Rund ein Dutzend Kantonsratskandidaten sind in einem anderen Wahlkreis als in jenem ihres Wohnorts gelistet. Grosse Parteien haben dafür andere Gründe als kleine.
Alexander von Däniken
Am Sonntag wird bekannt, welche der 631 Kandidaten für die nächste Legislatur in das 120-köpfige Luzerner Kantonsparlament gewählt werden. Gut möglich, dass unter den künftigen Legislativpolitikern auch Personen sind, die es ohne die Unterstützung ihres Wohnorts ins Parlament geschafft haben. Denn rund ein Dutzend aller Kandidaten sind in einem anderen Wahlkreis gelistet als in jenem ihres Wohnorts. Das zeigen ein Blick auf alle Wahllisten des Kantons Luzern und Abgleiche mit dem Telefonbuch.
Ist das überhaupt erlaubt? Ja, sagt das Luzerner Stimmrechtsgesetz. Dieses schreibt nur vor, dass die Kandidaten ihren Wohnort im Kanton Luzern haben und stimmberechtigt sind. Ausserdem müssen Wahlvorschläge bei kantonalen Wahlen von 30 Stimmberechtigten unterzeichnet werden. Diese müssen allerdings aus jenem Wahlkreis stammen, für den der Kandidat antritt, wie das Amt für Gemeinden auf Anfrage erklärt. Diesbezüglich habe noch keine Kandidatur für ungültig erklärt werden müssen, so das Amt weiter.
Unter den Kandidaten, die in fremden Wahlkreisen nach Stimmen fischen, gibt es prominente Namen wie der bisherige CVP-Kantonsrat Gianmarco Helfenstein (63), der seit 2012 in der Stadt wohnt, sich aber im Wahlkreis Luzern-Land aufstellen liess. Für Helfenstein war das eine Herzensangelegenheit, schliesslich war er acht Jahre Gemeinderat und -ammann in Horw, wie er auf Anfrage erklärt: «Auch heute bin ich mit Horw noch sehr stark verbunden und dort in vielen Vereinen engagiert.» Nun wohne er mit seiner Frau im Luzerner Elternhaus, das lange leer gestanden sei. Im Januar wurde er durch die Parteileitung und Nominationsversammlung der Ortspartei Horw als Kantonsratskandidat aufgestellt. Helfenstein erhofft sich auch ein grösseres Wählerpotenzial, weil er in Horw bekannt ist und deren Stimmbürger ihn wählen können. Entscheidend sei das aber nicht: «Schliesslich hat man als Kantonsrat den ganzen Kanton im Auge.»
Mit Peter Portmann (64) ist selbst ein aktiver Gemeindepolitiker in einem anderen Wahlkreis gelistet als in jenem seines Wohn- und Wirkungsorts. Portmann ist Einwohnerratspräsident in Kriens und wohnt dort – kandidiert aber für die SVP-Kantonsratswahlen im Wahlkreis Luzern-Stadt. Das hat laut SVP-Parteipräsident Franz Grüter wahltaktische Gründe: «Im Wahlkreis Luzern-Land haben wir so viele gute Kandidaten, dass wir lieber jemanden für einen anderen Wahlkreis aufstellen, als zu stark zu selektionieren.» Da Portmann zu den bekannteren Namen zähle, habe man sich mit ihm abgesprochen und entsprechend gehandelt.
Auf den ersten Blick etwas verwirrender ist die Situation bei den Jungen Grünen. Irina Studhalter (21), die auch für den Regierungsrat kandidiert, stammt aus Malters, ist aber wie ihr Bruder Jona (19) im Wahlkreis Luzern-Stadt gelistet. Und im Wahlkreis Luzern-Land tritt Tobia Costumati (21, Luzern-Stadt) an. Gian Waldvogel, Co-Präsident der Jungen Grünen, erklärt, dass die Geschwister Studhalter mittlerweile in der Stadt wohnen und dort auch ihr Netzwerk aufgebaut hätten. Tobia Costumati wiederum wohne erst seit kurzem in der Stadt, sei hingegen in Adligenswil noch stark verwurzelt, weshalb er auf der Landliste steht. «Die Wahlchancen unserer Partei schätzen wir in der Stadt und der Agglomeration am besten ein, weshalb wir uns auch darauf konzentrieren», so Waldvogel. Auch hier sei die Strategie mit den Kandidaten abgesprochen worden.
avd. Wer das dicke Couvert zu den Kantonsrats- und Regierungsratswahlen noch nicht geöffnet hat: Bis zum Wahltag, 29. März, ist noch etwas Zeit. Für die Regierungsratswahlen gilt es, eine Liste auszuwählen. Das kann eine vorgedruckte oder die Blankoliste sein. Es dürfen maximal fünf Namen darauf stehen und kein Name mehr als einmal. Es können Namen durch andere ersetzt werden (panaschieren).
Auch bei den Kantonsratswahlen ist nur eine Liste gültig. Hier kann nicht nur panaschiert, sondern auch kumuliert werden: Ein Name darf maximal zwei Mal aufgeführt werden. Für jeden Wahlkreis gilt eine Obergrenze an möglichen Kandidaten, welche nicht überschritten werden darf. Werden Wahllisten verändert, müssen die Änderungen handschriftlich sein. Und: nicht vergessen, den Stimmrechtsausweis zu unterschreiben.
ca. Bei den Luzerner Regierungsratswahlen ist es so gut wie sicher, dass es am 10. Mai zu einem zweiten Wahlgang kommt. Grund dafür ist das Stimmrechtsgesetz, das die Hürde für das absolute Mehr hoch ansetzt: Im Kanton Luzern wird dieses auf Basis der abgegebenen Stimmzettel ermittelt. Das heisst, die Zahl der Stimmzettel wird im ersten Wahlgang durch zwei geteilt, aufgerundet auf die nächsthöhere Zahl ergibt das absolute Mehr.
Rechenbeispiel 1:
Abgegebene Stimmzettel 10 000 ÷ 2 = 5000.Aufgerundet auf nächsthöhere Zahl: 5001 = absolutes Mehr
Bei dieser Methode, die zum Beispiel auch in Nidwalden, Obwalden und Uri angewandt wird, kommt es also nicht darauf an, wie viele der fünf Linien der Wähler bei der Luzerner Regierungsratswahl wirklich ausgefüllt hat. Im zweiten Wahlgang zählt dann das relative Mehr: Diejenigen Kandidaten mit den meisten Stimmen sind gewählt.
Es geht aber auch anders, wie zum Beispiel die Kantone Schwyz und Zug und auch Zürich, wo am 12. April gewählt wird, zeigen. Hier ergeben alle gültig ausgefüllten Linien eine Totalstimmenzahl. Leere Linien senken so die Höhe des absoluten Mehrs. Für die Ermittlung des absoluten Mehrs wird die Totalstimmenzahl durch die Anzahl zu vergebende Sitze geteilt und das Ergebnis nochmals halbiert. Mit dieser Variante sind zweite Wahlgänge viel seltener. 2012, bei den Wahlen für den siebenköpfigen Schwyzer Regierungsrat, erreichten beispielsweise alle acht Kandidaten das absolute Mehr im ersten Wahlgang.
Rechenbeispiel 2:
Ausgefüllte Linien 45'000 ÷ 5 (Anzahl Regierungsratssitze) = 9000 ÷ 2 = 4500 = absolutes Mehr
Auch der Luzerner Regierungsrat hat diese Variante durchgerechnet: Bei den Wahlen 2011 erreichte einzig Guido Graf im ersten Wahlgang das absolute Mehr (53 242 Stimmen), die übrigen vier Sitze mussten im zweiten Wahlgang verteilt werden. Mit der zweiten Methode wäre bereits im ersten Wahlgang alles klar gewesen: Das absolute Mehr von 34 998 Stimmen hätten nebst Graf auch Yvonne Schärli, Marcel Schwerzmann, Robert Küng, Reto Wyss und Esther Schönberger erreicht. Damit wären bereits im ersten Wahlgang jene Kandidaten gewählt worden, die 2011 nach dem zweiten Wahlgang in die Regierung gewählt wurden. Schönberger mit der niedrigsten Stimmenzahl wäre als überzählig aus der Wahl gefallen.
Die Übernahme der zweiten Methode war auch in Luzern bereits ein Thema: 2011 hat der Kantonsrat ein entsprechendes Postulat von Christina Reusser (Grüne, Ebikon) mit 53:52 Stimmen für erheblich erklärt. Der Regierungsrat hatte dieses Ansinnen unterstützt. Das daraus resultierende neue Stimmrechtsgesetz wurde jedoch in der Vernehmlassung 2013 von CVP, SVP, FDP, SP und GLP klar abgelehnt. Aufgrund der Rückmeldungen wurde das Postulat im Juni 2013 auf Empfehlung der Regierung vom Kantonsrat abgeschrieben.