«Ich meinti»-Kolumnist Romano Cuonz über die Irrungen und Wirrungen, welche die elektronische Post mit sich bringen.
«Wart ihr bei dieser Hitze auch im Wald unterwegs?», erkundigte ich mich bei einer lieben Verwandten. Tat dies, wie man das heute so tut: nicht telefonisch, sondern per E-Post. Die Antwort traf «e-mail-wendend» ein. «Ja wir waren im Kernwald mit unserem Ferienhaus», lese ich. «Was in drei Teufels Namen soll denn das? Gibt es neuerdings transportable Ferienhäuser, und wenn schon, wäre es nicht verboten, diese im Naturschutzgebiet Kernwald aufzustellen?», zerbrach ich mir den Kopf.
Indes: Wer sich im Mail-Dschungel mit all seinen Gefahren nur ein wenig auskennt, ahnt wohl, was da passiert ist. Das neunmalkluge Programm wartete nach «Ferienh…» gar nicht erst auf die nächsten Buchstaben. Setzte, ganz selbstständig, ein vorprogrammiertes Wort ein. So wurde dann aus einem «Ferienhund» stracks ein «Ferienhaus». Und: Weil man E-Mails stets so schnell wie möglich wegbefördert – meist ohne sie nochmals durchzulesen – lässt man Leserinnen und Leser schon mal verzweifelt den Kopf schütteln. Solche Fehler sind uns doch – Hand aufs Herz – allen schon ein- oder mehrmals passiert.
Neben so lässlichen Sünden gibt es im E-Mail-Verkehr aber durchaus auch Todsünden. Denken wir nur an die «CC-Gefahr»! Ausgeschrieben heisst dies «carbon copy» und bedeutet «Kohlepapierdurchschlag». Etwas Urtümliches, das jüngeren Leuten ohnehin längst nichts mehr sagt. Was aber CC – oder auch Kontaktgruppenmail – auslösen können, mag hier ein noch harmloses Beispiel aufzeigen:
«Liebe alle», schreibt die Co-Leitung eines Unternehmens. «Unser ältester Kollege geht demnächst in Pension. Ihr wisst doch, wie gerne er reist. Da möchten wir ihn mit einem Reisegutschein überraschen. Euern Obolus nimmt die Sekretärin gerne entgegen.» Die rührige Sekretärin schaltet sofort. Leitet die E-Mail weiter. Per Knopfdruck. Genau so, wie sie üblicherweise Sitzungsprotokolle verschickt. Für alle sichtbar! Kurz darauf erhalten die «Lieben alle» eine Antwort, die keine und keiner von ihnen erwartet hätte: «Freue mich riesig. Werde nun die längst ersehnte Safari zu Löwen und Elefanten in Afrika sogleich buchen!»
Apropos Unternehmenskultur: Wo E-Mail und WhatsApp-Messages ihr Unwesen zu treiben beginnen, muss man minütlich dranbleiben. Es gibt nämlich Kolleginnen und Kollegen, die sich im selben Raum gegenüber sitzen und miteinander doch nur noch über E-Mails verkehren. Auch so ein Mailwechsel ist mir in Erinnerung geblieben: «Wir gehen heute zusammen essen, bist du auch dabei?» Meine Antwort erfolgte um 14 Uhr: «Sorry, hab euer Mail erst jetzt entdeckt!»
Geradezu unsäglich sind Post-scriptum-Bemerkungen wie «Sag das bitte nicht dem …» Oder: «Leite das ja nicht weiter!» Wenn man solche Randnotizen – rein zufällig oder geflissentlich – übersieht, ja dann … !
Darüber, wie viel Unheil kopierte, an falsche Adressen geleitete, in der Wut schnell hingeschmetterte, nicht zweimal gelesene E-Mails schon angerichtet haben, liessen sich ganze Romane schreiben. In Anbetracht all der möglichen Stolpersteine mag man sich fragen, warum denn handgeschriebene oder mindestens vom Word ausgedruckte und per Post versandte Briefe so sehr aus der Mode gekommen sind. Ich habe darauf nur eine plausible Antwort: «Hittigstags lyygd niämer mee wiä druckd, per Mail isch’s äifacher.»
Romano Cuonz, Journalist und Schriftsteller aus Sarnen, äussert sich an dieser Stelle abwechselnd mit anderen Autoren zu einem selbst gewählten Thema.