Künftig müssen Schweizer Volksschulen obligatorische Ausflüge selbst berappen. Das wird Luzerner Gemeinden insgesamt fast 2 Millionen Franken kosten. Der Kanton Luzern wird einen Viertel davon decken. Ob das reicht, ist fraglich.
Ab 2019 könnte es in der Schweiz weniger Schulreisen, Lager und Skitage geben. Grund dafür ist ein Entscheid des Bundesgerichts. Neu gilt: Für obligatorische Veranstaltungen an Volksschulen dürfen Eltern künftig nicht mehr zur Kasse gebeten werden (Ausgabe vom 17. Mai). Das heisst, die Gemeinden müssen entweder selbst in die Tasche greifen – oder das schulische Reiseprogramm kürzen. Am 2. Juli wurde bekannt, dass die Luzerner Gemeinden auf finanzielle Unterstützung des Kantons zählen können. Der Regierungsrat beschloss, einen Viertel der Mehrkosten zu übernehmen. Das entspricht dem derzeitigen Kostenteiler von 25 Prozent für den Kanton zu 75 Prozent für die Volksschule. «Je nachdem, wie hoch die budgetierten Beiträge der Gemeinden ausfallen, liegt der Kantonsbeitrag zwischen 400000 und 500000 Franken pro Jahr», sagt Charles Vincent, Leiter der Dienststelle Volksschulbildung (DVS).
Der kantonale Zustupf wird jedoch nichts daran ändern, dass die Volksschulen künftig vorsichtiger mit ihren Ausflugskosten haushalten müssen. Immerhin müssen sie einen Restbetrag von insgesamt 1,5 Millionen Franken decken. Bei den Gemeinden läuft die Budgetierung für das Jahr 2019 zurzeit auf Hochtouren. Die Frage nach den Schulausflügen sorgt dabei für Rechnereien und Diskussionen.
Der Kanton Luzern hilft auch beim Rechnen. Der Regierungsrat beauftragte die Dienststelle Volksschulbildung, eine Vorgabe für die Budgetierung auszuarbeiten. In den letzten Tagen ist bei den Gemeinden eine entsprechende Weisung eingetroffen. Diese beziffert die Reisekosten für einen Schüler pro Jahr auf durchschnittlich 46 Franken. Für jede Klassenstufe gelten unterschiedliche Minimal- und Maximalbeträge. Der Kindergarten ist naturgemäss billiger, die Oberstufe teurer. «Wir sind dankbar für das Merkblatt de Kantons», sagt Ursi Burkart-Merz (CVP), die den Bereich Bildung beim Verband Luzerner Gemeinden (VLG) leitet und die Gemeinde Adligenswil präsidiert. «Es liefert uns eine Vorgabe, der wir folgen werden.» Eine eigene Regelung durch den Verband erübrige sich dadurch.
Bis jetzt finanzierten Eltern und Gemeinden gemeinsam die Schulausflüge. Auch die Schüler selbst halfen durch diverse Arbeiten mit. Wenn die Unterstützung der Eltern wegknickt, werden das die Gemeinden spüren. Einzig für die Verpflegung in Klassenlagern dürfen Eltern noch in die Pflicht genommen werden. Dafür veranschlagt der Kanton 10 bis 16 Franken pro Tag und Kopf.
Heisst das nun, dass es ab 2019 weniger Schulausflüge geben wird? So deutlich will das niemand sagen. Fest steht, dass die Kosten ansteigen – besonders stark in schülerreichen Gemeinden.
In Emmen läuft die Budgetierung noch bis Ende August. Bildungsdirektorin Susanne Truttmann (SP) geht davon aus, dass die neue Regelung Mehrkosten von über 200000 Franken verursachen wird – Schulverlegungswochen eingerechnet. «Es handelt sich hierbei nur um einen ersten Entwurf», betont Truttmann. «Der Gemeinderat hat das Geschäft noch nicht beraten. Das entscheidende Wort darüber wird der Einwohnerrat haben.» Insgesamt hat Emmen um die 3000 Schüler. Ob diese nächstes Jahr seltener reisen werden, lasse sich noch nicht konkret sagen. Truttmann kann der neuen Weisung mit Minimal- und Maximalbeträgen auch positive Seiten abgewinnen. «Die Vorgaben der DVS sorgen für eine gewisse Chancengleichheit», so die Bildungsdirektorin. Auch Schüler aus ärmeren Gemeinden sollen eine schöne Schulreise erleben.
In Meggen hat man nicht vor, Ausflüge zu kippen. «Geografisch befinden wir uns in einer vorteilhaften Lage, so dass attraktive Schulausflüge und Exkursionen auch in der näheren Region möglich sind», erklärt Carmen Holdener (CVP), die als Gemeinderätin das Ressort Bildung leitet. «Ich bin überzeugt, dass es auch im nächsten Jahr keine Streichungen geben wird. Mit dem uns zur Verfügung stehenden Budget werden weiterhin auch ausserschulische Lernangebote möglich sein.» Konkrete Zahlen zum Budget nennt Holdener nicht. «Wir orientieren uns an den Vorgaben des Kantons.» Die Gemeinde werde wahrscheinlich einen Mittelweg zwischen Maximal- und Minimalbetrag beschreiten, offiziell sei aber noch nichts. In Meggen gehen etwa 560 Kinder und Jugendlichen zur Schule.
Die Stadt Luzern überarbeitet zurzeit ebenfalls ihr Schulbudget. «Für uns ist das eine aufwendige Rechnerei, wir haben zusammen mit einer Arbeitsgruppe eine detaillierte Kostenerhebung gemacht», sagt Rektorin Vreni Völkle. Die städtischen Volksschulen geniessen durch Vereinbarungen und Pauschalabgeltungen mit diversen Sport- und Kulturstätten ermässigte Eintritte, die alle zusammengetragen und einbezogen werden müssen. Völkle rechnet provisorisch damit, dass die neue Regelung einen Mehraufwand von rund 350000 Franken zu den bisher budgetierten Ausgaben für ausserschulische Aktivitäten verursachen wird. In der Stadt Luzern gibt es etwa 6000 Schüler. Obwohl ein Entscheid durch die Politik noch aussteht, ist für die Rektorin klar: «Schulreisen werden nach wie vor zum fixen Programm im Schuljahr gehören.» Zu Einschränkungen könne es allenfalls bei Lagern kommen.
Bei kleineren Gemeinden wie Hohenrain geht es um viel geringere Beträge. Für das nächste Jahr sei hier lediglich eine Budgeterhöhung von 5000 Franken vorgesehen, sagt Gemeinderat Stephan Egli (CVP). Hohenrain hat knapp 200 Schüler. In Hochdorf will man keine konkreten Zahlen nennen. «Es ist wichtig, dass wir verantwortungsbewusst mit den Kosten umgehen», betont Daniela Ammeter Bucher (FDP), die das Ressort Bildung und Wirtschaft leitet. Es sei durchaus möglich, dass es in Hochdorf künftig weniger Schulausflüge gebe. Davon betroffen wären ungefähr 1200 Schüler.
Insgesamt stehen die Zeichen auf Sparkurs. Kürzer treten können Schulen vor allem bei den ÖV-Reisekosten. Diese sind nämlich der bei Weitem grösste Kostenfaktor. In Zukunft werden Luzerner Klassen wohl seltener in die Ferne schweifen, sondern eher in der Nähe verweilen. Und was, wenn Schüler bald tatsächlich seltener ihre Rucksäcke packen dürfen? Ursi Burkart-Merz vom VLG gibt zu Bedenken: «Es geht nicht nur um die Anzahl der Reisen, sondern auch um ihre Qualität, um das Erlebnis. Da ist künftig sicher mehr Kreativität gefragt.»