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Weil sein Mastbetrieb mitten im Dorf zu fest stinkt, muss ihn ein Landwirt aus dem Werthensteiner Ortsteil stilllegen – innerst drei Monate. Das sei «Willkür».
Schon seit Jahren herrscht dicke Luft in Schachen, einem Ortsteil von Werthenstein. Und das wortwörtlich. Grund ist der Gestank ausgehend von einem Schweinemastbetrieb, welcher mitten im Dorfkern liegt, umgeben von Wohnhäusern und kleinerem Gewerbe. Bereits mehrfach haben sich Nachbarn beim Landwirt selber und bei den Behörden über die unangenehme Gerüche beschwert – ähnlich wie im «Fall Hofer» in Meggen.
Die Klagen in Schachen haben nun allerdings Folgen. Denn der Bauer muss seinen Stall, der schon seit Jahrzehnten im Dorf steht und derzeit rund 220 Schweine beherbergt, innert drei Monaten stilllegen. Dies hat das Bundesgericht in einem von insgesamt zwei Urteilen entscheiden.
Mit den am Montag kommunizierten Beschlüssen der Lausanner Richter geht ein jahrelanger Rechtsstreit zu Ende. Begonnen hatte er im Jahr 2012, als der Landwirt seinen Stall abreissen und etwas weiter weg neu aufbauen wollte. Mit einer neuen Luftwaschanlage hätten die Gerüche eingedämmt werden sollen. Doch die Baubewilligung konnte nicht erteilt werden. Wie die kantonalen Dienststellen Raum und Wirtschaft sowie Landwirtschaft und Wald monierten, wurde der nötige Mindestabstand zu den bewohnten Zonen nicht eingehalten. Dieser wird jeweils in einem mehrstufigen Verfahren für jeden Betrieb einzeln berechnet und beträgt bei der betroffenen Scheune in Schachen 75 Meter.
An diesen Berechnungen sei nichts auszusetzen, schreibt nun das Bundesgericht im ersten Urteil. Richtigerweise wurden zudem die vor Ort herrschenden Verhältnisse wie der Wind sowie der geplante Bio-Luftwäscher in die Berechnungen des Mindestabstandes einbezogen. Weiter hält das Bundesgericht fest, dass im vorliegenden Fall auch keine Ausnahmebewilligung für den Ersatzbau erteilt werden darf, da das private Interesse nicht dem öffentlichen überwiege.
Somit hatte der Gemeinderat die Baubewilligung für den Ersatzbau der Scheune im Sommer 2017 zu Recht nicht erteilt. Schon damals versuchte man aber, der betroffenen Bauernfamilie bei der Suche nach alternativen Lösungen zu helfen. In Erwägung gezogen wurde etwa, den Stall anderswo in der Landwirtschaftszone zu bauen.
Doch alle Ideen scheiterten. Was blieb, war der Gestank. Und die Klagen aus der Nachbarschaft. So sah sich das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons Luzern schliesslich im Juli 2017 gezwungen, eine Stilllegung des Mastbetriebs innert gut drei Monaten zu verfügen. Das war dem Landwirt eine zu kurze Frist. Vor dem Bundesgericht sprach er von «Willkür» und forderte eine längere Frist ein. Allerdings ohne Erfolg. Das höchste Gericht weist darauf hin, dass der Betroffene seit mehr als zehn Jahren Kenntnis von den übermässigen Geruchsemissionen hat und genug Zeit gehabt hätte, sich um alternative Einnahmequellen zu kümmern.
Der Bauer hat seinen Schweinestall also innert drei Monaten stillzulegen. Kommt er dieser Forderung nicht nach, wird ein Vollstreckungsverfahren eingeleitet. Zudem hat er die Gerichtskosten von total 8000 Franken zu zahlen und den privaten Beschwerdeführer mit 4000 Franken zu entschädigen.
Der Gemeinderat von Werthenstein, der neben der Privatpartei und den kantonalen Stellen zu den Beschwerdegegnern gehörte, nimmt die bundesgerichtlichen Urteile «wohlwollend» zur Kenntnis. Dies insbesondere deshalb, weil die Geruchsemissionen noch stets bestehen und immer wieder Beanstandungen aus der Bevölkerung zur Folge haben, wie Gemeindepräsident Beat Bucheli auf Anfrage sagt.
Der betroffene Landwirt wollte sich gestern vor Ort nicht zum Urteil äussern. Er verwies auf Urs Isenegger, der die Familie in dieser Sache bei der Planung und Beratung unterstützt. Die Urteile seien zwar nicht ganz überraschend ausgefallen, allerdings sei es ein «einschneidender und tragischer Entscheid». «Mit der Schweinemast fällt das halbe Einkommen der Familie weg», so Isenegger. Wenig Verständnis hat er für die festgelegte Frist von drei Monaten, da der Landwirt mit einem Mastzyklus von vier Monaten arbeitet. Erst kürzlich habe er neue Tiere zugekauft. «Bei der Festlegung der Frist haben sich die Bundesrichter offenbar gar nicht mit der Situation vor Ort auseinandergesetzt. Der Bezug zur Praxis fehlt in diesem Fall.»
Wie geht es nun weiter für die Familie? Laut Urs Isenegger wird sie alle Optionen nochmals abwägen. Einer der Söhne sei schliesslich gewillt, den Hof dereinst zu übernehmen. Eine Möglichkeit sei zudem, das Grundstück in Bauland umzuzonen. «Doch auf diesen Antrag haben wir noch keine Antwort von der Gemeinde erhalten.»