Die Wasserpegel sinken, Fliess- und Stehgewässer erwärmen sich massiv. Das hat negative Folgen für mehrere Fischarten. Der Kanton hat erste Sofortmassnahmen ergriffen.
Die Schweiz schwitzt. Auch die Gewässer bieten kaum mehr Abkühlung: Der Vierwaldstättersee misst am Luzerner Seebecken um die 25 Grad Celsius, die Reuss ist ungefähr genauso warm. Was wohl vielen unangenehm erscheint, ist für Fische weitaus schlimmer: Sie sind mit dem Tod konfrontiert. «Wir schlittern fadengerade in eine Tragödie», sagt Kurt Bischof vom Fischereiverband Kanton Luzern (FKL). Der Hintergrund: Insbesondere kältebedürftige Fischarten wie die Forelle und die Äsche sind aufgrund dieser Temperaturen lebensgefährlich bedroht.
Die Situation hat sich gemäss Bischof in den vergangenen drei Wochen «markant zugespitzt». Das Problem: Es fliesst zu wenig Wasser – und zu viel warmes Wasser. Das bestätigt auch der kantonale Fischereiaufseher Olivier Menz: «Das Wasser ist zwar noch vorhanden, dieses ist jedoch schon so erwärmt, dass dies den Fischen zusetzt.» In Zahlen: Die Abflussmenge der Reuss betrug am 19. Juli 2022 80 Kubikmeter pro Sekunde – das war weniger als halb so viel wie zwei Jahre zuvor (165 Kubikmeter pro Sekunde).
Am Montagabend hat der Kanton Luzern erste Abfischungen vornehmen müssen, da sich die Lage derart verschärft habe. Auch am Dienstag müssen sich die Verantwortlichen «einen Bach nach dem anderen vornehmen», sagt Menz. Während des Abfischens werden die Tiere aus ihrer Umgebung gezogen, betäubt und in einem angemessenen Habitat wieder ausgesetzt. Welche Massnahmen können die Verantwortlichen sonst ergreifen? Viele kurzfristige Alternativen gibt es laut Menz nicht. Nebst den Abfischungen sperre der Kanton jene Stellen ab, die kaltes Wasser führen. Aber: «Das ist nur Symptombekämpfung.»
Darüber hinaus sperre der Kanton Luzern das Gebiet um Zuflüsse mit kälterem Wasser ab. Das Ziel: Die Menschen baden an einem anderen Ort, sodass sich die Fische in die kühlere Umgebung zurückziehen können. Diese Massnahme funktioniert jedoch nur teilweise, wie Olivier Menz sagt: «Dies setzt voraus, dass sich die Leute auch an diese Absperrungen halten, was leider nicht immer der Fall ist.»
Hinsichtlich der stehenden Gewässer sei die Gefahr für die Fische «noch nicht allzu dramatisch.» Hier können sich viele Fischarten in tiefere, kühlere Lagen zurückziehen, sagt Kurt Bischof vom Fischereiverband. Das bestätigt auch Arno Affolter, Vereinspräsident des Fischereivereins Vierwaldstättersee: «Die Fische schwimmen tiefer als die üblichen fünf bis sieben Meter.»
Fischereiaufseher Olivier Menz appelliert an die Hobbyfischerinnen und Hobbyfischer, derzeit auf das Fischen in den Fliessgewässern zu verzichten, «damit die Tiere nicht noch mehr Stress haben.» Nun gelte es, jeden Tag die Situation neu zu beurteilen. Blieben jedoch die Temperaturen auch in den kommenden Tagen und Wochen so hoch, würden weitere Notabfischungen unumgänglich sein. Menz: «Ein Stück weit werden wir lernen müssen, damit umzugehen.»
Des einen Freud, des anderen Leid: Die derzeit tiefen Abflusswerte wirken sich positiv auf die Stromproduktion von Wasserkraftwerken aus.
Wie kommt das? Deborah Burri, Mediensprecherin von Energie Wasser Luzern (EWL), begründet das auf schriftliche Anfrage so: «Grund ist, dass das Gefälle zwischen dem angestauten Oberwasser (oberhalb des Nadelwehrs) und dem Unterwasser grösser ist, was für die Stromproduktion von Vorteil ist.» (zgc)