Immer wieder wird Manuela Jost kritisiert, ihre Projekte kämen zu langsam vorwärts. In den nächsten vier Jahren will sie handfeste Ergebnisse liefern.
Christian Glaus
Rein rechnerisch gehört Baudirektorin Manuela Jost (53, GLP) nicht in den Luzerner Stadtrat. Ihr Sitz würde der SVP zustehen, die in diesem Jahr mit Parteipräsident Peter With einen Kandidaten mit intakten Wahlchancen ins Rennen schickt. Entsprechend ist es Josts Stuhl, der bei den Gesamterneuerungswahlen am 1. Mai am stärksten wackelt. Die GLP kam 2012 auf einen Wähleranteil von 7,5 Prozent, die SVP auf 16,8 Prozent. Geht der Sinkflug der GLP weiter (sie verlor 2015 in Luzern einen Kantonsrats- und ihren einzigen Nationalratssitz), schwindet ihre Legitimation, eine Stadträtin zu stellen, weiter. Erschwerend kommt für Manuela Jost hinzu, dass sie weder von linker noch von bürgerlicher Seite unterstützt wird. Sie kann auch nicht auf Schützenhilfe des Stadtluzerner Wirtschaftsverbands zählen, der nur die Kandidaten der etablierten bürgerlichen Parteien unterstützt. Fabian Reinhard, Präsident der FDP Stadt Luzern, sagt zur Politik von Manuela Jost: «In finanzpolitischen Fragen vertritt sie bürgerliche Anliegen, bei verkehrspolitischen Geschäften schlägt ihr Herz dagegen sehr weit links. Grün ist sie, liberal nicht.» Etwas anderer Meinung ist Korintha Bärtsch, Fraktionschefin der Grünen. Jost sei klar eine bürgerliche Politikerin: «Zwar spürt man ihr ökologisches Denken, doch finanzpolitisch positioniert sie sich klar bürgerlich.» Jost selbst bezeichnet sich als Mittepolitikerin.
Vor vier Jahren war die Ausgangslage noch eine andere. Zwar musste Jost auch damals im ersten Wahlgang als Einzelkämpferin antreten. Doch im zweiten Wahlgang erhielt sie die Unterstützung von FDP und CVP – und wurde mit 8725 Stimmen gewählt. Beat Züsli (SP), der in diesem Jahr wieder kandidiert, kam hinter Jost auf 8026 Stimmen, Rolf Hermetschweiler (SVP) nur auf 3488.
Trotz erschwerter Ausgangslage muss sich Jost nicht schon auf Stellensuche begeben. Ihre Chancen, im Amt bestätigt zu werden, sind gut. Dies insbesondere, weil sie als Stadträtin von einem höheren Bekanntheitsgrad und einem Bisherigen-Bonus profitiert. Hinzu kommt, dass ihr die anderen Parteien bei der Nomination ihrer Kandidaten in die Hand gespielt haben. Karin Stadelmann (30, JCVP) ist neben Jost die einzige Frau, die zur Wahl antritt. Wird Jost abgewählt, dürfte die Stadt künftig von fünf Männern regiert werden. Jost darf also auch von Wählern Stimmen erwarten, die zwar nicht voll hinter ihrer Politik stehen, aber eine reine Männerregierung verhindern wollen.
Die Arbeit von Manuela Jost im Luzerner Stadtrat hatte mit einem Paukenschlag begonnen. Am 3. September 2012 war der erste offizielle Arbeitstag der frisch gewählten Stadträtin. Nur 20 Tage später musste sie zu einer ersten politischen Niederlage Stellung nehmen: Das städtische Stimmvolk hatte mit 61 Prozent Ja gesagt zum Bau von gemeinnützigen Wohnungen auf dem Industriestrasse-Areal. Nur 40 Prozent stimmten für den vom Stadtrat bevorzugten Verkauf an die Immobilienfirma Allreal. Noch am Abstimmungssonntag äusserte die FDP die Befürchtung, dass an der Industriestrasse für die nächsten fünf Jahre nichts geschieht. Jost entgegnete damals, sie glaube nicht, dass es so lange dauere. Doch die Freisinnigen lagen mit ihrer Befürchtung richtig. Nach einem aufwendigen partizipativen Prozess konnten sich Stadt und Baugenossenschaften erst vor wenigen Wochen auf einen Baurechtsvertrag einigen. Nach den Plänen der Genossenschaften sollen die ersten Gebäude 2021, die letzten 2024 bezugsbereit sein.
Viel Zeit braucht die Baudirektorin auch bei der Umsetzung der Wohnrauminitiative. Im Juni 2012 – noch in der Zeit von Baudirektor Kurt Bieder (FDP) – nahmen die Stadtluzerner die Initiative gegen den Willen des Stadtrats an. Das Volksbegehren verlangt, dass in 25 Jahren 2100 gemeinnützige Wohnungen geschaffen werden. Dieses Jahr musste Jost in einer Interpellationsantwort eingestehen, dass seit der Annahme der Initiative erst 150 neue Wohnungen hinzugekommen sind, grösstenteils durch Verdichtung. In ihrer Interpellation warfen FDP, SP und Grüne im Februar dem Stadtrat vor, dass es mit der Schaffung von gemeinnützigem Wohnraum kaum vorwärtsgehe. Der Stadtrat hingegen sieht sich auf Kurs: In den nächsten zehn Jahren könnten auf verschiedenen städtischen Arealen über 1000 neue gemeinnützige Wohnungen entstehen. Mit der Bernstrasse und der Industriestrasse machte die Stadt einen Anfang. Bis 2024 werden dort rund 300 Genossenschaftswohnungen gebaut.
Vorwärts machen könnte die Stadt beim Urnerhof und im Gebiet Steghof. Doch hier tritt Manuela Jost auf die Bremse. Sie will die Bau- und Zonenordnung (BZO), die 2014 in Kraft getreten ist, bereits einer Teilrevision unterziehen. Beim Urnerhof soll höher gebaut werden, und im Gebiet Steghof sollen das Kleinmatt- und das Bireggareal zusammen entwickelt werden. Diese Möglichkeit ergibt sich durch den Wegzug der Feuerwehr. Die Teilrevision der BZO soll bis 2017/18 vollzogen werden.
Doch der Baudirektorin vorzuwerfen, sie arbeite generell zu langsam, wäre falsch. So wollte sie bei der Entwicklung des Pilatusplatz-Areals vorwärtsmachen und das Projekt mit einem Investor zusammen bis zur Baureife entwickeln. Das Parlament wollte jedoch nicht, dass die Stadt selbst mitplant. Zudem wollte eine Mehrheit Klärung in Sachen Stadtbildinitiative. Dieses Volksbegehren, das mehrere Hochhausstandorte verhindern will, ist noch vor Kantonsgericht hängig. Die Planung dürfte wohl für Jahre auf Eis liegen. Aus Sicht der Stadt ist dies bedauerlich, da am Pilatusplatz seit Jahren dringend benötigte grosse Büroflächen geschaffen werden könnten. Dass es Jost nicht geschafft hat, das Parlament auf ihre Seite zu ziehen, darf denn auch als ihre grösste Niederlage bezeichnet werden.
Dass es auch schneller geht, bewies Jost mit zwei Grundstückverkäufen. Im November 2014 und am 28. Februar dieses Jahres stimmten die Luzerner dem Verkauf der Mattenhof-Grundstücke klar zu. Auch verschiedene Schulhaussanierungen brachte die Stadträtin zügig durch. Und Gas geben will sie im Baudepartement selbst. Seit kurzem werden die Baubewilligungsverfahren elektronisch abgewickelt. Das soll die Effizienz steigern.
Insgesamt hat Manuela Jost in ihrer Amtszeit sieben von acht Abstimmungen gewonnen. Verloren hat sie nur jene über die Industriestrasse. Der Abstimmungskampf fiel aber grösstenteils noch in die Amtszeit von Kurt Bieder. Mit der Kritik, sie komme mit ihrer Arbeit zu wenig schnell vorwärts, kann Jost leben: «Dieser Kritik ist jeder Baudirektor ausgesetzt – auch schon meine Vorgänger.» Stolz ist sie, dass sie für die Umsetzung der Wohnrauminitiative die Genossenschaften zur Zusammenarbeit bewegen konnte. «Das gibt es in dieser Form ausserhalb der Stadt Luzern nicht.»
Nicht gelten lässt sie die Kritik, die Arealentwicklungen würden zu lange dauern: «Ich habe den Anspruch, dass es ‹verhebt›. Solche Projekte kann man nicht einfach in einer Legislatur durchziehen.» Bei der Arealentwicklung müsse man für einen Zeitraum von 80 bis 100 Jahren planen. Jost gesteht aber ein, dass es manchmal auch für sie zu langsam vorwärtsgeht. Sie habe unterschätzt, wie lange die Prozesse dauern würden. «Früher war ich eine Macherin. Nun brauche ich mehr Geduld.» Dennoch ist sie überzeugt, dass es gerade bei der Schaffung von günstigem Wohnraum in den nächsten Jahren zügig vorwärtsgeht. «Vieles ist aufgegleist. Jetzt kann man ein Projekt nach dem anderen vorantreiben.»
Die politischen Konkurrenten von Manuela Jost stellen ihr ein mehrheitlich gutes Zeugnis aus. «Sie macht einen guten Job und ist dossierfest», sagt Franziska Bitzi Staub, Fraktionschefin der CVP. Jost könne gut argumentieren, sei hart im Inhalt und vertrete die Interessen der Stadt gut. Allerdings wolle sie es zu vielen recht machen. Mit dieser Einschätzung ist sie nicht allein. Korintha Bärtsch, Fraktionschefin der Grünen, sagt, sie wünsche sich von Jost mehr politische Streitlust. Erfolgreich sei die Baudirektorin dann, wenn ihre Vorlagen auf einer Welle mitreiten können – etwa beim gemeinnützigen Wohnungsbau. Bei umstrittenen Vorlagen (Pilatusplatz) «vermisse ich bei Manuela Jost die Ausdauer, für die eigene Idee zu kämpfen». Kampfgeist vermisst auch Fabian Reinhard: «Es ist kaum spürbar, dass Manuela Jost mit Herzblut und Engagement Ziele verfolgt.» Hart ins Gericht geht er mit Josts Vorgehen am Pilatusplatz. «Sie hat einen derart etatistischen Vorschlag unterbreitet, dass selbst die linken Parteien das Vorgehen abgelehnt haben. Die Baudirektion verkommt zur Planungsdirektion.»
3 Fragen an Manuela Jost
Sie waren vorletzte Woche in den Ferien. Können Sie sich das mitten im Wahlkampf überhaupt leisten?
Das war sogar wichtig, um Energie zu tanken. Nun bin ich bereit für den Endspurt mit vielen Podien und Auftritten in den kommenden drei Wochen.
Wie sehr schmerzt es, dass Sie im Gegensatz zu den letzten Wahlen nicht mehr von den bürgerlichen Parteien unterstützt werden?
Auch bei den letzten Wahlen haben sie mich erst im zweiten Wahlgang unterstützt. Der Unterschied ist also nicht sehr gross. Zudem habe ich ein breites Komitee im Rücken, das parteiübergreifend aufgestellt ist.
Sie waren früher Geschäftsführerin einer Yogaschule. Seit vier Jahren geben Sie selbst keine Kurse mehr. Wie beweglich sind Sie noch?
Ich bin noch gleich beweglich wie früher oder sogar beweglicher. Ich trainiere noch immer gleich viel – zudem macht mich meine tägliche Arbeit sehr beweglich und hält mich fit.
Manuela Jost (53) ist in Bern geboren und hat dort Ethnologie sowie Ökonomie studiert. Seit 1999 lebt sie mit ihrem Partner in Luzern. Bevor sie 2012 in den Stadtrat gewählt wurde, arbeitete Jost als Dozentin und Studiengangleiterin an der Hochschule Luzern. Zudem leitete sie ein Yogastudio in Root. Politisch war sie drei Jahre im Grossen Stadtrat und ein Jahr im Kantonsrat für die GLP tätig. Ende 2013 wurde bei Jost Brustkrebs diagnostiziert. Mitte Januar 2014 nahm sie nach einer Operation die Arbeit wieder auf.
Der grösste Erfolg: Verkauf der beiden Mattenhof-Areale auf Krienser Gemeindegebiet an die Eberli Sarnen AG (28. 2. 2016) und an die Immobilienfirma Mobimo.
Die grösste Niederlage: Stadtparlament stoppt das Hochhausprojekt am Pilatusplatz und bremst damit Manuela Jost, die das Projekt schnell vorantreiben will, aus (25. September 2015).