Kapitalverbrechen
Luzerner Polizei will Vergewaltiger mit Hilfe von Schwarmintelligenz auf Instagram fassen

Nach dem öffentlichen Fahndungsaufruf hat die Luzerner Polizei bereits Hinweise aus der Bevölkerung erhalten. Sie setzte auch einen Post auf Instagram ab mit der Bitte, diesen zu teilen.

Christian Glaus, Martin Messmer
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Es ist ein schockierender Fall, wie er in der Schweiz glücklicherweise eher selten vorkommt. Auf dem Nachhauseweg ist am frühen Freitagmorgen eine 35-jährige Frau in der Stadt Luzern vergewaltigt worden. Die Tat ereignete sich an der Neustadtstrasse um 4 Uhr. Der unbekannte Täter packte die Frau und verging sich in einem Hauseingang an ihr.

Vergewaltigung am 15. Oktober 2021 in Luzern

Seither laufen die Ermittlungen der Spezialisten der Luzerner Polizei auf Hochtouren. Bisher konnte der Täter nicht gefasst werden, weshalb die Bevölkerung am Dienstag in einem Zeugenaufruf, der via Medien verbreitet wurde, um ihre Mithilfe gebeten wurde. Erste Hinweise seien bereits eingegangen, erklärt Simon Kopp, Kommunikationsverantwortlicher der Luzerner Staatsanwaltschaft, am Mittwoch auf Anfrage: «Wir gehen selbstverständlich jedem Hinweis nach, der zur Ergreifung des Täters führen könnte.»

Polizei hofft auf Instagram-Gemeinde

Nach dem Kapitalverbrechen sucht die Polizei seit Mittwoch neu auch auf Instagram nach Zeugen: Sie setzte auf ihrem Instagram-Kanal einen Post des Zeugenaufrufs ab, verbunden mit der Bitte, diesen zu teilen.

Über 3000 Personen haben den Post innerhalb von sechs Stunden gelikt. «Das ist für uns ein weiteres Mittel, um unseren Zeugenaufruf zu verbreiten. Ziel ist es natürlich, eine möglichst hohe Publizität zu erreichen damit», sagt Polizeisprecher Urs Wigger auf Anfrage. Auf Facebook und Twitter, wo die Luzerner Polizei ebenfalls Kanäle bewirtschaftet, ist der Zeugenaufruf hingegen nicht zu finden. Dort habe es durch verschiedene Medienberichte schon genug Viralität, begründet Wigger.

Natürlich kann man den Zeugenaufruf der Polizei auf Instagram auch kommentieren – und wie man das aus sozialen Medien kennt, sind dort leider auch unqualifizierte Kommentare zu lesen. Das nimmt die Polizei aber in Kauf. Wigger sagt aber: «Die Kommentare müssen unseren Richtlinien entsprechen, sonst werden sie gelöscht.»

Wurde der Täter gefilmt?

Parallel dazu laufen die Ermittlungen am Tatort selber sowie in der näheren Umgebung. Denkbar ist beispielsweise, dass der Mann von einer Überwachungskamera gefilmt wurde. Wie Kopp sagt, werden derzeit auch Befragungen im Umfeld des Tatorts durchgeführt. Und nach wie vor laufen Ermittlungen zu einer allfälligen DNA-Spur des Täters sowie Auswertungen. Da es bei einer Vergewaltigung zwangsläufig zu engem Körperkontakt kommt, dürften solche Spuren vorhanden sein. Die Auswertung kann aber mehrere Tage bis Wochen dauern.

In einem Hauseingang im vorderen Bereich der Neustadtstrasse wurde die Tat begangen.

In einem Hauseingang im vorderen Bereich der Neustadtstrasse wurde die Tat begangen.

Screenshot Google Maps

DNA-Spuren führten 2018 zum Erfolg

Dass die Täter-DNA zum Ermittlungserfolg führen kann, zeigte sich im Jahr 2018. Damals nahm die Polizei einen 32-jährigen Mazedonier fest, der mehrfach Frauen sexuell genötigt hatte. Sogar eine rund acht Jahre zuvor versuchte Vergewaltigung konnte dem Mann dank der DNA noch nachgewiesen werden.

Doch es gibt auch andere Beispiele: Im Fall Emmen konnte der Täter bisher trotz DNA-Spuren und Massentests nicht ermittelt werden. Ein beträchtlicher Teil des Signalements im aktuellen Luzerner Fall stimmen mit dem Täterbeschrieb von Emmen überein. Kopp sagt: «Wir prüfen in jedem Fall, ob es Parallelen mit früheren, noch ungeklärten Fällen gibt.»

Aufklärungsquote von 96 Prozent bei Vergewaltigungen

Wie die Kriminalstatistik der Luzerner Polizei zeigt, gibt es einen Anstieg von schweren Straftaten. Im vergangenen Jahr wurden im Kantonsgebiet 203 Taten gegen die sexuelle Integrität registriert. Ein Anstieg von 30 Prozent gegenüber 2019 mit 156 Fällen. 24 Vergewaltigungen wurden der Polizei gemeldet (Vorjahr: 15). In 23 Fällen konnten die Täter ermittelt werden, was einer Erfolgsquote von fast 96 Prozent entspricht. Simon Kopp erklärt dies damit, dass sich viele Vergewaltigungen im Bekanntenkreis ereignen. «In den meisten Fällen kann das Opfer Angaben zum Täter machen. Da liegt es in der Natur der Sache, dass die Aufklärungsquote hoch ist.»

Die letzten bekannten schweren Sexualdelikte ereigneten sich alle in der Stadt und Agglomeration Luzern. Dazu gehört auch ein Taxifahrer, der 2016 eine 18-jährige Australierin in Kriens vergewaltigte. «Solche Vorfälle ereignen sich eher in städtischen Gebieten, weil diese als Ballungszentren mehr Personen anziehen», sagt Kopp.

Stadt beurteilt Sicherheitslage alle zwei Wochen neu

Eine Vergewaltigung in einem Wohnquartier mitten in der Stadt: Das löst Verunsicherung aus. Dessen ist sich Christian Wandeler bewusst. Der Sicherheitsmanager der Stadt Luzern sagt, er stehe in einem engen Austausch mit der Polizei. «Wir verfolgen die Geschehnisse genau und beurteilen die Sicherheitslage alle zwei Wochen.» Der jüngste Vorfall an der Neustadtstrasse werde in diese Lagebeurteilung aufgenommen. Wandeler sagt, die Stadt werde in der Bevölkerung als sicher wahrgenommen, wie Umfragen zeigten.

Belebte Plätze und Orte hätten eine höhere Sozialkontrolle und seien dadurch allgemein sicherer als dunkle Ecken. «Das Gebiet um den Bundesplatz ist nicht als Hotspot bekannt», sagt Wandeler. Als Sofortmassnahme hat die Luzerner Polizei ihre Patrouillentätigkeit erhöht. Ob auch die Stadt Massnahmen ergreift, ist offen. Die Situation werde analysiert, so Wandeler. Oft seien Verbesserungen nur durch bauliche Massnahmen möglich, etwa indem die Beleuchtung optimiert wird.

Dass die Stadt auf Sicherheitsbedenken der Bevölkerung reagiert, hat sie im Bereich des Seebeckens bewiesen. Beim Inseli hat sie die Beleuchtung bereits angepasst. Nun soll auch auf der Ufschötti die Situation verbessert werden.

Das Täterprofil nach Angaben der Polizei:

  • Der Täter hat schwarze, gekrauste Haare.
  • Er ist zirka 30 bis 40 Jahre alt.
  • Der Gesuchte ist rund 175 bis 180 Zentimeter gross.
  • Der Mann ist dunkelhäutig.
  • Er ist korpulent.
  • Besonderes Merkmal ist eine spitze Nase.
  • Der Mann hat auffallend stark nach Parfum gerochen.

Hier können sich Zeugen melden:

Die Untersuchung führt die Staatsanwaltschaft Luzern. Die Luzerner Polizei sucht Personen, welche auffällige Beobachtungen gemacht haben. Hinweise bitte direkt an Tel. 041 248 81 17