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Der Beckenrieder Künstler Paul Waser hat ein Pilatus-Demoflugzeug mit seinen Scherenschnitten geschmückt. Die Umsetzung der filigranen Figuren fordert nicht nur die Menschenhand, sondern auch die Maschinen.
«Schon seit heute Morgen kribbelt’s bei mir im Bauch, und jetzt hab ich richtig Herzklopfen», sagt Paul Waser mit einem breiten Lächeln. Der Scherenschnitt-Künstler aus Beckenried steht in einer Halle der Pilatus Flugzeugwerke in Stans und betrachtet einen Flieger, der von Kopf bis Fuss seine Handschrift trägt. Auf silbernem Grund zeichnen sich schwarz die typischen Figuren Wasers ab: Jäger, Tiere, Bäume und Berge. Die Freude ist ihm anzusehen. Er sagt aber auch freimütig: «Wenn ich genug Geld hätte, würde ich das Ding sofort kaufen!»
Das «Ding» ist ein PC-12, den die Pilatus für Demo- und Werbezwecke einsetzt. Dafür reist der Flieger durch Europa, Mitte Mai etwa nach Genf an die European Business Aviation Convention & Exhibition. «Dort reiht sich Aussteller an Aussteller», erzählt Jérôme Zbinden, Assistent des Verwaltungsratspräsidenten. «Wir als kleinerer Hersteller müssen alles dafür geben, um dort aufzufallen.» Dafür wähle die Pilatus jedes Jahr ein neues, ungewöhnliches Motiv.
Heuer fiel die Wahl auf den einheimischen Künstler Paul Waser. Jérôme Zbinden traf Waser letztes Jahr zufällig auf dem Pilatus und bot ihm eine Zusammenarbeit an. «Als sie mir sagten, das Thema sei die Jagd, habe ich gestrahlt wie ein kleines Kind.» Denn Waser ist ein passionierter Jäger. Auch viele Kunden der Pilatus seien Jäger, sagt Zbinden. Darüber hinaus sollen die Motive Wasers Swissness und Präzision ausdrücken.
Waser schickte der Pilatus regelmässig neue Scherenschnitt-Motive, die dann digitalisiert und zusammengestellt wurden. Dafür verantwortlich war die 17-jährige Lernende Chiara Christen aus Kehrsiten. Sie war auch bei den ersten Gesprächen mit Waser dabei. «Ich arbeite seit November an diesem Projekt», erzählt Christen, die sich im dritten Lehrjahr als Gestalterin Werbetechnik befindet.
Der Flugzeugschmuck ist eine Coproduktion zwischen Waser und Christen: Denn Christen hat die einzelnen Elemente digital angeordnet: «Das war wie ein Puzzle mit Scherenschnitten.» Denn die Anordnung kann nicht beliebig sein, da sie der Form des Flugzeuges gerecht werden muss. Beim Übergang von Rumpf zu Flügel etwa sei das Anbringen der Schnitte schwierig. «Wenn man sich bei der Gestaltung all das genau überlegt, gibt es nachher weniger Probleme.»
Christen konnte ihrer Kreativität «freien Lauf lassen», sagt sie – trotz oder gerade wegen den engen Vorgaben. Paul Waser hatte vollstes Vertrauen in die Designer. «Ich habe ihnen freie Hand gelassen», sagt der Beckenrieder. Beim Schneiden musste Paul Waser besonders genau vorgehen: «Denn wenn das Motiv vergrössert wird, sieht man selbst die kleinsten Ungenauigkeiten.»
Christen erlebte am eigenen Leib, wie detailverliebt Wasers Scherenschnitte sind. Gemeinsam mit vier Kolleginnen und Kollegen klebte sie die Motive auf den PC-12. Eine Schneidemaschine druckte die einzelnen Teile in grösserem Massstab aus und schnitt Falze in das Material. An diesen Falzen lösten Christen & Co. die Leerstellen der Scherenschnitte sorgfältig heraus. Eine Fleissarbeit, wie Christen nun weiss: «Es dauerte zwei Stunden, bis ich alle Leerstellen beim ganz grossen Baum herausgelöst hatte.» Das filigranste Stück verlangte auch der Schneidemaschine viel ab: Es dauerte eine Stunde, bis es fertig geschnitten war.
Vier Arbeitstage verbrachte Chiara mit Kleben, Flachdrücken und Trockenföhnen. Dann war das Werk vollendet, pünktlich zum Besuch von Paul Waser. Am Donnerstag sah er das Resultat zum ersten Mal, knipste stolz Fotos und fachsimpelte mit Chiara Christen. Auch Christen ist stolz: «Es war anstrengend, aber eine tolle Erfahrung.»
Wasers Blick bleibt begeistert am PC-12 kleben. «Ich kann meine Augen gar nicht sattsehen», erklärt er. Und erinnert sich zurück an den bemerkenswerten Zufall, der seine kreative Leidenschaft einst entfachte: Das war mittlerweile vor gut 18 Jahren. Wasers Frau wollte einen Scherenschnitt-Kurs besuchen. Nach der Geburt ihrer Tochter konnte sie aber nicht teilnehmen. «Ich sprang ein, und der Rest ist Geschichte», sagt Paul Waser und schmunzelt.