WILLISAU: Wie man mit Toten umgeht

21 Kandidaten absolvieren in Willisau die Fachprüfungen zum Bestatter. Nachwuchssorgen kennt die Branche nicht – auch dank einer Fernsehserie.

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Werner Pally schmückt den Sarg, in dem ein fiktiver Toter liegt – dies gehört zum praktischen Teil der Fachprüfung für angehende Bestatter, die in Willisau bei der Bestattungen Hauser AG stattfindet. (Bild Dominik Wunderli)

Werner Pally schmückt den Sarg, in dem ein fiktiver Toter liegt – dies gehört zum praktischen Teil der Fachprüfung für angehende Bestatter, die in Willisau bei der Bestattungen Hauser AG stattfindet. (Bild Dominik Wunderli)

Roseline Troxler

Fünf Todesfälle ereignen sich an diesem Tag in Willisau. Das bedeutet Arbeit für die Bestatter. Bei den Verstorbenen, die eingesargt werden, handelt es sich aber nicht um echte Personen, sondern um Puppen. Die Todesfälle sind fiktiv. Sie dienen Bestattern, die den eidgenössischen Fachausweis erlangen möchten, dazu, die Prüfungsexperten von ihren Fähigkeiten zu überzeugen.

Vater hat Särge hergestellt

Werner Pally (49) aus Meltingen SO ist einer von 21 Kandidaten, der in diesen Tagen bei der Bestattungen Hauser AG in Willisau seine Prüfung absolviert. Seit 20 Jahren arbeitet er bereits auf dem Beruf, möchte nun aber den Fachausweis erlangen. Der Auslöser für seine Berufswahl war ein tragisches Ereignis, als er 25 Jahre alt war. Sein Vater starb bei einem Autounfall. «Der Bestatter hat mich damals sehr enttäuscht. Er ist überhaupt nicht auf unsere Wünsche eingegangen.» Irgendwann kam dann die Idee, es selber besser zu machen.

Zunächst hat Werner Pally bei verschiedenen Bestattungsunternehmen geschnuppert. «Der Umgang mit den Toten ist nicht einfach. Ich musste diesen zunächst lernen.» Wichtig sei es, die Arbeit mit einer inneren Ruhe anzugehen. Und: «Ich will mir für die Angehörigen viel Zeit nehmen.» Und irgendwie liegt es Werner Pally doch im Blut, das Bestattungswesen. «Mein Vater besass eine Schreinerei und hat da auch Särge hergestellt.» So erstaunt es nicht, dass Pally heute zwei Firmen führt – ein Bestattungs- und ein Schreinerunternehmen.

Beratungsgespräch macht nervös

Die Weiterbildung bedeutet für Pally «alles, was ich im Kopf habe, auch auf Papier zu bringen». Ziel sei es, die Firma besser zu strukturieren und so aufzustellen, dass er sie eines Tages auch weitergeben könnte. Pally arbeitet ruhig und konzentriert, während er die Puppe anzieht, ihr die Schuhe überzieht, ein Kissen unter den Kopf legt. Die Handgriffe sitzen. Er schmückt den Sarg rund um den fiktiven Toten sorgfältig mit bunten Blättern. Denn dieser hat laut Prüfungsaufgabe gerne im Wald gearbeitet und wurde dort erhängt aufgefunden.

Jeder Prüfling erhält eine eigene Aufgabe – mit einem inszenierten Todesfall. So stirbt eine Person im Wohnwagen, eine weitere bricht auf der Toilette zusammen.

Entscheidend ist in allen Fällen das Beraten der Angehörigen – von der Art der Bestattung bis zur Wahl des Sarges. Das Beratungsgespräch ist denn auch der wichtigste Teil der Prüfung. Es führt bei den Kandidaten zur grössten Nervosität. Weiter sie auch beim schriftlichen Teil überzeugen. Da geht es etwa darum, eine Todesanzeige zu verfassen, die Kosten einer Bestattung zu berechnen oder eine Überführung eines Toten vom Ausland zu organisieren. Zudem müssen die Kandidaten einen Test von 900 Fragen mit Antwortmöglichkeiten lösen.

Zahl der Bewerbungen gestiegen

Adrian Hauser hat sein Geschäft in Willisau für die Prüfungen zur Verfügung gestellt. Er ist im Vorstand des Schweizerischen Verbands der Bestattungsdienste Präsident der Ausbildungs- und Prüfungskommission. Nachwuchssorgen kennt er nicht. «Seit ‹Der Bestatter› im Schweizer Fernsehen läuft, zeigen viele Leute Interesse am Beruf», schildert er. «Natürlich haben einige falsche Vorstellungen und eignen sich nicht.»

Hauser ist seit 13 Jahren in der Branche tätig. Nach der Ausbildung zum Konditor-Confiseur hat er zur Polizei gewechselt und sich schliesslich als Bestatter selbstständig gemacht. Was Hauser am meisten herausfordert, ist die Flexibilität, welche der Beruf abverlangt. «Mal ist es zwei Wochen ruhig, und dann sterben drei Menschen an einem Tag.» Viel abverlangen würden auch die teils sehr emotionalen Momente.

Angehörige sind offener geworden

Irene Vitali, Partnerin von Hauser, arbeitet seit einigen Jahren als Bestatterin. Sie schätzt vor allem die Dankbarkeit, die sie von Angehörigen spürt. Laut Irene Vitali hat sich der Umgang der Angehörigen gewandelt. «Sie sprechen heute viel offener über die Wünsche des Verstorbenen und die eigenen Bedürfnisse.» Häufiger würden sich die Angehörigen auch aktiv beteiligen, indem sie beispielsweise Kleider für die Verstorbenen mitbringen oder den Sarg bemalen.

Eine Entwicklung bereitet Adrian Hauser allerdings Sorgen: «Viele wünschen sich, dass ihre Asche verstreut wird. Damit fehlt den Angehörigen aber ein Ort zum Abschiednehmen und zum Sicherinnern.» Es sei deshalb entscheidend, über seine Wünsche zu sprechen. Und: «Wir müssen als Bestatter die Angehörigen beraten und Vor- wie Nachteile verschiedener Bestattungen aufzeigen.»

Problem: Kein geschützter Titel

Adrian Hauser hofft, dass künftig mehr Bestatter einen Fachausweis anstreben. Dass Bestatter kein geschützter Beruf sei, sieht er als Problem. «Jeder kann sich Bestatter nennen. Aus diesem Grund hat der Fachausweis einen hohen Stellenwert.» Erst wer mindestens drei Jahre hauptberuflich oder fünf Jahre nebenberuflich als Bestatter gearbeitet hat, ist zur Ausbildung zugelassen, die zwei Jahre dauert. Laut Hauser gibt es viele Bestatter, die sich kaum mit den Angehörigen austauschen, was er kritisiert. «Der Verband misst der Betreuung und Beratung der Angehörigen einen grossen Stellenwert bei», sagt Hauser und hofft, dass dies auch bei den Prüfungsabsolventen haften bleibt.

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