Von essbaren Löffeln bis Öko-Eistee: Luzerner Schüler tüfteln an neuartigen Produkten

Während eines ganzen Jahres bauen Schüler der Wirtschaftsmittelschule Luzern ein Start-up auf und führen es zur Marktreife. Ein Augenschein zeigt: Die Produkte lassen sich sehen.

Niels Jost
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Arbeiten an einem gemeinsamen Mode-Label: das Mini-Unternehmen «Atelier Baumann».

Arbeiten an einem gemeinsamen Mode-Label: das Mini-Unternehmen «Atelier Baumann».

Bild: Jakob Ineichen (Luzern, 4. Dezember 2019)

Es ist ein spezielles Jahr für 44 Jugendliche der Wirtschaftsmittelschule Luzern. Denn seit August sind die 16- bis 18-Jährigen nicht nur Schülerinnen und Schüler, sondern auch CEO, Marketing- oder Finanzchef eines kleinen Unternehmens. Ihres Unternehmens, um genau zu sein.

Möglich macht’s der Projektunterricht, welcher jeden Mittwochnachmittag stattfindet und seit zehn Jahren durchgeführt wird. Dabei gründen die Schüler ein eigenes Mini-Unternehmen, entwickeln Produkte, suchen Geldgeber, unterhalten eine Webseite, führen eine Buchhaltung. Und: verkaufen ihre Produkte selbstverständlich auch.

Das grosse Geld machen die Jungunternehmer damit wohl nicht. Aber die Produkte lassen sich durchaus sehen, wie ein Augenschein zeigt. So haben die Schüler beispielsweise einen zuckerarmen Eistee entwickelt, ein Modelabel gegründet, an regional zubereiteten Pastas, Pestos und Schokoladenstengeln getüftelt oder ein Müsli hergestellt, wie folgende Bildergalerie zeigt:

Haben einen eigenen zuckerarmen und ökologischen Eistee hergestellt: Das Mini-Unternehmen «Théa». Von links: Vanessa Glanzmann, Teodora Stevic, Lisa Piazza, saharahaa Shivaruban und Dea Filippou.
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Das Mini-Unternehmen «Lusto» hat an Rezepten für Pestos getüftelt. Von links: Philipp Kron, Fabian König, Gian Greter, Abdirahman Cabdi Xassan, Abbinash Sathananthan und Ella Seeberger.
Ohne Konservierungsstoffe, voll Italienata und doch aus regionaler Produktion: die Pastas des Mini-Unternehmens «Belcuore». Von links: Damiano Rizzello, Enrik Lleshi, Angelo Tariello, Constantin Liesenberg, Julian Häfliger (sitzend) und Pahalavan Kulendran.
Die Pasta-Sorten sind insbesondere für Gourmets gedacht.
Süsse Verlockung: Das Mini-Unternehmen «QualiChoc» hat einen Schokoladenstengel kreiert, der sich in heisser Milch auflöst. Von links: Valentino Boldini, Chiara Massafra, Luca Vespa, Nico Jenny und Rubén Pedrajas.
Dass es nicht nur um Lebensmittel geht, zeigt das Atelier Baumann: Ihre Kollektionen sind minimalistisch, technisch, futuristisch - und bezahlbar. Von links: Alexander Muff, Simon Küher, Hannah Fritz, Nuria Piezzo und Raphael Baumann.
Begutachten das T-Shirt aus der ersten Kollektion: Alexander Muff und Raphael Baumann.
Ihre essbaren Löffel sollen nicht nur Plastiklöffel ersetzen, sondern auch das dazu servierte Guetzli. Das Mini-Unternehmen «Délicuillère» besteht aus (von links): Lynn Wyss, Jara Infanger, Niels Dirken, Beda Lengwiler, Tamara Paul und Enzo Wollenmann.
Die alternativen Kaffeelöffel und Stäbli hat eine Luzerner Bäckerei gefertigt - mit der Ausstechform, welche von einem 3D-Drucker gefertigt wurde.
Stellen ein Paket aus einem Kakao-Fruchtsaft, einem Rezept und einer Kuvertüre zusammen, das Mini-Unternehmen «wacao». Von links: Elia Noël Hürlimann, Jana Aerni, Susanna Bishaws, Miranda Pacitti, Pascal Bäurle.

Haben einen eigenen zuckerarmen und ökologischen Eistee hergestellt: Das Mini-Unternehmen «Théa». Von links: Vanessa Glanzmann, Teodora Stevic, Lisa Piazza, saharahaa Shivaruban und Dea Filippou.

Bild: Jakob Ineichen (Luzern, 4. Dezember 2019)

Essbare Löffel sollen Wegwerfplastik ersetzen

Sehen lässt sich auch ein essbarer Kaffeelöffel aus Zuckerteig, dessen Ausstechform mittels 3D-Drucker in Zusammenarbeit mit dem «FabLab» der Hochschule Technik und Architektur gefertigt wurde, wie dieses Bild zeigt:

Die essbaren Kaffeelöffel und -stäbli wurden von einer Luzerner Bäckerei hergestellt - mit einer Ausstechform, welche mittels 3D-Drucker gefertigt wurde.

Die essbaren Kaffeelöffel und -stäbli wurden von einer Luzerner Bäckerei hergestellt - mit einer Ausstechform, welche mittels 3D-Drucker gefertigt wurde.

Jakob Ineichen, Luzerner Zeitung

«Unser Löffel ersetzt nicht nur Plastiklöffel, sondern auch das Guetzli, welches häufig zum Kaffee mitserviert wird», erklärt CEO Jara Infanger aus Seedorf. Das in einer Luzerner Bäckerei hergestellte Gebäck hält genug lange, um das heisse Getränk umzurühren, bekräftigt der technische Leiter, Niels Dirken aus Beromünster.

Sie stecken hinter den essbaren Kaffelöffeln: Schüler des Mini-Unternehmens «Délicuillère».

Sie stecken hinter den essbaren Kaffelöffeln: Schüler des Mini-Unternehmens «Délicuillère».

Bild: Jakob Ineichen (Luzern, 4. Dezember 2019)

Die Jungunternehmer haben bereits zwei Hotels in der Region gefunden, welche die Löffel-Alternative testen werden. Zudem verkaufen sie das Produkt nun an Weihnachtsmärkten und online. Kosten für ein Zehnerpack: 7.80 Franken, die 50er-Packung ist für 13.80 Franken erhältlich.

Restprodukt von Kakao-Frucht verwerten

Ebenso einen ökologischen Hintergedanken verfolgt das Mini-Unternehmen «wacoa». Die Idee: Restprodukte der Kakao-Frucht vermeiden, indem aus dem süssen Fruchtfleisch, welches die Bohnen umhüllt, ein Fruchtsaft hergestellt wird. Diesen erhalten die Jungunternehmer von einem kleinen Schweizer Firma. «Nach diversen Verhandlungen können wir die Flaschen nun zum Einkaufspreis der Firma abkaufen», sagt Pascal Bäurle aus Stans. Den Saft verkaufen die Schüler gemeinsam mit einem Rezept und einer Kuvertüre, aus der sich eine heisse Schokolade zubereiten lässt.

Hier verpacken die Schüler des Mini-Unternehmens «wacoa» den Kakao-Fruchtsaft mit dem Rezept und der Kuvertüre.

Hier verpacken die Schüler des Mini-Unternehmens «wacoa» den Kakao-Fruchtsaft mit dem Rezept und der Kuvertüre.

Bild: Jakob Ineichen (Luzern, 4. Dezember 2019)

Projektleiter sagt: Die Teamfähigkeit sei grosse Herausforderung

Für die Wirtschaftsmittelschule ist das Projekt nicht mehr wegzudenken. «Mit der Verknüpfung von Theorie und Praxis erfahren die Schüler, wie hart der Markt in der Realität sein kann», sagt Projektbetreuer Jörg Lustenberger. Auf der anderen Seite kompensiere das Verkaufen alle erlittenen Rückschläge, wenn das Produkt auf den Markt ankomme.

Doch es seien nicht nur diese Lernziele über die Marktwirtschaft, welche vermittelt werden. «Die Schüler lernen auch überfachliche Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Kreativität oder Durchhaltevermögen.» Gerade diese Aspekte gehören gemäss Lustenberger zu den grössten Herausforderungen. «Zu Beginn braucht es nur schon Überwindung, auf einen Kunden oder potenziellen Geschäftspartner zuzugehen. Mit dem Projekt stärken wir auch das Selbstvertrauen der Schüler.»

Schülerin: «Es braucht ein paar Anläufe, bis etwas klappt»

Die Jugendlichen schätzen den alternativen Unterricht, räumen aber auch ein, dass nicht alles nur Spass macht. «Die Kommunikation im Team ist die grösste Herausforderung», sagt etwa Teodora Stevic aus Hochdorf. Und Teamkollegin Saharahaa Shivaruban aus Root meint: «Wertvoll war die Erkenntnis, dass es häufig ein paar Anläufe braucht, bis etwas klappt.»

Für die Jungunternehmer beginnt nun die entscheidende Phase. Viele bringen ihre Produkte an Weihnachtsmärkten erstmals an die Kunden (siehe Hinweis). Die Reaktionen werden zeigen, wie die Innovationen ankommen und ob Änderungen vorgenommen werden müssen. Jörg Lustenberger sagt dazu: «Der Ausgang des Projekts ist offen. Scheitern ist erlaubt. Schön wäre es aber, wenn die Schüler ihr Mini-Unternehmen nach dem Schuljahr weiterführen oder verkaufen können.»

Am Mittwoch, 11. Dezember verkaufen die Schüler ihre Produkte am Weihnachtsmarkt des Fach- und Wirtschaftsmittelschulzentrums in Luzern (13.15 bis 17 Uhr, Hirschengraben 10).

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