Startseite
Zentralschweiz
Stadt Region Luzern
Mehr Hochwasserschutz, Ökologie und Lebensqualität: Jetzt ist die Bewilligung für das Megaprojekt da. Doch es drohen Verzögerungen – mit vielen Einsprechenden gibt es keine Einigung.
230 Seiten, doppelseitig bedruckt wohlgemerkt. So umfangreich ist der Entscheid des Luzerner Regierungsrats, wonach er das rund 200 Millionen Franken teure Projekt «Hochwasserschutz und Renaturierung Reuss» genehmigt hat. «Die Entscheide sind nicht immer so dick», bemerkte Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdirektor Fabian Peter (FDP) am Mittwoch vor den Medien schmunzelnd und fügte an:
«Doch es ist ein nicht alltägliches und für Luzern sehr wichtiges Projekt. Ein Meilenstein, von dem wir überzeugt sind.»
Auf dem 13,2 Kilometer langen Abschnitt der Reuss zwischen Emmen-Reusszopf und der Kantonsgrenze zu Zug bei Honau sind Massnahmen geplant, um die Umgebung besser vor Hochwasser und auch die Trinkwasserversorgung zu schützen, die Lebensräume für Tiere und Pflanzen aufzuwerten und zusätzliche Erholungsräume für die Bevölkerung zu schaffen.
Der Hochwasserschutz hat auch monetäre Gründe: Das Schadensausmass eines Jahrhundert-Hochwassers wird laut Kanton an der Reuss derzeit mit rund 600 Millionen Franken beziffert – privat versicherte Schäden oder auch Lohnausfälle nicht eingerechnet. Die Risikokosten, welche die Reuss heute auslöst, betragen rund 8 Millionen Franken pro Jahr. Das Projekt reduziert diese Kosten auf 0,9 Millionen Franken jährlich. Schliesslich gab Fabian Peter noch etwas anderes zu bedenken: Die heutigen Dämme haben über 150 Jahre auf dem Buckel. Er sagte:
«Wir können nicht ewig warten mit dem Projekt.»
Allerdings drohen Verzögerungen. Weil das Projekt viel Land und Wald beansprucht (siehe Box weiter unten), sind dagegen bei der öffentlichen Auflage 56 Einsprachen eingegangen. Der Kanton konnte zwar mit 23 Einsprechenden – rund 40 Prozent – eine Einigung finden oder sie zogen die Einsprache zurück. Dies unter anderem dank Optimierungen etwa im Schiltwald. «Wir haben uns bewusst viel Zeit genommen für diese Verhandlungen, mit einigen haben wir mehrere Gespräche geführt», sagte Fabian Peter. Besonders froh sei er, dass man sich mit allen Anrainer-Gemeinden habe einigen können.
Trotzdem: Bei 33 Einsprachen gab es keine gütliche Einigung, respektive bei 14 davon wenigstens teilweise. Laut Fabian Peter handelt es sich bei den Unerledigten vorwiegend um Einsprachen von Bauern, zudem sind Umweltverbände darunter. Der Regierungsrat hat alle diese Einsprachen mit der Projektgenehmigung abgewiesen. Dagegen können die Einsprechenden Beschwerde am Kantonsgericht einreichen und diesen Entscheid allenfalls ans Bundesgericht weiterziehen.
Je nach Verlauf dieses Beschwerdeverfahrens kann der Regierungsrat den Kredit frühestens nächstes Jahr dem Kantonsrat vorlegen. Das letzte Wort wird dem Stimmvolk gebühren. Von den 200 Millionen Franken tragen Kanton und die Gebäudeversicherung Luzern rund 40 Millionen – den grossen Rest übernimmt der Bund. Für die Bauarbeiten rechnet der Kanton mit etwa zwölf Jahren. Anders gesagt: Vom Projektstart 2006 – Auslöser war das Jahrhundert-Hochwasser im August 2005 – bis zur Fertigstellung dürften dann gut und gerne 30 Jahre vergangen sein.
Die Ausweitung des Flussgewässerraums wird viel Land und Wald beanspruchen. Auf dem Abschnitt Emmen-Gisikon beträgt der Bedarf an landwirtschaftlicher Nutzfläche für das Projekt 28 Hektaren, zudem sind 15 Hektaren nur noch extensiv bewirtschaftbar. Der Kanton konnte hier bereits 68 Hektaren Realersatz sichern – 25 Hektaren zu viel. Auf dem Abschnitt Gisikon-Kantonsgrenze besteht für die wegfallenden 17 Hektaren dagegen erst Realersatz von 10,5 Hektaren – da fehlen noch 6,5. Flächenabtausche sind möglich, einzelne Bauern müssen allerdings weitere Wege zu ihren Feldern in Kauf nehmen und zum Teil ist die Erschliessung problematisch. Beim Wald sind laut Kanton von den benötigten 31 Hektaren 95 Prozent des Realersatzbedarfs gesichert.
Für die Realersatzforderungen und Entschädigungen der betroffenen rund 30 Bauern hat der Kanton seit 2016 die Land- und Forstwirtschaftliche Begleitplanung (LaFoBe) eingesetzt. Dessen Leiter Stefan Moser sagte, dass man mit Betroffenen nach wie vor im Gespräch sei, Lösungsszenarien erarbeite, Realersatzflächen suche und Vorverträge für Landabtausch und Realersatz ausarbeite: «Unsere Tätigkeit geht weiter.» Denn die Entschädigungen und Realersatzforderungen sind nicht Bestandteil der Projektbewilligung, sondern werden im Landerwerbsverfahren separat behandelt. Die Akzeptanz der Begleitgruppe bei den Betroffenen sei grundsätzlich gut. Moser: «Wir wurden jedenfalls nie davongejagt.» (hor)