Hanspeter Müller spielt im Ballenberg im selber überarbeiteten Stück mit

Im heurigen Landschaftstheater spielt der in Obwalden aufgewachsene Schauspieler Hanspeter Müller-Drossaart die Rolle des Amerika-Rückkehrers Arnold Murer im «Steinbruch». Er hat das Welti-Stück auch überarbeitet und um Rollen und Szenen bereichert.

Romano Cuonz
Drucken
Hanspeter Müller Drossaart spielt den Amerika-Heimkehrer Arnold Murer. (Bilder: Romano Cuonz (Ballenberg, 6.Juni 2018))

Hanspeter Müller Drossaart spielt den Amerika-Heimkehrer Arnold Murer. (Bilder: Romano Cuonz (Ballenberg, 6.Juni 2018))

Vor einer schäbigen kleinen Baracke steht er und fuchtelt bedrohlich mit einem alten Karabiner herum: Hanspeter Müller-Drossaart, der vom Fernsehen, vielen Filmen und Theaterstücken bekannte Schauspieler und Schriftsteller. Erstaunlich und auch erstmalig für den Spielort Ballenberg ist, dass im Landschaftstheater keines der musealen Häuser als Kulisse im Vordergrund dient. Viel mehr haben der Luzerner Livio Andreina (Regie) und Anna Maria Glaudemans (Ausstattung) mitten in einem Hang und – fast hautnah an der riesig breiten Tribüne – einen Steinbruch samt Baracken, rostigen Loren und Schienen aufgebaut. Nur ganz im Hintergrund sieht man noch ein Holzhaus und die Kapelle aus Turtig-Raron.

«Die schmucken alten Häuser, vor denen im Ballenberg normalerweise gerne gespielt wird, erzählen uns zu sehr, wie wunderbar die Schweiz sein kann», erklärt Hanspeter Müller-Drossaart dazu. In Albert J. Weltis Stück «Steinbruch» aber sei genau das Gegenteil gefragt: Geborgenheit müsse da sicht- und hörbar zu Ungeborgenheit werden. In der Tat: Wenn der Amerika-Auswanderer Arnold Murer nach Jahren in sein Schweizer Heimatdorf zurückkehrt, dort in einem alten Steinbruch haust, weiss im Dorf jeder und jede, dass er wegen Mordversuchs im Gefängnis gesessen hat. Nur ein junges Mädchen und ein geistig beschränkter Knabe besuchen ihn regelmässig. Ansonsten ächten ihn die Dorfbewohner.

Bevor die Unschuld Murers bewiesen wird, kommt eine dramatische Geschichte nach der andern ans Licht. «Ich kenne das Stück, seit ich es 1975 als Zwanzigjähriger in Sachseln mit dem legendären Bärti von Ah in der Hauptrolle erstmals gesehen habe», erzählt Müller-Drossaart. Als ihn Buschi Luginbühl und Christian Sidler von der Leitung des Landschaftstheaters gefragt hätten, ob er den Aussenseiter Arnold Murer im Ballenberg spielen würde, habe er begeistert zugesagt. «Wenn man eher wie ein ‹Chnebelgrind› als wie ein Beau aussieht, sind die Rollen dünn gesät», sagt der Schauspieler. Da sei ein solcher Part ein wahres Geschenk, ja eine Traumrolle. Die Figur und das Thema lägen ihm: Da werde erzählt, wie durch Halbwissen Gerüchte entstehen, wie ein Dorf einen, den es nicht versteht und der nicht gerade der «Gmögigste» ist, mehr und mehr an den Rand drängt.

Kreativer Eingriff ins alte Stück

Geschrieben hat das Stück Albert J. Welti 1939 für die Landesausstellung in Zürich. Drei Jahre später wurde es mit Heinrich Gretler in der Hauptrolle und der jungen Maria Schell als «Meiti» verfilmt. Nun aber ging es darum, vom schweren Drama ein wenig Staub abzuwischen. Dem Stück das Geschwätzige zu nehmen und den Figuren ihre Kanten zurückzugeben. Diese Aufgabe übernahm Hanspeter Müller-Drossaart gleich selber. «Für den Ballenberg brauchten wir mehr Figuren, zusätzliche, auch heitere Szenen und vor allem einen starken musikalischen Aspekt», sagt Müller-Drossaart. Neu erfunden hat er denn – als vitale, junge Gegenbewegung – die «7-Fräch-Bandi», eine Gruppe von Mädchen, die sich ganz schlimm gebärdet und eine Kollegin regelrecht mobbt. Oder auch die drei «weisen Alten», die wie Ureidgenossen durch die Szenen laufen und sich unentwegt zum Dorfgeschehen äussern.

Hanspeter Müller-Drossaart (rechts) im Gespräch mit Regisseur Livio Andreina.

Hanspeter Müller-Drossaart (rechts) im Gespräch mit Regisseur Livio Andreina.

A propos Dorf: «Im Berndeutsch macht man ‹Dorf› oft zum Verb ‹dorfen› und meint damit das Miteinanderreden», bemerkt der Autor. Deshalb habe er die «Dorfer» als Chor erfunden und für sie lyrische Texte verfasst. Wenn dieser Chor Murer einmal tröstet, einmal an die Wand drängt, kommen Melodien dazu, die vom bekannten Theaterkomponisten Till Löffler stammen. Müller-Drossaart zu seinen Kürzungen am Originaltext: «Wir sind nicht mehr in den 1940er-Jahren und würden das Drama nicht fördern, wenn wir es in seinen damaligen Grautönen beliessen.»

Ein neues Verhältnis zur Zeit

Hanspeter Müller-Drossaart ist heuer der einzige Berufsschauspieler im Landschaftstheater. All die vielen andern Rollen spielen 35 Laien. «Das funktioniert im Freilichtstück, das Livio Andreina mit ebenso viel Geduld wie Euphorie inszeniert, prächtig», lobt Hanspeter Müller-Drossaart. Die im Stück enthaltenen Gegensätze nähmen so noch viel stärkere Konturen an. Da spiele er – der Schauspieler aus der Stadt – einen Einzelgänger, der aus einer andern Welt komme. Laienspieler aber, die tatsächlich in dieser Gegend leben, mimen die Dorfer.

«Ich muss versuchen, mich auf die Spielweise der Einheimischen, auf ihren Rhythmus einzulassen», schildert der erfahrene Theatermann seine Arbeit. Das sei spannend und mache Freude. Und angesprochen auf die lange Probearbeit und Spielzeit meint er wörtlich: «Wenn man im Ballenberg, den ich früher vor allem mit meinen beiden Kindern Livius und Daphne erforscht habe, nur schon einen Tag verbringt, hat man ein ganz neues, anderes Verhältnis zur Zeit.»

Landschaftstheater Ballenberg: «Steinbruch – Zrugg us Amerika» von Albert J. Welti bearbeitet, von Hanspeter Müller-Drossaart. Spielzeit vom 4. Juli bis zum 18. August. Mehr Informationen