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Stadt Region Luzern
Der Stadtrat verweigerte Pedro Vescoli den Einsitz in einer Kommission – weil er ein Mann ist. Brisant: In einem anderen Fall sieht der Stadtrat grosszügig über die Geschlechterquote hinweg.
In der Stadt Luzern sorgte im Januar eine Nichtwahl für dicke Luft. Der Stadtrat sah davon ab, Pedro Vescoli in die Verkehrskommission zu berufen. Nominiert wurde dieser vom Dachverband der Stadtluzerner Quartiervereine (VQSL), entsprechend hätte er die Quartiere im Gremium vertreten sollen. Der Grund für die Nichtwahl: Vescoli ist ein Mann.
Seit 2015 sieht ein Reglement vor, dass in Kommissionen, Jurys und Projektgruppen, die vom Stadtrat eingesetzt werden, «nach Möglichkeit» eine Geschlechterquote von einem Drittel gelten soll. Das heisst: Beide Geschlechter sollen mit mindestens 33 Prozent vertreten sein. Ist das nicht der Fall, muss bei der Berufung von Neumitgliedern die Wiederherstellung dieses Gleichgewichts angestrebt werden.
Der «Fall VQSL» stiess der Stadtluzerner FDP sauer auf. Deshalb hat sie ein Postulat eingereicht, mit der Forderung, auf den Entscheid zurückzukommen. Zudem verlangten die Freisinnigen, dass der Stadtrat in Einzelfällen nicht auf der Quote beharren soll – etwa dann, wenn es um die Wahl von ehrenamtlich tätigen Personen geht.
Nun aber stellt der Stadtrat klar, dass er bei seiner Haltung bleiben wird. «Dass dies im Extremfall zu einer Nichtwahl eines vorgeschlagenen, ehrenamtlich tätigen und qualifizierten Kandidaten führen kann, bedauert der Stadtrat», heisst es in der Stellungnahme zum Postulat. Man sei sich bewusst, dass dies «im Lichte der Wertschätzung der ehrenamtlichen Tätigkeit kritisch aufgenommen» werden könne.
Stadtpräsident Beat Züsli (SP) sagt: «Der Vorstoss fokussiert sich auf die Freiwilligenarbeit, aber aus meiner Sicht hat diese mit dem Thema Geschlechterquote nur am Rande zu tun.» In der Verkehrskommission sei es zufälligerweise zur «bedauerlichen Konstellation» gekommen, dass der Stadtrat einen ehrenamtlich tätigen Mann nicht gewählt hat. «Das tut mir für den Betroffenen aufrichtig leid», so Züsli. Es sei natürlich nicht das Ziel, Ehrenamtlichen Steine vor die Füsse zu legen.
Allerdings sei die ungleiche Zusammensetzung des Gremiums bereits seit Jahren ein Thema gewesen; alle Mitglieder hätten gewusst, dass die Frauenquote angehoben werden soll. «Aus unserer Sicht hätte man genug Zeit gehabt, bei den diversen Organisationen weibliche Vertretungen aufzubauen.» In der entsprechenden Verordnung ist festgelegt, dass die Quote «nach Möglichkeit» angestrebt werden soll. Der Stadtrat hätte sich also auch kulant zeigen können. «Das haben wir nicht getan, weil es dann immer wieder zu ‹Ausnahmefällen› kommen könnte», hält Züsli fest.
«Wir sind klar der Meinung, dass Kommissionen zu besseren Diskussionen und Vorschlägen kommen, wenn sie möglichst breit zusammengesetzt sind – nicht nur vom Geschlecht, sondern auch vom Alter her.»
Dass das nicht immer möglich ist, zeigt der Fall der Taxikommission. In dieses Gremium hat der Stadtrat jüngst einen Mann gewählt, der eine Frau ersetzt – obwohl auch dort die Frauenquote zu tief ist. Ist das nicht inkonsequent? «In der Taxikommission müssen Vertreterinnen und Vertreter der Branche sitzen», erläutert Züsli. In diesem konkreten Fall seien nur zwei Frauen überhaupt in Frage gekommen: Eine, die bereits in der Kommission war und nicht mehr will; und eine andere, die aufgrund der Verfügbarkeit keine Zeit für Kommissionsarbeit hat.
«Das ist wie bei den Anstellungen: Wenn wir keine weiblichen Bewerbungen haben, können wir logischerweise keine Frau einstellen.»
In der Taxikommission sei das Feld der möglichen Kandidatinnen wesentlich kleiner als in der Verkehrskommission, so Züsli. «Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass der Dachverband der Quartiervereine die Möglichkeit gehabt hätte, eine Frau aufzubauen – und diese Möglichkeit auch jetzt noch hat.»
In Kraft ist die Quotenregelung seit 2015. Seines Wissens habe es bis zur «Causa VQSL» bei Kommissionen keinen Fall gegeben, in dem der Stadtrat aufgrund der Quote auf eine Wahl verzichtet habe. Zuvor habe man eine solche Situation mit konstruktiven Vorgesprächen stets verhindern können.
Ein Blick auf die Website der Stadt Luzern zeigt, dass tatsächlich ein starkes Missverhältnis der Geschlechter herrscht. 67 Frauen stehen 105 Männern gegenüber (siehe Grafik). Rechnet man die Mandate aller 19 Kommissionen zusammen, ist das Drittelverhältnis knapp erfüllt: Insgesamt liegt die Frauenquote bei 38,95 Prozent.
Laut Züsli ist es nicht zielführend, sich nur auf die Gesamtzahl der Mandate zu beschränken: «Es geht um die konkrete Arbeit in den einzelnen Kommissionen; diese gewinnt an Qualität, wenn die Bevölkerung mit vielseitigen Perspektiven vertreten ist.»
Besonders gross ist die Mehrheit der Männer in der bereits erwähnten Verkehrskommission. Dies, obwohl vor kurzem ein GLP-Grossstadtrat durch eine Grossstadträtin derselben Partei ersetzt wurde. Unausgewogener ist nur die Feuerwehrkommission, in der gar keine Frau sitzt. Die höchsten Frauenquoten weisen die Altstadtkommission (75 Prozent), die Integrationskommission und die Kommission für Bildende Kunst (beide 67 Prozent) aus.
Die Suche nach einer weiblichen Vertretung für die Verkehrskommission läuft beim Verband der Quartiervereine übrigens immer noch: «Wir versuchen es, bisher leider ohne Erfolg», sagt Vizepräsidentin Sandra Felder-Estermann. Anfang Juni ist Piedro Vescoli aus dem Vorstand zurückgetreten. «Da will man sich ehrenamtlich engagieren, aber man lässt einen nicht», wurde er damals in der Mitteilung des Dachverbandes zitiert. Auch der 79-jährige Guerino Riva ist aus dem Vorstand zurückgetreten. Er wird den Dachverband noch so lange in der Verkehrskommission vertreten, bis eine Nachfolgerin gefunden ist. Sandra Felder wiederholt, was sie bereits im Januar sagte: «Der VQSL-Vorstand erfüllt die Geschlechterquote der Stadt. Aber keine von uns Frauen will in die Verkehrskommission.»