Christian Longatti hat schon in Hotels auf der ganzen Welt gearbeitet. Seit März ist er Geschäftsführer des Hotels Hammer, das schweizerischer nicht sein könnte – und wo auch sonst alles ein bisschen anders ist.
Es war ein sonniger Tag, als Christian Longatti (38) mit seinem Volvo auf den schier endlosen Schleifen aus Serpentinen zum ersten Mal ins Eigenthal fuhr. Alles war schneebedeckt, Langläufer trainierten auf der Loipe. Sein Reiseziel war das Hotel Hammer, das 1903 von Anton Hammer gebaut und während 12 Jahren von dessen Enkelin Juliana Hammer betrieben wurde. Nun ist Hammer in Pension gegangen. Der Betrieb suchte einen neuen Nachfolger – Longatti wollte sich das Traditionshaus einmal näher ansehen. Er erinnert sich:
«Ich war begeistert vom Charme des Hotels, von der Authentizität und den vielen Details.»
Ihm wurde klar, dass hier einiges nach anderen Regeln funktioniert: «Hier öffnet man die Hotelzimmer noch mit echten Schlüsseln.» Es gibt auch weder Minibar noch Fernseher in den Zimmern, dafür frisches Quellwasser und Aussicht auf ein Bergpanorama. Hier werden die Nussgipfel von Hand gebacken, das Porzellangeschirr trägt Goldrändchen, der Lebkuchen wird mit Doppelrahm serviert und das Restaurant wird von einem rustikalen Kachelofen geheizt. Ein Foto dieses Ofens kursiert übrigens auf Instagram, darunter folgender Kommentar eines Hotelgasts:
«It can’t get any more Swissish!»
Dem stimmt Christian Longatti zu: Schweizerischer könnte das Hotel Hammer wirklich nicht sein. Gerade deshalb überrascht es, dass Christian Longattis Weg ausgerechnet ins Eigenthal führte, in ein Haus, das – eben – «schweizerischer» kaum sein könnte. Denn Longatti hat einen Grossteil seiner Karriere überall verbracht – nur nicht in der Schweiz. Er war in Sydney, in Neuseeland und London. Nach seiner Ausbildung zum Koch und dem Abschluss der Rekrutenschule ging er eigentlich wegen eines Sprachaufenthalts nach England – «wie man es halt so macht». Schlussendlich kochte er «dank vielen glücklichen Zufällen» im prestigeträchtigen Londoner Hotel Hilton.
Sein damaliger Vorgesetzter händigte ihm schliesslich eine Stelle in Christchurch, Neuseeland, zu, dann reiste er weiter nach Sydney, wo er vier Jahre kochte. Nach einem Hotellerie-Masterstudium holte sich Longatti in den Bündner Bergen schliesslich das Kontrastprogramm zu seinen Wanderjahren. So war er in Arosa in renommierten Sternehäusern tätig, zuletzt etwa als Vize-Direktor vom Waldhotel National. Dazu sagt Longatti:
«Arosa ist wunderschön, aber schon abgelegen.»
Er betont, dass seine neue Stelle das Grossstadtleben und die Abgeschiedenheit perfekt miteinander vereine: «Das Eigenthal ist ein wunderbares Naherholungsgebiet, aber dennoch bin ich in 20 Minuten in der Stadt.» Wer glaubt, Longatti will mit dem Hotel Hammer – ganz nach dem Vorbild seiner Vorgängerbetrieben – ebenfalls auf Sterne- und Gourmetpunktejagd gehen, täuscht sich: «Das passt nicht zu einem Ort wie dem Eigenthal.» Man könne auch ohne Sterne und Gourmetpunkte qualitativ hochstehender Service bieten, sagt Longatti, um dann zu präzisieren:
«Wir sind ein Naherholungsgebiet, ein Ausflugsort, eine Wanderdestination und kein Cüpli-Hotel.»
In Frack und weissen Handschuhen werde man ihn also definitiv nie servieren sehen, lacht er. Der Weinliebhaber, der momentan italienisch lernt und das Jumbo-Cordon Bleu «mit feinem Walliser Käse und Schinken» auf der Menukarte als seine Leibspeise bezeichnet, möchte seine Handschrift anders in den Betrieb einbringen. Etwa, indem er künftig den Fokus stärker auf aktuelle kulinarische Trends legt wie etwa mit «leichteren Gerichten» auf der Nachmittagskarte oder der Zusammenarbeit mit regionalen Produzenten. So kommen die Forellen sowie das Rinds- und Wollschweinfleisch bald von einem Bauern in Schwarzenberg, die Eier werden von den Nachbarshühnern bezogen und auch Weine aus der Region sollen bald die Getränkekarte erweitern.
«Mit den Produzenten im Austausch zu stehen und zu wissen, woher das Produkt kommt, das man verarbeitet, finde ich wichtig.»
Solche und weitere «feine Veränderungen» wird Longatti in den nächsten Wochen Stück für Stück implementieren. Dabei nutzt er die Gelegenheit, um die Gegend noch besser kennenzulernen, beim Wandern und Spazieren etwa – und im Winter beim Langlaufen: «Da bin ich nämlich noch kaltblütiger Anfänger.»