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Der Kanton Zug hat im Juli den Erstnachweis des Gelbringfalters als «sensationell» bezeichnet. Fachleute halten es für möglich, dass die seltene Art aus dem Gebiet des Goldauer Bergsturzes einwanderte.
«Ich ging im Walde so für mich hin, um nichts zu suchen, das war mein Sinn.» So ähnlich wie Johann Wolfgang Goethe muss es Dominic Hürlimann ergangen sein, als er in diesem Frühjahr wieder einmal hoch oberhalb von Walchwil unterwegs war. Am Morgen dieses schönen Junitages hatte der Forstwart aus Walchwil noch einen Teil seiner Lehrabschlussprüfungen abgelegt. Um sich etwas zu erholen, begab sich Dominic Hürlimann ins Gebiet Heumoos-Rufibach, auf etwa 800 Meter über Meer. Dort habe es noch Streuwiesen und Waldweiden, das sei ein «richtig geniales Naturschutzgebiet», mit Orchideen und anderen seltenen Pflanzen. An jenem Nachmittag war Hürlimann ohne besonderes Ziel unterwegs. Aber während Goethe «ein Blümchen» fand, war es bei Hürlimann etwas ganz anderes: «Plötzlich kam ich zu dieser kleinen Wiese im Wald und entdeckte diesen bräunlichen Falter mit dem Ringmuster auf den Flügeln.»
Er habe schon die Vermutung gehabt, dass es sich bei seiner Entdeckung um den Gelbringfalter handeln könnte: «Ich hatte eine grobe Ahnung, wie dieser seltene Falter aussieht.» Dominic Hürlimann wusste nämlich, dass man im Kanton in der Vergangenheit schon nach dieser seltenen Falterart Ausschau gehalten hatte.
«Ich entdeckte also diesen Falter, machte schnell ein Bild und schickte dieses Martin Ziegler vom Amt für Wild und Wald des Kantons Zug. Dieser weiss auch in Sachen Falter sehr gut Bescheid.» Der Rest ist bekannt und machte in den Medien im Juli schnell die Runde: Bei der Entdeckung von Dominic Hürlimann handelte es sich tatsächlich um den seltenen Gelbringfalter (Lopinga achine). Es sei das erste Mal, dass diese seltene Falterart im Kanton Zug nachgewiesen werden könne, teilte der Kanton Zug in der Folge mit. Dieser Erstnachweis belege, dass die vom Kanton eingeleiteten Aufwertungsarbeiten in Waldschutzgebieten wirksam seien. Beim Gelbringfalter handelt es sich um eine gemäss Roter Liste sehr stark gefährdete Tierart.
Eine Frage blieb bisher aber ungeklärt: Wie fand denn dieser seltene Falter den Weg nach Walchwil? Man wisse wirklich nicht, wie Schmetterlinge jeweils neue geeignete Gebiete fänden, sagt Yannick Chittaro von Info Fauna der Universität Neuenburg. Klar sei, dass der Zufall auch eine Rolle spielen könne, meint der Schmetterlingsspezialist. «Meiner Ansicht nach ist es auch denkbar, dass der Gelbringfalter schon vorher im Kanton anwesend war, dies aber von niemandem bemerkt wurde.» Die Art sei eben sehr diskret und pro Jahr nur während etwa zwei bis drei Wochen unterwegs. Es sei von daher möglich, dass er bisher einfach trotz eventueller Anwesenheit gar nie bemerkt wurde. Zur genauen Bestimmung von Schmetterlingen brauche es nämlich grosse Erfahrung.
Wenn er aber von auswärts kam, dann sei das Bergsturzgebiet von Goldau das wohl wahrscheinlichste Herkunftsgebiet. Dort befinde sich jedenfalls die nächstgelegene Population. Die Luftdistanz vom Goldauer Rossberg bis zur Fundstelle bei Walchwil beträgt bloss wenige Kilometer.
Es sei denkbar, dass sich der Gelbringfalter während mehrerer Jahre von Goldau aus in Richtung Walchwil begeben habe. «Im Schnitt verschiebt ein Gelbringfalter während seines Lebens seinen Standort nur ungefähr um 300 Meter. Es ist somit kaum möglich, dass ein einzelnes Tier direkt von Goldau her nach Walchwil geflogen ist. Wenn, dann haben wohl mehrere Generationen diesen Weg während mehrerer Jahre in Etappen zurückgelegt.»
Martin Ziegler, Leiter der Abteilung Schutzwald, Waldbiodiversität und Naturgefahren des Kantons Zug, vermutet, dass der Gelbringfalter vor über 100 Jahren auch im Kanton Zug noch vorgekommen ist. «Dannzumal wurde die Landschaft extensiv und kleinräumig genutzt. Die Übergänge zwischen Wald und Offenland waren fliessend. Die Lebensräume des Gelbringfalters haben sich seither aber aufgrund der Mechanisierung in der Landwirtschaft und durch die Verdunkelung der Wälder massiv verändert.» Darum sei der Gelbringfalter im Kanton Zug wohl schon vor vielen Jahrzehnten ausgestorben.
In der Folge habe er nur dank Resthabitaten wie zum Beispiel jenen im Goldauer Bergsturzgebiet überlebt. «Das gezielte Auslichten geeigneter Wälder in angrenzenden Standorten liess es aber zu, dass sich der Gelbringfalter in den letzten Jahren wieder ausbreiten konnte.» So konnte diese seltene Tierart im Jahr 2017 oberhalb von Arth, also genau zwischen dem Goldauer Bergsturzgebiet und Walchwil, nachgewiesen werden: «Es erscheint realistisch, dass der Gelbringfalter so den Weg von Goldau ins ökologisch aufgewertete Gebiet Hansenbörter oberhalb von Walchwil gefunden hat.» Auch der Schmetterlingsexperte Goran Dusej halte eine Neubesiedlung des Gebietes oberhalb von Walchwil für durchaus denkbar.
So oder so sind sich die Fachleute einig, dass Aufwertungsarbeiten wie jene bei Walchwil für die Natur von grossem Vorteil sind. Das bestätigt Yannik Chittaro von Info Fauna: «Für die Anwesenheit des Gelbringfalters ist das Auslichten von Waldteilen ganz klar ein entscheidender Faktor.»