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Am 8. Mai lud der Verein Protect Our Winters zu einem Gipfeltreffen auf dem Titlis ein. Simonetta Sommaruga, Michelle Gisin und Françoise Jaquet liessen sich erklären, welche Gefahren das Schmelzen des Gletschers birgt und wie dem entgegengewirkt wird.
«Wenn ich als Kind Bilder vom Titlisgletscher vor 50 Jahren sah, war es für mich damals schon unglaublich, wie sehr er in kurzer Zeit geschmolzen war», erzählt die Engelbergerin Michelle Gisin. «Seither erlebe ich selbst mit, wie die Eismasse jedes Jahr kleiner wird. Der Unterschied ist gewaltig. Und es tut mir noch jedes Mal weh.» Als Skirennfahrerin spüre sie den Klimawandel von Saison zu Saison direkt an ihrem Arbeitsplatz, in den Bergen. Im Sommer sei es noch eindrücklicher, dann sei der Titlisgletscher, den sie von ihrem Zimmer aus sieht, ein schwarzes Flecklein mit weissen Sprenkeln.
Seit zwei Jahren ist die Olympiasiegerin deshalb Botschafterin für Protect Our Winters. Der Verein mobilisiert die Outdoorgemeinschaft für mehr Klimaschutz. Im Rahmen ihrer aktuellen Kampagne «Vote now, ride later» für ein Ja zum CO2-Gesetz lud Protect Our Winters am Samstag zu einem Gipfeltreffen auf dem Titlis ein. Höchster Gast war dabei Bundesrätin Simonetta Sommaruga, begleitet von Françoise Jaquet, Präsidentin des Schweizer Alpenclubs.
Bei strahlendstem Sonnenschein zeigte Gian Darms, Sicherheitschef der Titlisbahnen, den drei Frauen den Titlisgletscher und erläuterte die Gefahren, die sich durch den Klimawandel ergeben. «Oben am Gletscher haben wir 30 Meter tiefe Bohrungen gemacht. In dieser Tiefe beträgt die Temperatur minus ein Grad. Wenn sich diese Schicht erwärmt, wird der Gletscher instabil.» Weitere Gefahren bildeten Felsklüfte, die durch die fehlende Eisbedeckung plötzlich hervortreten. Bereits jetzt würden die Massnahmen, die aufgrund des Klimawandels getroffen werden müssen, die Titlis-Bergbahnen pro Jahr rund eine Million Franken kosten, erklärte Darms.
«Die Mächtigkeit des Gletschers nimmt rapide ab», sagt Darms. In den Berechnungen gehe man bei einem «mittleren Szenario» davon aus, dass man ab 2030 bereits Mühe haben werde, einige Skipisten zu erhalten. Um den Gletscher vor dem Schrumpfen zu bewahren, gibt es verschiedene Strategien. Eine effiziente Methode sei das «Snowfarming», bei dem vor Stürmen Gräben geschaffen werden, die den Schnee auffangen, der sonst weggeweht würde. Weiter würden jedes Jahr 100'000 Quadratmeter Gletscher mit Vliesrollen abgedeckt, um zweieinhalb Meter Schneedecke zu «übersommern». Dieser Schnee werde für die Gletscherkonservierung und Spaltenfüllung benötigt. «Die Frage ist, wie lange sich dieser Aufwand noch lohnt», sagt Darms.
«Die Kosten und Folgen des Klimawandels sind enorm. Hier auf dem Titlis wird das eins zu eins sichtbar», bedauerte Simonetta Sommaruga. Beim Klimaschutz ginge es aber nicht nur um den Erhalt der Natur, sondern auch um lokale Arbeitsplätze. Die Berggebiete seien vom Klimawandel besonders stark betroffen, betonte die Bundesrätin. «Mit dem Co2-Gesetz werden diese Gebiete direkt unterstützt, etwa durch Schutzmassnahmen wie dem Aufbau von Schutzwäldern.»
Die direkten Auswirkungen des Klimawandels auf die Bergregionen kennt auch Françoise Jaquet: «Viele Berghütten sind abhängig von Permafrostböden. Wenn diese auftauen, wird es gefährlich», erklärte die Präsidentin des Schweizer Alpenclubs. Die Hüttenzustiege seien durch Felsstürze gefährdet und die Wege müssten häufiger erneuert werden.
Bei allen Problemen und Gefahren, das Gipfeltreffen auf dem Titlis stimmte positiv. «Beim Anblick dieser eindrücklichen Bergwelt weiss man, warum man sich für Klimaschutz einsetzt», sagte die Bundesrätin. «Es geht um unsere Leben und unsere Natur, die wir für die Generationen nach uns erhalten wollen», so Simonetta Sommaruga, die in ihrer Freizeit auch gerne in den Bergen unterwegs ist. Es sei schön zu sehen, wie junge Leute wie Michelle Gisin sich für die Umwelt einsetzten. «Die Bevölkerung will vorwärtsmachen beim Klimaschutz, das ist überall zu spüren.» Sie sei deshalb zuversichtlich, dass das CO2-Gesetz am 13. Juni angenommen würde, sagte die Bundesrätin. Die Gesetzesrevision sei dringend nötig, damit die Klimaziele bis 2050 erreicht werden könnten.
Für Michelle Gisin ist ihr Engagement bei Protect Our Winters eine Möglichkeit, Leute für mehr Umweltschutz zu motivieren: «Jeder und jede hat das Potenzial, etwas zu verändern. Nicht alle haben die gleichen Mittel dafür, aber es geht darum, sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen und das Möglichste zu tun. Wir sind eine Willensnation und mit Willen ist vieles möglich.»