Startseite Zentralschweiz Obwalden
Die Mithilfe bei der dauerhaften Sicherung des Friedens ist seine Mission. Der aus Wilen stammende Auslandschweizer Major Martin Burch ist für ein ganzes Jahr mit der Swisscoy im Kosovo im Einsatz.
Schon als Teenager kam Martin Burch aus Wilen in Kontakt mit sozialem Engagement. Sein Vater Hans Burch (75) führt seit bald 30 Jahren mit der Pfarrei Sarnen ein Entwicklungsprojekt im rumänischen Fagetu. Oft reiste Martin mit und legte Hand an. «Mein erster Pass war gefüllt mit rumänischen Stempeln», erzählt der heute 41-Jährige. «Die Einsätze dauerten jeweils bis zu zwei Wochen – das hat mich schon geprägt.» Heute steht Martin Burch im Einsatz für den Frieden. Seit April ist er mit der Swisscoy im Kosovo. Nach der dreimonatigen Ausbildung bei Swissint in Oberdorf (siehe Kasten) reiste Burch zuerst nach Prizren und kurz darauf in die Stadt Peja im Westen des Landes, wo er in einem internationalen Camp stationiert ist.
Für Martin Burch ist der Einsatz mit der Schweizer Armee zwar selbstverständlich – für Aussenstehende ist er das aber nicht unbedingt. Burch ist nämlich Auslandschweizer. Zehn Jahre wohnte er mit seiner Frau in ihrer Heimat im mittelamerikanischen Staat El Salvador, kürzlich ist die Familie nach New York umgezogen. Gearbeitet hat der studierte Volkswirtschaftler bei einer gemeinnützigen Organisation, die Beratungen und Ausbildungen im Mikrofinanzbereich anbietet.
«Ich bin aber in all den Jahren immer in die Schweiz gereist, um meinen Dienst zu leisten», erzählt Martin Burch, der heute den Rang eines Majors bekleidet. «Ich habe immer freiwillig weiter gemacht, das waren ganz bewusste Entscheide. Deshalb war es für mich auch immer selbstverständlich, dass ich Dienst leiste.» Gewisse Kameraden hätten manchmal schon etwas gestaunt, sich aber auch immer gefreut. Und so aussergewöhnlich sei das doch gar nicht, meint Martin Burch. «An einem Stabskurs in Kriens waren wir mal drei Auslandschweizer, einer aus London, einer aus Südafrika und ich aus El Salvador.» Den Dienst verbinde er immer auch mit ein bis zwei Wochen Ferien zu Hause in der Schweiz bei der Familie in Wilen.
Martin Burch hat mit dem Einsatz im Kosovo eines seiner Ziele erreicht: «Ich wollte schon immer einen Auslandeinsatz leisten, das war auch immer ein wichtiger Grund für mich, in der Armee weiterzumachen.» Bei der Swisscoy, die verschiedene Aufgaben im Kosovo für die Kfor (Kosovo Force) ausübt, ist Burch zuständig für zwölf internationale «Liaison and Monitoring Teams» (LMT). Die Aufgabe der LMTs besteht darin, durch Gespräche mit Bevölkerung und Behörden Informationen über die Entwicklung im Land zu sammeln und dem Kommando der Kfor weiterzuleiten, das diese Meldungen unter anderem als Basis für operationelle Entscheide nutzt. Bei Burch laufen die Informationen aus dem Einsatzgebiet im Süden des Kosovo zusammen, seine Funktion beinhaltet etwa zur Hälfte Büroarbeit.
Zu den LMTs in Martin Burchs Zuständigkeitsgebiet im Westen des Kosovos gehören neben zwei Schweizer Teams auch drei türkische, zwei österreichische, zwei italienische, zwei slowenische sowie ein polnisches Team. Mit Hilfe von Übersetzern führen sie ganz offen Gespräche mit den Einheimischen, um den Puls der Bevölkerung zu fühlen. «Untereinander sprechen wir englisch, angesprochen werden wir Schweizer von der Bevölkerung aber oft auf Deutsch oder sogar Schweizerdeutsch.»
Man spüre schon den Einfluss der Schweiz und dass im Kosovo viel vom Geld aus der Schweizer Diaspora abhängig sei. Als Schweizer werde man im Kosovo sehr gut aufgenommen. Überhaupt sei die Gastfreundschaft gewaltig. «Insbesondere im touristischen Prizren werden wir sehr oft angesprochen, spontan eingeladen oder um ein Foto gebeten.»
Gefährlich sei der Einsatz eigentlich nicht, die grösste Gefahr sei der Strassenverkehr. Zudem seien alle Einheiten speziell auf ihre Einsätze vorbereitet und geschult worden. «Als ich als Bub das erste Mal in Rumänien war, wurde in den Nachrichten noch von Schiessereien berichtet, und das Leben in El Salvador mit seinem Drogenkrieg war sicher gefährlicher», erzählt Martin Burch. Er habe es noch keine Sekunde bereut, den Einsatz angetreten zu haben. Im Gegenteil, eigentlich wäre sein Einsatz im Kosovo im kommenden Oktober beendet. Martin Burch hat aber bis im April 2019 verlängert.
Natürlich sei er dadurch noch länger von der Familie getrennt. Dank Whatsapp, Skype und E-Mail sei es aber einfach, regen Kontakt zu halten. «Weil ich immer Dienst in der Schweiz geleistet habe, ist eine längere Abwesenheit für sie nicht ganz neu.» Für ihn selber rase die Zeit und er erlebe jeden Tag so viel Neues, dass er gar nicht dazu komme, Heimweh zu haben.
Dass aber noch lange nicht alle Wunden aus dem Kosovo Konflikt verheilt sind, hat auch Martin Burch festgestellt. So sei zum Beispiel die Doppeladler-Geste der Schweizer Nationalspieler an der Fussball-WM auch im Kosovo diskutiert worden. «Im Süden, wo mehrheitlich Kosovo-Albaner leben, hat man gejubelt. Im Norden, wo viele Kosovo-Serben leben, fühlte man sich provoziert und es hat unsere Arbeit dort sicher nicht vereinfacht.»
Dass das Land aber grosse Fortschritte gemacht hat, sieht man daran, wie die an der Friedensmission beteiligten Länder ihre Truppen reduzieren können. Waren es 1999 über 50000 Soldatinnen und Soldaten, sind es heute noch rund 4000. Auch die Schweiz hat im April 2018 die Swisscoy von 235 auf 190 Angehörige reduziert und ab Oktober 2019 wird sie noch maximal 165 Frauen und Männer umfassen. «Ich empfinde es so, dass die Leute einfach ein friedliches Leben wollen», sagt Martin Burch. Viele hätten ökonomische Probleme, ihnen wäre wichtiger, dass sich die Politiker um die Anliegen der Bevölkerung kümmern, anstatt dass sie gewisse Themen für ihre Zwecke missbrauchen.
Und was macht Martin Burch nach seinem Einsatz im Kosovo? «Das weiss ich noch nicht. Ich könnte mir weitere Auslandseinsätze gut vorstellen.» Er kenne niemanden, der nach dem Swisscoy-Einsatz Probleme gehabt hätte, wieder im Berufsleben ausserhalb der Armee Fuss zu fassen. Bis seine 10-jährige Tochter in New York das Gymnasium abschliesse, bleibe er mit der Familie noch in Amerika. «Nachher wäre auch eine Rückkehr in die Schweiz durchaus denkbar.»
Tausende von Toten forderte der bewaffnete Kosovo-Konflikt von Februar 1998 bis im Juni 1999. Die UNO fasste 1999 den Beschluss, mit der Truppe Kosovo Forces (Kfor) den Frieden dauerhaft zu sichern und dem Land Aufbauhilfe zu leisten. Die Schweiz nimmt mit der Swisscoy am Einsatz teil.
Die Swisscoy ist mit aktuell 190 Angehörigen die grösste von insgesamt 14 friedensfördernden Auslandsmissionen der Schweizer Armee, die allesamt unter dem Kommando des Kompetenzzentrums Swissint in Stans-Oberdorf stehen. Ein Einsatz im Kosovo dauert jeweils sechs Monate, die allenfalls um ein weiteres halbes Jahr verlängert werden können. Zuvor durchlaufen die Kontingentsangehörigen eine zwei- bis dreimonatige einsatzbezogene Ausbildung in Stans-Oberdorf. Dabei werden sie auf den Einsatz sowie ihre jeweilige Funktion vorbereitet. Nebst Selbstverteidigung, erster Hilfe und dem Umgang mit schwierigen Situationen umfasst die fundierte und vielseitige Ausbildung unter anderem auch Kartenlehre, die Bedienung von Kompass und GPS, Teambildung sowie Sport.
Während des Einsatzes wird in einer Sechs-Tage-Woche gearbeitet. Als Ausgleich stehen den Soldatinnen und Soldaten in der Regel 18 Tage Heimurlaub zur Verfügung, jeweils aufgeteilt auf zwei Ferientranchen. Die Bezahlung orientiert sich an den jeweiligen Funktionen, hinzu kommen während der Einsatzzeit Einsatz- und Gefahrenzulagen. Voraussetzungen für einen Einsatz bei der Swisscoy sind unter anderem Schweizer Staatsbürgerschaft, eine abgeschlossene Berufsausbildung, eine Fachausbildung in der Einsatzfunktion, eine abgeschlossene Rekrutenschule (mit Ausnahme von Fachspezialistinnen), Fremdsprachenkenntnisse, Fahrausweis sowie ein Alter zwischen 20 und 50 Jahren. (pd/red)