In einer Veruntreuungsaffäre beim deutschen Stromkonzern EnBW erhält die Staatsanwaltschaft Mannheim Beweismittel aus dem Kanton Schwyz. Es geht um die Rolle eines russischen Lobbyisten.
Seit Jahren liegen sich der zweitgrösste deutsche Energiekonzern EnBW und der russische Lobbyist Andrej Bykow in den Haaren. Es geht um Verträge aus den Jahren 2001 bis 2008 und um rund 130 Millionen Euro, die EnBW wegen Nichterfüllung von Bykov zurückfordert.
2012 schaltete sich zudem die Staatsanwaltschaft Mannheim ein und eröffnete ein Verfahren wegen Verdachts auf Untreue gegen mehrere ehemalige und einen amtierenden Manager des Stromkonzerns. Ihnen wird vorgeworfen, den Konzern mit Sitz in Karlsruhe durch nicht genügend gesicherte Zahlungen sowie durch Verträge mit Bykow geschädigt zu haben. Jetzt haben die deutschen Ermittler umfangreiche Geschäfts- und Bankunterlagen aus der Schweiz erhalten. Denn Bykow hatte in den Nullerjahren eine Reihe von Firmen in der Schweiz gegründet, über die er auch Geschäfte mit EnBW abwickelte. Die Dokumente wurden aufgrund eines Rechtshilfegesuchs der Staatsanwaltschaft Mannheim in verschiedenen Kantonen und bei Hausdurchsuchungen durch die Oberstaatsanwaltschaft Schwyz erhoben.
Das Bundesamt für Justiz hatte Schwyz zum Leitkanton in diesem Verfahren bestimmt. Bykow sowie eine wohltätige Stiftung mit Sitz in Russland wehrten sich mit Rekursen gegen die Rechtshilfeleistung. Das Bundesstrafgericht wies die Beschwerden im vergangenen Dezember jedoch ab. Die letzte Woche veröffentlichten Entscheide sind inzwischen rechtskräftig geworden, sodass die Unterlagen den deutschen Behörden übergeben werden konnten, wie die Oberstaatsanwaltschaft Schwyz auf Anfrage sagte.
Den Urteilen des Bundesstrafgerichts ist unter anderem zu entnehmen, dass die Staatsanwaltschaft Mannheim die Beschuldigten verdächtigt, mit Bykow und dessen Gesellschaften Scheinverträge abgeschlossen zu haben, um die tatsächlichen Geschäftsbeziehungen zu verschleiern. Bykow und seine Firmen sollen der EnBW Vermittlungs- und Lobbytätigkeiten für Investitionen in russische Erdgasfelder erbracht haben. Die Verschleierung sei nötig gewesen, weil innerhalb der EnBW Gasgeschäfte mit russischen Unternehmen nicht befürwortet worden seien. Bykow hatte in seiner Beschwerde der Staatsanwaltschaft Mannheim vorgeworfen, sie gehe einem Korruptionssumpf mit gewaltigen Dimensionen im Umfeld der EnBW nicht nach. Dieser Einwand war laut Bundesstrafgericht für das Rechtshilfeverfahren aber nicht von Belang, ebenso wenig wie die Aussage Bykows, es sei nicht auszuschliessen, dass schweizerische Beamte in die Korruptionsvorgänge verwickelt seien.
In der Zentralschweiz hatte Bykow erstmals im Herbst 2002 für Aufsehen gesorgt. Er war Geschäftsführer der Firma Nuclear Disarmament Forum mit Sitz in Zug, die einen Friedenspreis an Wladimir Putin übergeben wollte. Michail Gorbatschow und Bischof Desmond Tutu traten an der Preisverleihung im Casino Zug auf, nicht aber Putin. Die Zuger Kantonsregierung leistete der Einladung keine Folge, nachdem die Ehrung Putins Proteste ausgelöst hatte.
Bykow beziehungsweise die Verbindungen des ehemaligen Schwyzer CVP-Ständerats Bruno Frick zum Russen sorgten letztmals 2013 für Schlagzeilen. Der Umstand, dass Frick in mehreren Bykow-Firmen bis 2009 als Verwaltungsrat geamtet hatte, war Teil der Kampagne gegen die Wahl Fricks in den Verwaltungsrat der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma. Bykow selber ist hierzulande im Visier der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) und der Zürcher Staatsanwaltschaft, wie aus den Bundesstrafgerichtsurteilen hervorgeht. Die Schweizer Anwälte des Russen wollten sich auf Anfrage unserer Zeitung unter Berufung auf das Anwaltsgeheimnis nicht zu diesen Verfahren äussern. Auch nicht zur Frage, ob ein anonymisiertes Bundesgerichtsurteil vom Oktober 2013 Bykow betrifft. Demnach führte die ESTV damals ein Verwaltungsstrafverfahren mit einer Deliktsumme von 60,9 Millionen Franken und liess Vermögenswerte – darunter 63 Goldbarren – im Wert von über 50 Millionen Franken beschlagnahmen.
Balz Bruppacher