September 2018)

Sie war die Initialzündung zum Bau des Tropenhauses und wird ihm wohl den Todesstoss versetzen: die Abwärme der Verdichterstation der Nord-Süd-Gas-Pipeline. Um diese Energie nicht verpuffen zu lassen, kam seinerzeit die Idee des Tropenhauses ins Spiel. Erst in Ruswil, später in Wolhusen. Nun die Hiobsbotschaft: Die Wärmeversorgung ist nur noch zur Hälfte aus der Abwärme gewährleistet. Für die Existenzsicherung wären hohe Investitionen nötig – und grosse Abstriche an die Nachhaltigkeit. Hauptaktionärin Coop will das Tropenhaus per Juni 2019 schliessen.

Ein harter Schlag. Für die 50 Mitarbeiter, die sich 30 Stellen teilen, für Geschäftsführer Pius Marti und seine Frau Luzia, die seit Tag 1 mit von der Partie waren. «Das Tropenhaus ist unser Kind, noch bis vor fünf Jahren befand sich das Büro meiner Frau bei uns daheim», sagt der 57-Jährige mit markantem Schnauz.

Tropenhaus: «Für viele eine Herzensangelegenheit»

In Martis Stimme schwingt für gewöhnlich ordentlich Schalk mit. Beim Treffen am Donnerstag ist dem Gettnauer nicht nach Spass zu Mute. «Die geplante Schliessung geht allen wahnsinnig nahe. Egal, ob man Vollzeit arbeitet oder nur in einem Teilpensum: Für viele war das Tropenhaus nicht nur ein Job, sondern eine Herzensangelegenheit.» Allen voran ihm persönlich.

Bis Freitagabend führt der Agronom zusammen mit den Coop-Verantwortlichen Gespräche mit allen Mitarbeitern. Dass es mit der Abwärme hapert, wussten viele. Mit der geplanten Einstellung des Betriebs habe dann aber doch niemand gerechnet. «Wir wollen nun rasch Anschlusslösungen finden», sagt Marti. Nach einer zweiten Vollversammlung will er noch vor Ende Jahr «Nägel mit Köpfen» machen. «Vor Februar sprechen wir keine Kündigungen aus.» Naheliegend sei eine Weiterbeschäftigung bei der Coop-Gruppe. «Aber auch Umschulungen wollen wir unterstützen.»

Wohin der Weg von Restaurationsfachfrau Monika Leuenberger (52) aus Zell führt, ist ungewiss. «Eine neue Stelle im Service kann ich mir kaum vorstellen. Die Arbeit inmitten der tropischen Pflanzen lässt sich nicht toppen, auch wegen des super Teams.» Bei der Bekanntgabe der Schliessung hätten einige geweint. «Oft kommt es nun zu spontanen Umarmungen.» Der «tolle Geist des Hauses» sowie «etwas Galgenhumor» lasse sie selbst in der schwierigen Situation nach vorne blicken. «Das Tropenhaus soll ein gutes Ende finden.»

Immer wieder klingelt Martis Handy, seine Mailbox füllt sich mit Nachrichten von möglichen Zukunftsprojekten. «Etwa eine Hanf-Indoor-Anlage», sagt Marti. Folge ein ähnlich gelagerter Betrieb, sei eine Umnutzung nicht ausgeschlossen. «Doch allzu viel Optimismus ist fehl am Platz.»

33'000 Besucher im letzten Jahr

Während sich Martis Stirn in Falten legt, ist am Tisch daneben helles Lachen zu vernehmen. Lenzburger Senioren haben ein Curry genossen («einfach fantastisch») und zeigen sich begeistert von der Pflanzenwelt, die sie im Restaurant umgibt. «Es ist unverständlich, dass Coop das hier alles aufgeben will», meint eine Pensionärin. Ihre Seniorengruppe hat sich am Donnerstag wie zwei weitere Vereine Zimtbaum und Bananenstaude in einer Führung näher bringen lassen.

Denn das Tropenhaus ist ein Tourismusmagnet: 33'000 Eintritte verzeichnete der Betrieb letztes Jahr – zu verdanken vor allem Schweizer Gästen. «Das Tropenhaus Wolhusen zählt zu den exklusiven Tourismusangeboten hierzulande. Daher ist es sehr schade, schliesst der Betrieb im nächsten Jahr – zumal Naturerlebnisse und nachhaltige Angebote im Trend liegen», sagt Sibylle Gerardi, Sprecherin von Luzern Tourismus. Auch fürs Schlechtwetter-Programm sei das Tropenhaus eine beliebte Destination gewesen.

Im Tropenhaus Wolhusen wachsen zahlreiche exotische Pflanzen. (Bild: Nadia Schärli, 27. September 2018)
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Aussenansicht des Tropenhauses Wolhusen. (Bild: Nadia Schärli, 27. September 2018)
Blick ins Restaurant «Mahoi» im Tropenhaus Wolhusen. (Bild: Nadia Schärli, 27. September 2018)
In einem Shop vor Ort können Produkte des Tropenhauses Wolhusen gekauft werden. (Bild: Nadia Schärli, 27. September 2018)
Im Tropenhaus Wolhusen wachsen zahlreiche exotische Pflanzen. (Bild: Nadia Schärli, 27. September 2018)
Aussenansicht des Tropenhauses Wolhusen. (Bild: Nadia Schärli, 27. September 2018)
Sind seit der ersten Stunde mit dabei: Pius Marti, Geschäftsführer des Tropenhauses und Monika Leuenberger, Restaurationsfachfrau. (Bild: Nadia Schärli, 27. September 2018)

Im Tropenhaus Wolhusen wachsen zahlreiche exotische Pflanzen. (Bild: Nadia Schärli, 27. September 2018)

Wo das Tropenhaus in aller Munde ist

Das Tropenhaus Wolhusen kennen die meisten in erster Linie aufgrund des 2100 Quadratmeter grossen Erlebnishauses. Bekannt ist vielen auch das dortige Restaurant Mahoi, das mit 14-Gault-Millau-Punkten zur Spitzengastronomie zählt. Doch nicht nur im Speiselokal mitten im Wolhuser Dschungel wird die Tropenhaus-Ernte verarbeitet. Produkte wie die Apfel-Sternfrucht-Konfitüre, der Tropen-Grüntee oder die Galgant-Zitronengras-Schokolade finden sich im Shop vor Ort und darüber hinaus in rund 160 Verkaufsstellen von Coop, dem Hauptabnehmer.

Fürs Delikatessen-Geschäft arbeitet das Tropenhaus mit regionalen Produzenten zusammen – insbesondere, was den Absatz von Papaya betrifft. Die exotischen Früchte verarbeitet beispielsweise der Schüpfheimer Pastahersteller Bruno Hafner von «Fidirulla» zu Papaya-Senf. Die Neue Napfmilch AG aus Hergiswil wiederum hat im Frühling den exotischen Curry-Papaya-Frischkäse lanciert. «Ein Produkt, das zu uns und der Region passt und nicht nur im Hergiswiler Spar, sondern in Coop-Regalen weit über die Zentralschweiz hinaus zu finden ist», sagt Geschäftsführer Daniel Erni. Ein knappes Jahr lang habe man an Rezeptur und Verpackung herumgetüftelt. «Der Frischkäse ist eine Erfolgsgeschichte.» Genaue Zahlen werden nicht kommuniziert. «Ohne Tropenhaus wird es künftig aber eine Knacknuss sein, den Nachschub an grüner Papaya sicherzustellen. Wir werden sicherlich rechtzeitig unsere Vorräte aufstocken. Bis auf Weiteres bleibt der Käse im Regal.»

Zu den bekannten Tropenhaus-Produkten zählt auch das Chili-Öl, zu dem die Mühle Briseck in Zell den Rohstoff beisteuert. «Wir liefern jährlich Rapsöl für 200 bis 300 Flaschen», sagt Inhaber Peter Ulrich, der wie viele vom Schliessungsentscheid überrascht wurde und das Aus bedauert. «Wir sind aber guten Mutes, dass wir einen neuen regionalen Chili-Produzenten finden.» Das Chili-Öl entsteht in Zusammenarbeit mit der Estermann Frischmarkt GmbH in Luzern sowie Daniel Bisten vom Gasthof Engel in Hüswil. Bisten tischt regelmässig tropische Produkte auf. «Vor allem Papayas beziehen wir aus Wolhusen», sagt der Gastgeber und Koch, der nach Lehr- und Wanderjahren in Indonesien in die Heimat zurückkehrte und die beiden Kulturen nun auf dem Teller zusammenbringt. «In den Anfängen, als das Tropenhaus noch in Ruswil war und ein Restaurant fehlte, durfte ich viele Tropenhaus-Gäste bei mir verpflegen.» Bisten experimentiert gern, hat gar Insekten auf der Menükarte. «Es ist immer spannend zu sehen, wie exotische Speisen beim europäischen Publikum ankommen.» (fi)

Vom Pilotprojekt zum Tourismusmagneten

1999

Als Pilotprojekt nimmt in Ruswil das Tropenhaus auf einer Fläche von 1500 Quadratmetern seinen Betrieb auf.

12. April 2001

Das Tropenhaus Ruswil ist beliebt. Es soll mit einem Tropenbad in Wolhusen ergänzt werden.

27. Juli 2003 

Das geplante Bad ist mit 42 Millionen zu teuer. In Wolhusen soll nur ein Tropenhaus mit Restaurant gebaut werden.

26. Juni 2008

In Wolhusen erfolgt der Spatenstich.

21. März 2010

Das neue Tropenhaus wird eröffnet.

3. Februar 2012

Im ersten vollen Geschäftsjahr beträgt der Verlust 1,2 Millionen Franken. Coop schiesst neues Kapital ein.

26. September 2018

Coop teilt überraschend mit, dass das Tropenhaus im Juni 2019 geschlossen werden soll.

Tropenhaus-Ausstellung zum Thema Kaffee (2015)

Kaffee für Lukas Meyer, Projektleiter Kaffee-Ausstellung (mitte) und Pius Marti, Geschäftsführer des Tropenhauses in Wolhusen. (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)
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«Wie Kaffee die Welt verzaubert.» (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)
So heisst die neue Ausstellung des Tropenhauses Wolhusen, die am 25. März eröffnet wird und bis Ende Februar 2016 besucht werden kann. (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)
«Wir möchten die Leute mit allen Sinnen begeistern und die verschiedenen Facetten des Kaffees weitergeben. Mein Begriff von Kaffee ist jedenfalls bereits arg durcheinandergeraten», sagte Tropenhaus-Geschäftsführer Pius Marti an der Medienorientierung. Auf dem Bild degustiert Marti Bohnen. (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)
Der Besucher erfährt mehr über die Geschichte des Kaffees, die Hintergründe der Zubereitung, spezielle Rezepte... (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)
er erhält die Möglichkeit zur Degustation und kann unter Anleitung sogar selber Bohnen rösten. Auf dem Bild: Äthiopische Kaffeezeremonie mit Sarah Roduner (links) und Frehiwot Teshome. (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)
Im Tropenhaus finden sich mehrere Stationen mit Informationen, Audio-Installationen... (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)
... und Filmen zum Thema Kaffee. (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)
Wer nach dem Besuch der Ausstellung so richtig auf den Geschmack dieser Steinfrucht gekommen ist, kann sein Wissen in Workshops vertiefen. (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)
Wer sich mehr Zeit für Kaffee nehmen will, kann dies im Highlight der Ausstellung tun. Eine 3 Meter breite und 1,70 Meter hohe Kaffeetasse lädt zum Verweilen und Degustieren ein. «Kaffeekränzchen in der Plaudertasse» nennt sich die Einrichtung, die acht Personen Platz bietet und gebucht werden kann. (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)
«It's coffee time». Im Tropenhaus wird ein Film über die Herstellung des Kaffees gezeigt. (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)

Kaffee für Lukas Meyer, Projektleiter Kaffee-Ausstellung (mitte) und Pius Marti, Geschäftsführer des Tropenhauses in Wolhusen. (Bild: Dominik Wunderli / Neue LZ)