In der Zeit der Älplerchilben gibt es auch für die Trachtenvereine sehr viel zu tun. Jeder will eine Tracht – und zwar ganz auf sich zugeschnitten.
Matthias Piazza
«Wenn das Telefon klingelt, denke ich sogleich an die Älplerchilbi und die Tracht», beschreibt Agnes Ambauen ihren derzeitigen Alltag. Sie ist für die Trachtengruppe Buochs in der kantonalen Trachtenkommission, der noch drei weitere Nidwaldner Trachtenvereine angehören. Vor allem im Oktober findet an fast jedem Sonntag in verschiedenen Gemeinden die traditionelle Älplerchilbi statt – und da ist der Bedarf an Trachten besonders gross. «Eine Sonntagstracht kostet rund 10 000 Franken. Das lohnt sich nicht, wenn man sie nur einmal im Jahr trägt», findet Agnes Ambauen. Die Lösung heisst Mieten. Und so werden die Trachtenfrauen in diesen Wochen mit Anfragen geradezu überhäuft. Eine Vermietung ist für beide Seiten ein Gewinn. «Die Mieterin kann sich die teure Anschaffung sparen und die Besitzerin finanziert sich mit den Einnahmen beispielsweise ein neues Zubehör», so Ambauen.
Mit dem Ausleihen und Zurücknehmen der Tracht alleine ist es aber noch nicht getan. Wenn die Damen und Herren zur Anprobe antraben, kommen die fleissigen Hände der Damen von der Trachtenkommission ins Spiel. «Den Frauen wird die Tracht angezogen, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Vor allem die Ärmel können am Anfang etwas fremd wirken.»
Es wird Mass genommen, damit das besondere Kleidungsstück am Schluss wie angegossen sitzt. «Das ist wichtig, wenn man die Tracht zwölf Stunden lang trägt», erklärt Agnes Ambauen. Wenn nötig, wird noch etwas abgeändert. Mit viel Gespür werden Rock und Schürze aufgebügelt, die Ärmel bei der Sonntagstracht bereit gemacht. Das ganze Prozedere mit Bereitmachen, Anprobieren und Anpassen kann gut und gerne zwei Stunden in Anspruch nehmen.
Der eigentliche grosse Tag beginnt dann für die meisten Beteiligten in aller Herrgottsfrühe. Vreni Kayser vom Trachtenverein Beckenried erzählt: «Tagwache ist meist um fünf Uhr morgens, damit alle rechtzeitig bereit sind.» Rund zwanzig Minuten dauert in der Regel das Einkleiden, das ohne Hilfe fast ein Ding der Unmöglichkeit ist. «Selbst nach 35 Jahren kann ich noch immer nicht alleine meine Tracht anziehen», schmunzelt Agnes Ambauen. Kein Wunder: Besteht die Sonntagstracht der Damen doch aus über einem Dutzend Bestandteilen wie Bluse, Unter- und Miederrock, einer Schaufel/Haube (bei Verheirateten) und übrigem Schmuck. «Trachten zeigen, woher man kommt, sie vermitteln einem ein Heimatgefühl, eine Identität», erklärt sie sich die ihrer Meinung nach zunehmende Popularität dieses Brauchtums. Das sieht Patricia Kipfer ähnlich. Für sie ist es «ein Gefühl von Heimatverbundenheit, man spürt seine Wurzeln und kann die Tradition weiterleben lassen», wie die 33-jährige Buochserin sagt, die in der Trachtengruppe Beckenried tanzt. Und Kobi Würsch (22), der in der Beckenrieder und Ennetbürger Trachtengruppe tanzt, findet es «eine Ehre, eine Tracht zu tragen. Und man kann mit wenig, anderen eine grosse Freude bereiten.»
Die Liebe zur Nidwaldner Tracht reicht gar über die Kantonsgrenze hinaus. So trägt etwa Silvia Gut, die in Ennetbürgen aufgewachsen ist und nun in Uri wohnt, in ihrer neuen Heimat nicht die dortige, sondern die Nidwaldner Tracht, wie die 25-Jährige beteuert.
Mehr Bilder von den Nidwaldner Trachten finden Sie unter www.luzernerzeitung.ch/bilder