20 000 Besucher werden am kantonalen Musiktag erwartet. Zwei Wochen lang wird das 1800-Seelen-Dorf zur Festmeile – gefeiert wird ein runder Geburtstag.
1,5 Tonnen Pommes frites, 5000 Bratwürste und 12 000 Liter Bier: Ein Dorf rüstet sich für 3500 Musikanten und 20 000 Besucher. Zum ersten Mal in der 100-jährigen Vereinsgeschichte der Musikgesellschaft Wauwil finden das Jugendmusikfest (am Samstag) und der kantonale Musiktag (31. Mai und 1. Juni) im Dorf am Santenberg statt (siehe Kasten). «Unser Vereinsjubiläum ist der Grund, dass wir einen solchen Grossanlass durchführen», sagt André Vogel, seit 15 Jahren Präsident der MG Wauwil und OK-Vizepräsident des Musiktages. Vor gut vier Jahren habe man mit den Vorarbeiten begonnen – nun sei man in den letzten Zügen.
Die nötigen 1250 Helfer sind beisammen, 20 Zivilschützer für den Aufbau des riesigen Festzelts auf der Weiermatt beim Bahnhof organisiert. «Seit einem halben Jahr dreht sich im Dorf alles um dieses Fest.» Seither klingelt auch Vogels Handy alle paar Stunden, 20 Mails beantwortet er jeden Tag. So auch jenes aus dem Entlebuch. Musiker wollten wissen, wie man am besten nach Wauwil reise. Mit Postauto und Zug müsse das Korps bis zu fünf Mal umsteigen, ob es denn nicht eine direktere Verbindung gebe, fragten sie. «Natürlich gibt es die», antwortete Vogel und stellte dem Verein einen persönlichen Fahrplan zusammen. «Im Notfall spiele ich auch den Reiseführer. Für das Wohlbefinden der Gäste machen wir alles.»
Mit «wir» meint Vogel die 36 Mitglieder der MG Wauwil, das 16-köpfige OK und vor allem – seine Frau. Sie kümmert sich um das Sekretariat, druckt tonnenweise Papier aus. Alleine der Einsatzplan der Musikanten umfasst laut Vogel über 200 A4-Seiten. Weitere tausend Blatt Papier wurden an Helfer, Gönner und Vereine verschickt. Gedruckt wird bei Vogels im Akkord – sofern der ausgemusterte Industrie-Drucker mitspielt, den Vogel von einer Firma erhielt. «Vor wenigen Tagen gab das Gerät den Geist auf», sagt er. Ersatzteile mussten her – und zwar schnell. Nur: Woher kriegt man diese für einen alten Drucker, ohne das Budget allzu stark zu belasten? Vogel wandte sich an einen Logistikmanager der Herstellerfirma – selbst ein Musikant aus dem Kanton Zürich, wie sich herausstellte. «Er sponserte uns kurzerhand die Ersatzteile.» So sei das eben unter Musikanten. «Man hilft sich, wo man kann.»
Hilfe bekommt die MG Wauwil von allen Seiten. «Das ganze Dorf mit rund 1800 Einwohnern ist in irgendeiner Form involviert.» Eine Gemeinde brauche ab und zu solche aussergewöhnlichen Feste. «Das schweisst die Bevölkerung zusammen.»
Doch ist Wauwil überhaupt für 20 000 Besucher gerüstet? «Wir sind parat.» Für alle bedenklichen Situationen gebe es ein Notfallszenario. Sollte es etwa in Strömen regnen, wie am letztjährigen Musiktag in Hildisrieden, werde man beim Parkplatzkonzept umdisponieren. «Dann können die Besucher statt auf Wiesen auf den Hauptstrassen parkieren. Shuttlebusse bringen dann die Gäste aufs Festgelände.» Gewünscht sei aber, dass mit Bus und Bahn angereist wird – wie dies ein Drittel aller Musikanten tun wird. «Erstmals an einem Musiktag konnten wir den Teilnehmern stark vergünstigte Bahntickets anbieten», sagt Vogel. 1200 Musiker werden das Angebot nutzen. «Das entschärft die Parkplatzsituation», sagt Vogel und fügt an: «Auch die 12 000 Liter Bier können so sorgenfreier getrunken werden.»
chh. Das Blasmusiktreffen beginnt diesen Samstag mit dem Jugendmusikfest.
Hinweis
Der Eintritt zu den Konzertvorträgen kostet pro Tag 10 Franken, zur Parademusik 5 Franken. Infos zu den Spielzeiten und zum Festgelände: www.musiktagwauwil2014.ch
chh. Vorwärts, Marsch: 24 Frauen heben den linken Fuss – marschieren im Gleichschritt los. Akrobatisch schwingen sie den Bâton in der Luft. Das Korps aus Wauwil ist der einzige Majorettenverein im Kanton Luzern. Viermal werden die 14- bis 20-jährigen Frauen am Kantonalen Musiktag in Wauwil die Paradestrecke abmarschieren. Jeweils vor Beginn des Wettbewerbs zeigen sie eine zehnminütige Tanzeinlage.
Doch was sind Majoretten überhaupt? «Eine Art Cheerleader, einfach ohne Pompons. Dafür mit Stock», sagt Nadja Knuchel, Präsidentin des Vereins. Traditionell begleiten die Frauen Musikformationen bei der Marschparade. «Das ist aber nur die eine Hälfte unseres Programms.» Ein Grossteil der bis zu 15 Aufführungen pro Jahr seien choreografierte Tanzeinlagen auf Bühnen mit moderner Musik ab CD. «Wir verstehen uns als Verein, der das Moderne und das Traditionelle vereint.» Doch können sich die Musikanten auf der Paradestrecke überhaupt konzentrieren, wenn vor ihnen ein Korps von jungen Mädchen in knappen Röcken den Stock akrobatisch schwingt? Knuchel lacht. «Die meisten Musikanten haben in solchen Momente keine Zeit, abgelenkt zu werden.» Und Nicole Peter (18), die seit einem Jahr als Majorin die Majoretten anführt und zugleich Mitglied der Musikgesellschaft Wauwil ist, präzisiert: «Die Musikanten müssen sich auf den Gleichschritt und die Noten konzentrieren, nicht auf uns.» Dies gelinge aber nicht immer.
Zur Gründerzeit anno 1978 seien nicht alle Dorfbewohner über die «eher knappen Uniformen» erfreut gewesen, sagt Knuchel. Junge Mädchen in kurzen Röcken, das gehe doch nicht! «Die Zweifel haben sich aber schnell gelegt.» Heute sei das Korps aus dem Dorf nicht mehr wegzudenken. «Mädchen und Frauen aus der ganzen Region machen mit. Für die meisten Wauwilerinnen gehört es dazu, einmal im Leben eine Majorette gewesen zu sein.» Derzeit zählt der Verein gut hundert Mitglieder, unterteilt in vier Mini-Gruppierungen und die eigentlichen Majoretten. Bereits ab dem Kindergartenalter tanzen Mädchen mit, ab der 3. Oberstufe werden sie ins Korps aufgenommen.
Dass das einzige Majorettenkorps im Kanton Luzern gerade in Wauwil gegründet wurde, ist einem Zufall zu verdanken. An einem Fasnachtsabend Ende der 1970er-Jahre wurde ein französisches Majorettenkorps aus Mulhouse eingeladen. Die Damen verlangten aber eine «furchtbar hohe Gage», wie der Vereinschronik zu entnehmen ist. «Das können wir doch selber auch. Und so flotte Mädchen wie die Franzosen haben wir in Wauwil und Umgebung allemal», soll der damalige Gemeinderat Hans Lütolf gesagt haben. Wenige Monate später wurde das Majorettenkorps Wauwil gegründet. Heute sind die Wauwilerinnen weit über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt. So sind sie jedes Jahr ein fester Bestandteil des Winzerumzuges in Döttingen AG. Und dieses Jahr präsentieren sie den Kanton Luzern an der Olma in St. Gallen.
Die Bezeichnung Majorette kommt aus dem Französischen und geht auf den militärischen Rang des Majors zurück. Damit wird ein junges Mädchen in Uniform beschrieben, das bei festlichen Umzügen paradiert. Ende des 19. Jahrhunderts kamen in den USA die ersten weiblichen Marching Bands mit einem weiblichen Tambourmajor auf. Nach der Art der Gewehrpräsentierübungen begann man den Bâton zu drehen und entwickelte damit Kunststücke. Nach dem 2. Weltkrieg kam dieser Brauch nach Europa – und bis nach Wauwil.