Vor vier Jahren wählten so wenige Luzerner wie noch nie. Eine Trendumkehr ist aber möglich.
Cyril Aregger
Das waren noch Zeiten: 1959 gingen noch 90,5 Prozent der Luzerner Wahlberechtigten an die Urne, 1999 waren es immerhin noch 51,8 Prozent. Vier Jahre später sank die Beteiligung erstmals unter die 50-Prozent-Marke (49,7), und der Niedergang ging weiter. Bei den letzten Wahlen 2011 sank die Wahlbeteiligung auf das Rekordtief: Nur 43,5 Prozent der 254 503 stimmberechtigten Luzerner machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch (siehe Grafik).
Zwischen den Wahlkreisen und Gemeinden ergaben sich jedoch riesige Unterschiede. Klar am fleissigsten gewählt wurde im Wahlkreis Entlebuch die Quote betrug 56,2 Prozent. In allen anderen Wahlkreisen lag die Quote ebenfalls bei über 40 Prozent – mit Ausnahme der Stadt Luzern, wo sie 38,4 Prozent betrug. Auf Platz zwei der Wahlbeteiligungsrangliste liegt der Wahlkreis Willisau (49,1 Prozent), gefolgt von den Wahlkreisen Sursee (48,1 Prozent), Hochdorf (40,3 Prozent), Luzern-Land (40,1 Prozent) und eben Luzern-Stadt.
Der stetige Rückgang der Wahlbeteiligung kann erstaunen, wenn man einige Fakten betrachtet:
Gerade der letzte Punkt könnte laut Politologe Mark Balsiger jedoch ein Grund für die sinkende Wahlbeteiligung sein: «631 Kandidaten sind eine riesige Menge auch wenn sie sich auf die sechs Wahlkreise aufteilen.» Man dürfe dabei nicht vergessen, dass viele Menschen eine grosse Distanz zur Politik hätten. «Die fühlen sich bei einem solchen Angebot schnell überfordert.» Diese Überforderung könnte auch mit dem Mangel an politischer Bildung zu tun haben. «Sie ist in den letzten zehn, fünfzehn Jahren gehörig unter die Räder gekommen», sagt Balsiger. «Die politischen Diskussionen am Familientisch finden kaum mehr statt, und die Vermittlung an den Schulen ist – sofern es sie noch gibt – lückenhaft oder, schlimmer noch: lustlos.» Das sei gravierend. «Wenn man bei den 15- bis 18-Jährigen das Interesse für Politik nicht wecken kann, dann hat man sie für immer verloren. Sie bleiben ein Leben lang apolitisch.»
Dennoch kann sich Balsiger für den 29. März eine Trendumkehr vorstellen. «Die Regierungsratswahlen könnten für die Wahlbeteiligung zur Lokomotive werden. Die spannende Ausgangslage um den frei werdenden SP-Sitz, die Kandidatur der SVP und die Konstellation mit dem parteilosen Regierungsrat Marcel Schwerzmann könnte die Stimmberechtigten mobilisieren.»
Grundsätzlich sieht Mark Balsiger die tiefe Wahlbeteiligung jedoch nicht problematisch: «Wir sind in der angenehmen Position, dass wir auf allen drei Ebenen regelmässig über wichtige Themen abstimmen können. Deshalb sind die Wahlen nicht so entscheidend wie zum Beispiel in Deutschland.» Wer sich betroffen fühle, gehe abstimmen. «Und das machen die Schweizer. Untersuchungen haben gezeigt, dass 80 Prozent der Stimmberechtigten während einer vierjährigen Legislatur mindestens einmal ihr Stimm- und Wahlrecht wahrnehmen. Das ist im europäischen Vergleich eine beeindruckende Zahl.»
Die Machtverhältnisse sind in Bewegung: Noch 1991 waren bloss vier grössere Parteien im Parlament vertreten (CVP, FDP, SP und Grüne), die CVP hatte mit 82 von 170 Sitzen eine klare Übermacht. 1995 startete die SVP ihren Siegeszug. 2011 schaffte die GLP auf Anhieb den Sprung in den Kantonsrat. Und auch dieses Jahr versuchen mit der BDP und der EVP zwei national bekannte Parteien, den Sprung ins Parlament zu schaffen.