Luzern: Massive Einsparungen bei der Prämienverbilligung waren bundesrechtswidrig

Die Luzerner Regierung hat 2017 entschieden, den Kreis der Personen deutlich einzuschränken, die eine Prämienverbilligung bekommen. Das war nicht rechtens, entschied nun das Bundesgericht. Das Urteil ist nicht nur überraschend – es ist ein Entscheid mit Knalleffekt.

Lena Berger
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Die erste sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat den Entscheid der Luzerner Regierung aufgehoben. (Bild: Philipp Schmidli (Luzern, 20. Oktober 2014))

Die erste sozialrechtliche Abteilung des Bundesgerichts hat den Entscheid der Luzerner Regierung aufgehoben. (Bild: Philipp Schmidli (Luzern, 20. Oktober 2014))

Ob arm oder reich, die Krankenkassenprämien sind für alle gleich. Um Familien mit wenig oder mittelhohem Einkommen dennoch zu entlasten, sieht das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (KGV) Prämienverbilligungen vor. Nur: Was genau ist mit «untere und mittlere Einkommen» gemeint? Diese Frage zu beantworten, hat der Gesetzgeber den Kantonen überlassen. So kann die Einkommensgrenze beispielsweise im Kanton Tessin anders definiert werden als etwa in den Kantonen Zürich oder Zug, wo das Lohnniveau höher ist.

Die Regierung des Kantons Luzern hat diese Einkommensgrenze in den letzten zehn Jahren ständig nach unten korrigiert. 2007 konnten die Prämien für Kinder und junge Erwachsene noch unabhängig von den Einkommensverhältnissen verbilligt werden. 2008 wurde die Grenze bei einem steuerbaren Einkommen von 100'000 Franken angesetzt. Danach sank sie rasant: 2013 auf 80'000, 2015 auf 75'000 und 2017 schliesslich auf 54'000 Franken.

Die tiefe Einkommensgrenze widerspricht dem Sinn und Geist des Bundesgesetzgebung

Mit der letzten Senkung ist die Luzerner Regierung allerdings zu weit gegangen. Das geht aus einem Bundesgerichtsentscheid vor, den die SP des Kantons Luzern am frühen Samstagnachmittag öffentlich gemacht hat. Mitglieder der Partei hatten gegen die auf 1. Januar 2017 in Kraft gesetzte Änderung der Prämienverbilligungsverordnung Beschwerde geführt. Nachdem das Kantonsgericht diese noch abgewiesen hatte, kommt das Bundesgericht nun überraschend zu einem anderen Ergebnis.

Das Bundesgericht hält klar fest: Das Ziel der Prämienverbilligung sei nicht nur die Entlastung von Familien mit tiefen, sondern auch mit mittleren Einkommen. Das gehe aus der damaligen parlamentarischen Debatte eindeutig hervor. Mit dem Begriff «mittlere Einkommen» sei also nicht nur die unterste Schwelle der mittleren Einkommen gemeint gewesen – doch genau da liege die nun vom Regierungsrat festgelegte Einkommensobergrenze. Dies widerspreche dem Sinn und Geist der Bundesgesetzgebung und sei deshalb rechtswidrig.

Das Bundesgericht hebt mit dem Urteil die Prämienverbilligungsverordnung des Kantons Luzern in der für das 2017 gültig gewesenen Fassung auf. Die SP informierte am Samstagnachmittag darüber, welche Schlüsse sie aus dem Urteil zieht – und welche Auswirkungen der Entscheid aus ihrer Sicht auf ihre Volksinitiative «Sichere Prämienverbilligung - Abbau verhindern» haben wird. Diese fordert, dass die Verbilligung der Krankenkassenprämien nicht unter das Niveau von 2016 fällt.