Walty Küng gelang, was nicht viele von sich behaupten können. Er bezwang alle Viertausender der Schweiz und des Grenzgebirges. Dabei fing alles bescheiden an.
Matthias Piazza
matthias.piazza@nidwaldnerzeitung.ch
«Für mich ist das ein grossartiges Gefühl, etwas erreicht zu haben, das nicht viele von sich behaupten können. Ich weiss von gestandenen Bergführern, die nicht alle Viertausender geschafft haben», blickt der Ennetbürger Walty Küng (72) auf den 13. August 2016 zurück. Mit der Besteigung des Weisshorns damals auf 4505 Metern im Wallis war sein Ziel erreicht. Er hatte alle 48 Viertausender in der Schweiz und im Grenzgebirge erklommen.
Dabei hat dieses Hobby harmlos angefangen. «Als 20-jähriger Lehrling hat mich ein Arbeitskollege gefragt, ob ich nicht mal Lust hätte, auf eine Bergwanderung mitzukommen», erinnert er sich an die Anfänge zurück. Das war vor über 50 Jahren. Er trat dem SAC Titlis bei. Es folgte mit den Jahren Tour um Tour. Einige weitere Viertausender-Gipfel kamen dazu, darunter auch das Nordend, die Dufourspitze, das Matterhorn und die Signalkuppe mit der höchstgelegenen Hütte in Europa auf 4554 Meter über Meer.
Er heiratete, die Familie wuchs auf sieben Mitglieder an. Das Bergsteigen trat in den Hintergrund. Als die Kinder grösser wurden, hatte er wieder Zeit für seine Leidenschaft – und wollte es noch einmal wissen. Im fortgeschrittenen Alter von 60 nahm Walty Küng wieder einen neuen Anlauf. «Ich war mir gar nicht sicher, ob ich den schweren Rucksack noch zu tragen vermochte», erinnert er sich an den Neuanfang vor rund zehn Jahren zurück. Es klappte. 2004 wurde zu einem intensiven Jahr. Er erklomm zehn weitere Gipfel, darunter auch den Dom, mit 4545 Metern der höchste ganz in der Schweiz gelegene Gipfel. Das Ziel war definiert: «Ich will alle Viertausender in der Schweiz und der Grenzregion besteigen.» Der Weg dorthin sollte steinig werden. «Die schwierigsten Gipfel standen mir noch bevor», erinnert er sich zurück. Auch gefährliche Situationen waren dabei, etwa, als er zu zweit mit Ski unterwegs auf dem Dent d’Hérens im schweizerisch-italienischen Grenzgebiet unterwegs war. Auf ungefähr 3800 Metern Höhe hiess es umkehren wegen Lawinengefahr. Die Abfahrt, zum Teil auf dem blanken Eis und über bis einen Meter breite Gletscherspalten, bleibt ihm in lebhafter Erinnerung. «Uns blieb nichts anderes übrig, als mit Schwung darüberzufahren.» Im Herbst desselben Jahres sollte es mit dem Aufstieg klappen. In den vergangenen zwei Jahren nahm er die verbliebenen sieben Gipfel in Angriff. «Ich wusste, wenn ich es jetzt, mit 70, nicht versuche, ist es zu spät.» Und so ging’s als krönender Abschluss unter anderem aufs Schreckhorn, Lauteraarhorn, das Täsch- und das Weisshorn.
«Mich fasziniert der Ausblick auf die wunderschöne Bergwelt mit den Gletschern. Dann erlebe ich euphorische Momente», begründet er seine Faszination für das Bergsteigen, das allerdings ziemlich kräftezehrend sein könne. «Der Unterschied zwischen Wandern und Bergsteigen ist in etwa mit jenem zwischen gemütlichem Velofahren und sportlichem Biken vergleichbar.» Je nach Route gehört auch Klettern dazu. Schlagzeilen über verunglückte Bergsteiger, wie jüngst, beschäftigen Walty Küng. «Ein gewisses Risiko ist immer dabei. Ich hatte in den fast fünf Jahrzehnten in den Bergen noch nie auch nur den kleinsten Unfall.» Dazu brauchte es nebst Vorsicht und guter Vorbereitung auch Glück. Den Eindruck, dass Bergsteigen zum Freizeitvergnügen breiter Massen wurde, welche ungenügend ausgerüstet die Alpen bezwingen wollen, kann Küng zumindest mit einem Erlebnis belegen. «Auf dem Aufstieg zur Dufourspitze traf ich tatsächlich auf Englisch sprechende Touristen, welche Turnschuhe trugen, mit denen ich mich nicht einmal auf den Garten hinauswagen würde. Das hat mich schon beschäftigt.» Verändert hat sich auch der Komfort in den Hütten. «Früher mussten wir die Teigwaren für den Hüttenwart mitnehmen, der dann das Essen zubereitete.» Dies sei heute nicht mehr der Fall.
Wer denkt, nach 48 Viertausendern und 72 Lenzen würde Walty Küng den Rucksack an den Nagel hängen, irrt. Für den Verein Nidwaldner Wanderwege und Pro Senectute führt der ausgebildete Wanderleiter auch weiterhin Wanderungen durch. Und oft geht’s mit der Familie auf Bergtouren. Seine fünf Kinder im Alter zwischen 27 und 37 seien allesamt vom väterlichen Berggänger-Virus angesteckt worden.