Er war seiner Zeit voraus und begründete die alpenländische Landschaftsmalerei: Caspar Wolf (1735-1783) erhält nun die Beachtung, die er verdient – in Muri wird das ihm gewidmete Museum eröffnet.
Man kann es aus heutiger Sicht als spektakulären Sensationsfund bezeichnen, als der Murianer Kunsthistoriker Willi Raeber kurz vor dem Zweiten Weltkrieg im südholländischen Schloss Keukenhof auf 96 Gemälde von Caspar Wolf (1735-1783) stiess. Das Werk des im aargauischen Muri geborenen Künstlers war seit dessen Ableben weitestgehend der Vergessenheit anheimgefallen, zumal sein Oeuvre fast zur Gänze in Privatbesitz verblieben ist und somit der Öffentlichkeit und erst recht dem Kunstmarkt entzogen war. Willi Raeber erkannte die Bedeutung des Fundes, erwarb die Wolf-Gemälde aus dem Keukenhof und führte sie zurück in die Heimat des Malers.
Die kontinuierliche Wiederentdeckung und Erforschung des Künstlers war in Gange gekommen und hat sich bis zum heutigen Tage dahin entwickelt, dass Caspar Wolf als bedeutender Wegbereiter der alpenländischen Landschaftsmalerei anerkannt ist und somit als ein wichtiger Protagonist der europäischen Kunstgeschichte angesehen werden darf.
Seit über vier Jahrzehnten tragen kulturinteressierte Kreise in Caspar Wolfs Heimatdorf eine Sammlung zusammen, welche heute von der Stiftung Murikultur gepflegt, unterhalten und noch immer erweitert wird. Die Kollektion ist mittlerweile so umfangreich, dass im neu ausgebauten Singisenflügels des Klosters Muri eigens ein Caspar Wolf Museum eingerichtet worden ist, wo das unbezifferbar wertvolle Kulturgut und somit die Bedeutung des Malers der Öffentlichkeit vor Augen geführt werden kann. Am Sonntag, 7. April, wird das Caspar Wolf Museum feierlich eröffnet. Der Bestand kann sich sehen lassen: 40 Originalwerke – darunter 35 Ölgemälde – und über 130 Originalgrafiken sowie zahlreiche von Wolf eigenhändig bemalte Objekte sind in den neu gestalteten, thematischen Räumen im historischen Singisenflügel ausgestellt. Wandtexte und reichlich Info- sowie Anschauungsmaterial bringt der Besucherschaft die Bedeutung Caspar Wolfs im Spiegel der europäischen Kunstgeschichte nahe – so auch seine ungewöhnliche Laufbahn.
Nach ausgiebigen Lehr- und Wanderjahren wirkt Wolf in Basel und Paris, ehe er wieder nach Muri zurückkehrt. Hier vertieft er sich in der naturgetreuen Abbildung der Landschaft, insbesondere derjenigen der Innerschweiz. Dann wird der Berner Verleger Abraham Wagner auf den talentierten jungen Künstler aufmerksam und gewinnt ihn für ein ambitioniertes Projekt: Caspar Wolf soll für eine grosse illustrierte Publikation über die Alpen die Bildvorlagen herstellen. Mit Wagner und dessen Entourage begibt sich der Murianer Künstler bis in die höchsten alpinen Gefilde, wo bislang kaum je ein Künstler seines Formats hingelangt ist, und fertigt zahllose Skizzen an, die er im Atelier in Ölgemälde umsetzt. Viele von diesen wiederum dienen als Vorlage für druckgrafisch reproduzierte Illustrationen für die Publikationen Wagners. Die bedeutendste von ihnen erscheint 1777 unter dem Titel Merkwürdige Prospekte aus den Schweizer-Gebürgen und derselben Beschreibung. Erstmals liegen naturgetreue Abbildungen von Schweizer Alpenregionen vor, welche nicht zuletzt auch den einsetzenden Tourismus befeuern. Aus heutiger Sicht sind die Abbildungen aber allein deshalb von unschätzbarem Wert, weil sie den Klimaforschern wichtige Quelle sind und auf realistische Weise darlegen, wie etwa der Gletscherstand in jener Zeit war. Ein ganzer Raum im Museum ist der Herstellung solcher Druckgrafiken gewidmet – von der Skizze, respektive Ölstudie über das Ölgemälde bis zum fertigen Druckerzeugnis.
Caspar Wolf hat bereits zu Lebzeiten grosses Ansehen erlangt. Auf anschliessenden Reisen nach Paris, Belgien und Deutschland fertigt Wolf eine grosse Zahl Landschaftsveduten an, deren Verkauf ihm den Lebensunterhalt sichern. 1783 erliegt der Maler in Heidelberg einem Krankheitsleiden. Sein Ableben begründet gleichsam den Weg in die vorübergehende Vergessenheit.
In Muri zeigt man sich glücklich und zu recht stolz, dass man den berühmtesten Sohn des Klosterdorfes nun wieder in gebührendes Licht rücken kann. «Unsere über viele Jahre entstandene Sammlung ist eine wahre Bereicherung für die historischen Räume. Wir sind Caspar Wolfs Werk verpflichtet», sagt Robert Häfner, Präsident Murikultur, und bekundet seine innigste Dankbarkeit den Fördereinrichtungen, welche den Sammlungsaufbau und das Museum ermöglicht haben.
Nicht weniger glücklich über das gelungene Projekt ist auch Peter Fischer. Der Kunsthistoriker und Museumsfachmann aus Hitzkirch zeichnet für Konzeption und Einrichtung des Museums verantwortlich. «Wir können hier dem Künstler, über den verhältnismässig wenig Biografisches überliefert ist, nun persönlich begegnen.» Tatsächlich wird die Person im Museum nicht nur mittels Textmaterial, sondern auch durch Gegenüberstellungen innerhalb des Werkes fassbar, sie kriegt Charakterzüge, ja gar ein Gesicht – obschon lediglich ein einziges vages Selbstbildnis von Wolf bekannt ist.
Peter Fischer würdigt nicht nur den ideellen Wert von Caspar Wolfs Werk, sondern attestiert ihm auch herausragendes Beherrschen der Techniken und eine hohe Malqualität. «Sein Umgang mit dem Licht ist meisterhaft», so der Kunstverständige. «Auch wie er die Beschaffenheit von Oberflächen in der Natur in seinen Gemälden umsetzt, zeugt von grossem Können. Und Caspar Wolf verstand es – im Gegensatz zu vielen anderen Landschaftsmalern – vorzüglich, Figuren zu malen.» In der Tat wirkt selbst die kleinste Staffage bis ins Detail naturgetreu.
In Wolfs Gemälden fällt zuweilen ein erdiger Grundfarbton auf – eine besondere Charakteristik –, und in manchen Werken scheint er hinsichtlich Komposition und Umsetzung von Perspektiven und Tiefenwirkung seiner eigenen Zeit bereits voraus. Es sind alles Aspekte, die dem Betrachter einen begnadeten Künstler näherbringen, welcher in der Kunstgeschichte als einflussreicher Wegbereiter aufgetreten ist und seine glückliche Wiederentdeckung zweifellos verdient hat.
Die feierliche Eröffnung des Caspar Wolf Museums im Kloster Muri findet am Sonntag, 7. April, um 11 Uhr statt. Alles zum detaillierten Programm unter www.murikultur.ch