Die Luzerner Maisernte läuft auf Hochtouren. Ein Besuch auf dem Hof von David Steffen zeigt: Der trockene Sommer hat Spuren hinterlassen.
Stephan Santschi
Anton Frei sitzt in seinem Feldhäcksler und steuert ihn durch die Maisplantage des Ufhuser Bauern David Steffen. Das 700-PS-starke Gefährt verschlingt die Pflanzen geradezu, um sie kurz darauf in zermahlener Form in einen Anhänger zu spucken. Seit Mitte August und noch bis Mitte Oktober gehört diese Arbeit zum Alltag des Lohnunternehmers aus Zell. «Die Bauern sind etwas erschrocken, wie weit der Mais schon gereift ist. Deshalb kommen nun fast alle miteinander», erzählt er. Sein Arbeitsaufwand ist entsprechend gross: Um 6 Uhr morgens legt er mit seinem Team los, um 22 Uhr ist Feierabend. Rückt er nicht wie gewünscht voran, wird auch am Sonntag gearbeitet. Frei weiss: Es muss schnell gehen.
Bis zur Mittagsstunde hat Frei die 3,5 Hektaren kahlgeschoren. Seit etwa drei, vier Jahren spüre er die angespannte Finanzlage seiner Kunden. «Unsere Rechnungen werden oft erst dann beglichen, wenn der Bauer die Direktzahlung des Staates erhalten hat.» Schnell gehen muss es auch wegen des aussergewöhnlich trockenen Sommers. «Die Pflanzen haben nur noch wenig Flüssigkeit. Wir sind rund drei Wochen früher dran als üblich.»
Auf dem Hof, fast um die Ecke, steht David Steffen auf einem seiner drei Silos und überwacht deren Abfüllung mit der geernteten Maissilage. «Normalerweise reicht die Menge aus. Diesmal muss ich aber wohl noch etwas Mais dazukaufen. Die Pflanzen sind wegen des trockenen Sommers kürzer, die Ernte wird etwas kleiner ausfallen», mutmasst der 36-jährige Landwirt. Der Silomais mache einen Drittel des Futters für seine 35 Milchkühe aus, der Rest bestehe aus Grassilage, Heu und Kleegras.
So wie Steffen tun es die meisten Maisbauern im Kanton Luzern – sie bauen den Mais als Futtermittel für ihr Vieh an und verwerten hierzu die ganze Pflanze. Die Maisfläche stieg in den letzten 13 Jahren um 33 Prozent auf insgesamt knapp 5500 Hektaren, dies bei 77 000 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche im Kanton. Das ist auf den Boom des Silomaises zurückzuführen, dessen Anbaufläche in dieser Zeitspanne um 62 Prozent anwuchs, während jene für den Körnermais, bei dem nur der Kolben als Futtermittel verwendet wird, um rund 40 Prozent gesunken ist. «Silomais ist relativ einfach zu bewirtschaften. Der Lohnunternehmer übernimmt die Saat und die Ernte, ich muss nur noch etwas düngen und gegen das Unkraut vorgehen», erklärt Steffen.
Den Hintergrund erklärt Experte Heinrich Hebeisen vom Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung in Hohenrain. Er sagt: «Der Mais ist arbeitswirtschaftlich eine interessante Kultur, die sich für die Hochleistungsstrategie in der Milchproduktion eignet. Eine höhere Milchleistung erfordert ein energiereiches Futter wie Silomais.» Zudem würden im Kanton Luzern ideale klimatische Bedingungen für den Maisanbau herrschen.
Ob das so bleibt, ist allerdings ungewiss. Das liegt nicht am Wetter, sondern an der aktuellen Agrarpolitik mit der Neustrukturierung der Direktzahlungen. Diese fördert den Grasanteil im Futter mit 200 Franken pro Hektare Grünfläche. Im Talgebiet darf der Ganzpflanzen-Maisanteil hierzu allerdings nicht 15 Prozent überschreiten. «Damit wird man von der Agrarpolitik fast dazu verdammt, weniger Mais zu verfüttern. Meine Strategie werfe ich deshalb aber nicht einfach so über den Haufen», hält Landwirt David Steffen fest.
Maiswurzelbohrer heisst der Blattkäfer, der über 50 Prozent der Ernte vernichten kann. «In diesem Jahr sind in den Fallen im Kanton Luzern keine Käfer gefangen worden», informiert Heinrich Hebeisen, Pflanzenschutzexperte am Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung in Hohenrain.
Beschäftigt hat ihn der Schädling trotzdem. Im August lehnte das Bundesamt für Landwirtschaft den Antrag des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands auf Änderung der Tilgungsstrategie ab. Damit dürfen Landwirte, die sich im Umkreis von zehn Kilometern des Fundorts eines Schädlings befinden, weiterhin im folgenden Jahr keinen Mais mehr anbauen. «Der Bauer hat so keine Planungssicherheit. Im Schadenfall hätte er einen finanziellen Zusatzaufwand zu betreiben, wenn er zwei Jahre hintereinander hätte Mais anbauen wollen», sagt Hebeisen. Das sei auf rund 23 Prozent der Luzerner Maisanbaufläche üblich. Die Regelung sei zu strikt: «Mehr als zweimal hintereinander darf ein Bauer mit mehr als drei Hektaren offener Ackerfläche ohnehin nicht auf der gleichen Fläche Mais anbauen. In dieser Zeit kann sich eine Schädlingspopulation nicht genügend entwickeln.»
Die Sicherheit, in der sich der Bund wähne, könnte eine falsche sein. «Weil im Kanton Luzern nur elf Fallen stehen, die einen sehr kleinen Fangradius von zirka 20 Metern aufweisen.» Und weil Landwirte mit weniger als drei Hektaren offener Ackerfläche mehr als zwei Jahre nacheinander Mais anbauen dürfen. Dort könnte sich der Maiswurzelbohrer theoretisch über Jahre hinweg entwickeln.