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Vor 41 Jahren hat die Luzerner Jugend für Freiräume gekämpft – und erhielt das alte Gefängnis beim Sedel. Eine grosse Parade weckte Erinnerungen bei Sedel-Pionierinnen und lockte Kulturfans in die Altstadt.
Für einige ist der Sedel ein Hügel mit kurviger Strasse. Für andere ein pulsierender Kulturbetrieb, ein Wegbereiter der Luzerner Musikszene. Werner Heller, «Werni», gehört zur zweiten Sorte. Er steht am Samstagnachmittag um 15 Uhr vor der Kornschütte in der Luzerner Altstadt.
Mit ihm sind Hunderte Menschen da, die den 40. (pandemiebedingt den 41.) Geburtstag des Musikzentrums Sedel feiern. Auf dem Programm des «Jailhouse Walk» stehen Konzerte und eine Parade, die in der Altstadt startet und via Seebrücke, Theaterplatz und Geissmätteli spätabends am Sedel endet, um dort die Nacht durchzufeiern.
Heller, der langjährige Hauswart des Musikzentrums, war bereits vor 41 Jahren auf dem Kornmarkt. Anstatt der angekündigten Demo veranstaltete die Luzerner Jugend damals ein Freudenfest. Denn ihrer Forderung nach Freiräumen wurde nachgegeben und das alte Gefängnis auf dem Sedel zum Musikzentrum mit Proberäumen gemacht. Heller sagt:
«Vorher gab es nichts in Luzern. Keinen Konzertsaal, keinen Ausgang. Und die Lokale schlossen um 00.30 Uhr.»
Sie steht noch, die Strassenlaterne bei der Kornschütte, auf der Heller vor 41 Jahren sass. Damals mit einem Plateau oben anstatt des heutigen Spitzes – deutlich bequemer, meint er. Und erklärt den aussergewöhnlichen Aussichtspunkt: Als Mischer der Band wollte er von dort oben den Sound überprüfen. Der Moment ging als Foto in die Sedel-Geschichte ein:
«Ich war einfach links und Punk»,
das reicht Doris Mayo als Erklärung, weshalb sie sich vor 40 Jahren für den Sedel engagierte. Nach wie vor ist sie öfters im Sedel anzutreffen, schätzt die finanzielle Unabhängigkeit des Zentrums und die unkomplizierten Begegnungen. Es sei «schön, sehr schön» zu sehen, dass einige Bandmitglieder von damals noch heute auftreten, meint sie mit Blick auf die Bühne auf dem Kornmarkt.
Einer, der 1981 als Sänger der Punkband Crazy dabei war, ist Urs Knüsel. Nur ungern lässt er sich am Samstag vom Konzert der Möped Lads ablenken. Gefragt, was den Sedel ausmache, antwortet er: «Musik und Freunde. Oder eher Freunde und Musik.»
Er erinnert sich an die Zeit vor dem Sedel, als die Punkszene sich wöchentlich vor dem Luzerner Theater traf und ebenfalls wöchentlich im Kastenwagen von der Polizei zur Ausweiskontrolle auf der Wache gefahren wurde. Inklusive 20 Franken Busse wegen unanständigen Benehmens. Er betont, dass sich Punks zwar stark für den Sedel einsetzten, doch die Musikausrichtung sei schon immer vielfältig gewesen und werde heute stets vielfältiger.
Ein reines Sedel-Nostalgie-Treffen war die Jubiläumsparade trotz blauer Strähnen im grauen Haar, klirrender Ketten am etwas grösseren Hosenbund und leicht verblasster Tattoos nicht. Auf der Bühne stand auch Ziper, eine der jüngeren Sedel-Bands, und im Publikum waren viele Menschen zu sehen, die vor 40 Jahren noch gar nicht auf der Welt waren. Sedel-Mitarbeiter Dario Cajochen und Noah Betschart sind zwei davon. Dass sie oft die jüngsten im Saal seien, störe sie nicht.
«Der Sedel ist einfach anders. Andere Musik, andere Leute.»
Sedel-Urgesteine sind sich einig, dass junge Menschen heute weniger für Freiräume kämpfen. Werner Heller sagt, sie hätten bereits alles, ihnen werde alles angeboten: «Die heutige Jugend tut mir fast ein bisschen leid, denn gemeinsam etwas zu erkämpfen und sich zu engagieren, verbindet und hält eine Generation zusammen.»
«Fix», der Sänger der Sedel-Band Sin Logica, die beim Theaterplatz auftritt, erklärt hingegen, er halte nicht viel von der heutigen Jugend:
«Die Jugend von heute trinkt nicht, sie raucht nicht. Sie macht Sport und schaut Influencern zu. Dabei gebe es heute noch mehr zu kämpfen als damals.»
Er, der Punk, zeigt am «Jailhouse Walk» lautstark vor, wie Kritik geht, etwa mit seinem Stück gegen den Massentourismus. Das Publikum, zwischen Primarschulkindern und Sedel-Pionierinnen, tanzt, wippt und schreit begeistert mit.