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Kontaktbars und Bordelle haben im Kanton Luzern je länger je mehr einen schweren Stand. Aktuellstes Beispiel dafür ist Sursee, wo ein neues Reglement den Druck auf eine Kontaktbar erhöht.
Unten Kontaktbar, oben Animierdamen: Rund 30 Jahre lang hatte sich im «Krienbrüggli» in der Luzerner Kleinstadt das horizontale Gewerbe eingemietet. Seit kurzem ist Schluss: Auf das Puff sollen nun Wohnungen folgen.
Das «Krienbrüggli» war einer von rund 110 Sexbetrieben im Kanton. Solche gibt’s auch auf der Landschaft: In St.Erhard («VIP Riviera»), Rickenbach («Studio Blue Rose») oder Hochdorf («Chriesiloch»). Eine Umfrage in Gemeinden mit solchen Etablissements zeigt: Die Hüllen dürfen wohl fallen – aber lieber nicht vor der eigenen Haustüre.
Sempach («A2 – The Club») hat im Jahr 2007 das Bau- und Zonenreglement angepasst und einen Mindestabstand von Sexbetrieben zu Wohnzonen festgelegt. «Aufgrund schlechter Erfahrungen aus früheren Jahren mussten wir feststellen, dass ein Etablissement in unmittelbare Nähe einer Wohnzone zu Störungen und Belästigungen führt», sagt Bruno Häfliger, Leiter des Regionalen Bauamts Oberer Sempachersee.
In Büron («Red Moon Club») besteht wegen der Kontaktbar mitten im Dorf zwar aktuell «kein Handlungsbedarf», sagt Gemeindepräsident Jürg Schär. «Aber mit der Revision des Bau- und Zonenreglementes im Jahr 2021 wird dieses Thema sicher geprüft.»
In Pfaffnau («Hot Dreams») steht dieser Schritt bevor: «Wir haben im Bau- und Zonenreglement neu ein Verbot von Sexgewerbe in Wohnzonen vorgesehen », sagt Gemeindepräsident Thomas Grüter. Der Sexclub in der Industrie – mit dem Werkhof im Erdgeschoss – bereite zwar «gar keine Probleme». Vor Jahrzehnten hatte man aber ein Etablissement in der Wohnzone, das «oft» Schwierigkeiten bereitete.
Auch in Sursee wird im Zuge der Ortsplanungsrevision das Bau- und Zonenreglement angepasst. Die Paragrafen sollen künftig unter anderem Sexgewerbe von der Altstadt fernhalten, wie die «Surseer Woche» berichtete. «Der Artikel über das Verbot solcher Betriebe wurde vorsorglich aufgenommen», sagt Bauvorsteher Bruno Bucher. Bereits mit der Erstauflage der Ortsplanungsrevision wurden in gewissen Gebieten keine Sexbetriebe toleriert.
«Insbesondere auf Wunsch des Quartiervereins Altstadt und Anwohnern soll das Verbot nun auf die ganze Altstadt und die Vorzonen ausgedehnt werden.»
Der Quartierverein spricht von einer «flächendeckenden Lösung », hat aber insbesondere die «Rössli»-Kontaktbar vor Augen. «Diese hat 365 Tage bis weit nach Mitternacht offen und bringt Unruhe mit sich», sagt Präsident Rainer Jacquemai.
Zwar bemühe sich der Betreiber, die Lärmbestimmungen einzuhalten. Auch sei die «Kontaktbar mit Puff» aktuell das einzige Etablissement seiner Art. «Aber wir wollen weg vom Schmuddel-Image, bevor neue Betriebe dazukommen. So, wie das Nachtleben heute läuft, ist es nicht mehr tragbar.» Ab und zu fahre die Polizei vor. «Auch Razzien kommen vor.» Aufgrund der Nachtruhestörungen verlangt der Verein, dass die jetzigen Regeln in puncto Lärm nicht gelockert werden. Für Quartiervereinspräsident Rainer Jacquemai ist klar:
«Ab Mitternacht soll hier Ruhe herrschen.»
Diesen Vorwürfen widersprechen sowohl «Rössli»-Besitzer Ismailaki Ilazi als auch Zahlen der Luzerner Polizei. «Es gibt Meldungen wegen Nachtruhestörungen, aber nicht mehr als andernorts», sagt Sprecher Simon Kopp. «2018 führten wir eine Routinekontrolle durch, von Razzien ist auch in den Vorjahren nichts bekannt.»
Bis auf Weiteres droht dem «Rössli» kein Ungemach: Zunächst muss der Stadtrat nun die 25 Einsprachen gegen das Bau- und Zonenreglement behandeln, die während der zweiten Auflage eingegangen sind. Zudem gilt beim «Rössli» die Bestandesgarantie. Dass der Druck auf den Betrieb durch den neuen Paragrafen steige, sei allerdings nicht von der Hand zu weisen, sagt Bauvorsteher Bucher.
«Der Stadtrat setzt damit ein Zeichen, dass das ‹Rössli› auch in Zukunft gesetzeskonform geführt werden muss. Dazu gehört unter anderem die Verantwortung des Betreibers, ausserhalb seines Lokals in der näheren Umgebung für Ruhe und Ordnung zu sorgen.»
Würden sich Lärmklagen von verschiedenen Personen oder Institutionen wiederholen, «könnte dem Betrieb die Schliessung drohen».
Die Entwicklung in Sursee beobachtet der Verein «Lisa» mit Sorge. Dieser vertritt die Interessen der Sexarbeiterinnen. «Es scheint, als hätte die Verlegung des Luzerner Strassenstrichs in die Gewerbezone Ibach 2012 auf Landgemeinden eine gewisse Signalwirkung gehabt», sagt Präsidentin Yvonne Schärli. Eine Verlagerung gefährde die Sicherheit der Frauen. «Im belebten Städtli spielt die soziale Kontrolle, nicht aber in der unbewohnten Industrie.» Das Argument des Trubels lässt sie nicht gelten. «Bei einem solchen Etablissement handelt sich in der Regel um ein stilles Gewerbe.»
Die Gesellschaft habe «moralische Bedenken» gegenüber diesem Gewerbe. «Eine Kontaktbar stört das Bild des beschaulichen Sursees.» Aber: «Die Tätigkeit im Sexgewerbe ist eine Erwerbsarbeit, dies gilt es zu akzeptieren. Nur weil man das Gewerbe verschiebt, verdrängt man es nicht. Es gibt Kundschaft dafür.» (fi)