Das Eingehen auf ihre besonderen Räume ist in der Sarner Galerie Hofmatt erwünscht. Das Künstlerduo Gasser & Gisler tut es mit Akribie.
Seltsam: Wenn man derzeit den Eingangsbereich oder den Galerieraum der Sarner Hofmatt betritt, glaubt man im ersten Moment, vor leeren Wänden zu stehen. Doch dann, ganz plötzlich, stutzt man. Irgendwie fühlt man sich beobachtet. Und wirklich: Aus allen Ritzen und Löchern in den Wänden blicken grüne, blaue, graue, braune Augen. Teilweise befinden sie sich im Schatten, teilweise im hellen Licht. Die Personen aber, die zu diesen Augen gehören, sind nirgends zu sehen. Die Abwesenden? Zumindest der Ausstellungstitel suggeriert, dass es solche tatsächlich gibt.
Schon seit 20 Jahren arbeitet das Künstlerduo unter dem Namen Gasser & Gisler sehr erfolgreich an gemeinsamen Projekten und Produktionen. Monika Gasser ist in Lungern geboren und lebt und arbeitet heute in Paris und Luzern. Pia Gisler, ursprünglich aus Luzern, ist in Basel tätig. Wenn die beiden Frauen Besuchenden erklären, was es mit dem Thema «Die Abwesenden» auf sich hat, holen sie weit aus.
Als sie die Hofmatt-Räume 1996 erstmals bespielten, bezogen sie sich ganz und gar aufs sogenannte Herrenhaus und die Männer mit hohen Ämtern und berühmten Namen, die darin residierten. So installierten sie etwa einen «Korridor der Herren» oder «Portraitgalerien». «Heute, 26 Jahre danach, beziehen wir uns ganz auf die Abwesenden», sagt Monika Gasser. Und Pia Gisler ergänzt: «Und abwesend sind in diesem Haus klar die Frauen!» Das Duo begann zu forschen und kam bald darauf, dass man über die Frauen, die in diesem Haus gelebt und gewirkt hatten, kaum Genaues weiss.
Auch Edwin Huwyler vom Galerieteam stellt fest: «Da die Herren als Landammänner, Richter, Abgeordnete und Offiziere in fremden Kriegsdiensten häufig abwesend waren, hatten in diesem Haus über Wochen und Monate wohl tatsächlich Frauen das Zepter in der Hand.»
Gasser & Gisler beschlossen, die namenlosen, teils vergessenen Frauen wieder sichtbar zu machen. «Dabei liessen wir uns von Räumen inspirieren», sagt Pia Gisler. Und Monika Gasser fügt hinzu:
«Wir betrachteten die Wände und waren überzeugt, dass uns aus allen Ritzen und Löchern Frauenaugen beobachten.»
Diesen Augen wollten die Künstlerinnen Form geben. Weil jedoch von den einstigen Hausherrinnen Bilder fehlten, liessen sie sich von lebenden Frauen inspirieren. «‹Stellvertreterfrauen› nennen wir sie», sagt Monika Gasser. Deren Augen malten sie naturalistisch auf Holz. Listigerweise gibt es, ganz unten, sogar ein Katzenaugenpaar. Die Augen korrespondieren teils miteinander, teils scheinen sie in den nächsten Raum zu blicken.
Als Edwin Huwyler das Herrenhaus (Grosshaus Hofmatt) kaufte, war das Panoramazimmer eine Werkstatt, die Wandmalerei aus dem 17. Jahrhundert arg beschädigt. Ein Teil galt, wegen des Einbaus eines Kachelofens, als verloren. Nach der Restauration blieb ein weisser Fleck! «Wir beschlossen, das Loch zu stopfen und das Gemälde wiederherzustellen», sagt Monika Gasser. Was nun die beiden Frauen kreiert haben, ist in der Hofmatt-Geschichte einzigartig. Mittels feinsten Drahts, gehäkelt, gestrickt, wie auf einen Webrahmen montiert, haben sie die fehlende Säule wieder aufgebaut. Sogar das Bild wird akkurat, mit Dunkel und Hell, zeichenmalerisch weitergeführt. Pia Gisler meint:
«Typisch weibliche Arbeiten, aber mit einem sperrigen, eher männlichen Material.»
Einen seltsamen Titel geben die beiden Frauen ihrer grossartigen Installation im Gewölbekeller: «Z Marie Maries Annemarie.» «Was wir hier raumfüllend installieren, ist ein Frauenstammbaum», erklärt Gasser. Und Gisler präzisiert: «Wir haben uns eine Rebe vorgestellt, die aus einem dicken Stamm wächst, und ihr Geäst in die verschiedensten Richtungen über den ganzen Raum verteilt.» An allen Zweigen und Ästen hängen, im Format von «Läidhelgäli», Bilder von Frauen. Schwarz-weiss und leicht von Hand koloriert: die Verstorbenen. Stellvertretend für die Abwesenden, von denen es kaum Bilder gibt. Aber auch Frauen, die das Haus in neuerer Zeit oder gegenwärtig bewohnten oder bewohnen, sind abgebildet. Allerdings farbig. Allein diese Installation wäre einen Besuch in der Galerie wert. Was Gasser & Gisler da aus Draht geflochten, mit Spannfäden befestigt oder auf Papier bearbeitet haben, ist eigenwillig grosse Raumkunst.
Hinweis: Galerie Hofmatt, Sarnen: «Gasser & Gisler – die Abwesenden». 30. April bis 29. Mai. Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag, 14 bis 17 Uhr, oder nach telefonischer Vereinbarung. 079 830 42 08 oder 079 544 33 69.