Wasserturm und Museggtürme: Stadt Luzern will Verträge neu verhandeln, Zünfte befürchten höhere Mieten

Seit Jahrzehnten sind in den mittelalterlichen Türmen der Stadt Luzern Zünfte und Vereine eingemietet. Jetzt überarbeitet die Stadt die Verträge. Die Zünfte und Vereine befürchten, dass die Nutzung für sie dadurch teurer werden könnte.

Hugo Bischof
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Die Turmstube im Wasserturm Luzern. Genutzt wird dieser seit beinahe 100 Jahren vom Artillerieverein Luzern. (Bilder: Jakob Ineichen, Luzern, 25. September 2019)

Die Turmstube im Wasserturm Luzern. Genutzt wird dieser seit beinahe 100 Jahren vom Artillerieverein Luzern. (Bilder: Jakob Ineichen, Luzern, 25. September 2019)

Es ist eine Win-Win-Situation: Die Stadt Luzern überlässt den Wasserturm, den Rathausturm und vier Museggtürme seit Jahrzehnten zur Nutzung an Zünfte und Vereine – gegen einen bescheidenen Mietpreis, schätzungsweise zwischen 1400 und 3600 Franken pro Jahr. Dafür müssen die Zünfte und Vereine für den kostspieligen Unterhalt der Türme sorgen – hier spricht man von jährlich mehreren zehntausend Franken. Jetzt ist das «gentleman’s agreement» in Gefahr, denn die Stadt will die Nutzungsverträge anpassen.

Offiziell halten sich die von uns angefragten Zünfte und Vereine bedeckt – «aufgrund der laufenden Vertragsverhandlungen». Insider bestätigen aber, dass eine grosse Verunsicherung herrscht. Befürchtet wird eine Erhöhung des Mietpreises sowie eine Verkürzung der Vertragsdauer, was die Planungssicherheit der Zünfte und Vereine einschränken würde.

Der rund 700-jährige Wasserturm steht mitten in der Reuss, bei der Kapellbrücke. Der Nutzungsvertrag zwischen Artillerieverein und Stadt Luzern wird jetzt neu verhandelt.

Der rund 700-jährige Wasserturm steht mitten in der Reuss, bei der Kapellbrücke. Der Nutzungsvertrag zwischen Artillerieverein und Stadt Luzern wird jetzt neu verhandelt.

Geld fehlt für Finanzierung von Sanierungsarbeiten

Betroffen von den Vertragsverhandlungen ist etwa der Artillerieverein Luzern. Er ist seit beinahe 100 Jahren im Wasserturm eingemietet. Dessen Turmvogt und also solcher für die Wartung des Wasserturms zuständig war in den letzten neun Jahren Renato Steffen. Er hat das Amt vor kurzem abgegeben und nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn man ihn auf die Vertragsverhandlungen anspricht:

«Mit einer Erhöhung des Mietpreises straft die Stadt die Zünfte und Vereine ab, die sehr viel Geld und Zeit in die Instandhaltung der Türme investieren.»
Renato Steffen im Wasserturm mit Blick auf den Schwanenplatz. Steffen ist im März 2019 nach neun Jahren als Turmvogt des Artillerievereins zurückgetreten.

Renato Steffen im Wasserturm mit Blick auf den Schwanenplatz. Steffen ist im März 2019 nach neun Jahren als Turmvogt des Artillerievereins zurückgetreten.

Für Steffen ist klar:

«Wenn wir der Stadt künftig mehr bezahlen müssen, fehlt uns dieses Geld für die Finanzierung des Unterhalts. Das kann nicht im Sinn der Stadt sein. So verleidet man den Vereinen und Zünften ihr Engagement.»

Noch heute investiert der Artillerieverein gemäss Steffen jährlich rund 50 000 Franken in den Unterhalt des Wasserturms. Über die Jahrzehnte hinweg seien dies weit über 2 Millionen Franken gewesen. «Dazu kommen die unzähligen Frondienststunden unserer Mitglieder», sagt Steffen. Er selber habe pro Woche rund 25 Stunden in den Turm investiert – neben seiner beruflichen Tätigkeit.

Der Artillerieverein vermietet den Wasserturm für private Anlässe weiter. Eine einstündige Führung für 45 Personen kostet 100 Franken. Für einen Apéro zahlt man 230 Franken Raummiete. Rund 220 Anlässe seien es pro Jahr. Den Ertrag behält der Verein nicht für sich, sondern investiert ihn in regelmässig notwendige Instandhaltungsarbeiten. «Ohne uns gäbe es die Türme nicht mehr», sagt Steffen. Er erinnert daran, dass die Stadt «die Türme einst nicht mehr wollte und der Abbruch der Kapellbrücke nur knapp verhindert werden konnte». Die Zünfte und Gesellschaften seien damals in die Bresche gesprungen und hätten sich für den Erhalt der Türme eingesetzt:

«Der Artillerieverein hat den Wasserturm von 1928 bis 1932 auf eigene Kosten saniert und wieder in seinen historischen Zustand zurückgeführt.»

Der Nutzungsvertrag mit der Stadt wurde 1939 abgeschlossen und letztmals 1981 erneuert – mit einer 55-jährigen Laufzeit.

«Aufwendungen werden berücksichtigt»

Thomas Christen, seit drei Jahren Präsident des Artillerievereins Luzern, äussert sich vorsichtiger, was die derzeitigen Vertragsverhandlungen mit der Stadt betreffen: «Wir haben ein sehr gutes Einvernehmen mit der Stadt; die Gespräche verlaufen kooperativ.» Man wehre sich nicht gegen notwendige Anpassungen:

«Und wer weiss, vielleicht verändern sich die Bedingungen sogar positiv zu unseren Gunsten.»

Christen verweist darauf, dass beim Mietpreis «die von uns getätigten Aufwendungen berücksichtigt werden».

Im Nölliturm, der den westlichen Abschluss der Luzerner Museggmauer bildet, ist die Safran-Zunft Luzern eingemietet. Bild: Roger Grütter (Luzern, 6. Oktober 2017)

Im Nölliturm, der den westlichen Abschluss der Luzerner Museggmauer bildet, ist die Safran-Zunft Luzern eingemietet. Bild: Roger Grütter (Luzern, 6. Oktober 2017)

Auch die Safran-Zunft ist betroffen

Seit 1922 im Nölliturm eingemietet ist die Safran-Zunft. Auch ihr Nutzungsvertrag wird von der Stadt überprüft. Ebenso wie jener der Wey-Zunft, die sich im Pulverturm trifft. Betroffen sind auch der Tambourenverein, der zusammen mit dem Verein Luzerner Maskenfreunde im Allenwindenturm domiziliert ist; sowie der Verband Luzerner Schreiner, der den Dächliturm nutzen darf. Auch sie müssen den Innenausbau sowie die Unterhalts- und Betriebskosten «ihres» Turms selber finanzieren. Dass dies tüchtig ins Geld gehen kann, zeigt das Beispiel der Fidelitas Lucernensis (deren Vertrag wird ebenfalls neu verhandelt). Sie mietet seit 1979 den Rathausturm und hat in dieser Zeit laut eigenen Angaben 500 000 Franken in dessen Innenausbau investiert (Ausgabe vom 5. Oktober 2018).

Auf der anderen Seite stehen auch hier die Einnahmen durch die Weitervermietung der Türme. Die Safran-Zunft verlangt von Nichtzünftlern für einen Abend im Nölliturm 800 Franken Raummiete (plus 200 Franken Reinigungskosten). Im Pulverturm der Wey-Zunft kostet ein Anlass 500 Franken. Im Allenwindenturm verlangt der Verein Luzerner Maskenfreunde 350 Franken Raummiete. Aber auch dieses Geld wird vollumfänglich für den Turm-Unterhalt aufgewendet.

Stadt will «faire und klare Ausgangslage schaffen»

Was sagt die Stadt zu den Befürchtungen der Zünfte, Gesellschaften und Vereine? «Die Stadt hat sich zum Ziel gesetzt, mit einer vergleichbaren und nachvollziehbaren Vertragsbasis eine faire und klare Ausgangslage für alle bisherigen und zukünftigen Mieter/Nutzer zu schaffen», erklärt Georg Medricky, Projektleiter Portfoliomanagement Immobilien bei der Baudirektion der Stadt Luzern. In diesem Zusammenhang führe die Baudirektion Gespräche mit Vertragsparteien, «bei denen die Verträge diesen Ansprüchen nicht genügen». Medricky:

«Viele der über einen Zeitraum von Jahrzehnten entstandenen Verträge sind teilweise unklar formuliert, bieten Unsicherheiten und genügen nicht den heutigen Ansprüchen.»

Zur Frage einer möglichen Erhöhung der Mietpreise für die Zünfte und Vereine bleibt Medricky vage:

«Ob und in welchem Mass es zu Mietzinsveränderungen kommt, ist Bestandteil laufender Abklärungen.»

Bezüglich Laufzeit der Verträge beschwichtigt er: «Die Stadt strebt aufgrund der bereits guten Zusammenarbeit weiterhin langfristige Laufzeiten an. Auch hier laufen die Abklärungen.» Was dies konkret bedeutet, steht also noch nicht fest. «Sobald die Verträge abgeschlossen sind, treten sie in Kraft», sagt Medricky. Wann, das hänge vom Verlauf der Gespräche ab.